von Thomas Rünker

Bischof Overbeck: Den Umbau zum klimafreundlichen Ruhrgebiet sozial gestalten

Über den Klimawandel und das Ruhrgebiet diskutierte der Ruhrbischof am Dienstag, 9. März 2021, unter anderem mit NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser und Thyssenkrupp-Stahlchef Bernhard Osburg. Die digitale Podiumsdiskussion mit mehr als 120 Teilnehmenden war eine gemeinsame Veranstaltung der Bistumsakademie „Die Wolfsburg“ und des Initiativkreises Ruhr.

Wenn das Ruhrgebiet in den kommenden Jahren zu einer Vorzeigeregion in Sachen Klimaschutz werden soll, dürfe die soziale Seite bei diesem Umbau nicht zu kurz kommen. Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck verglich die dafür nötigen Anstrengungen am Dienstagabend, 9. März 2021, mit dem tiefgreifenden Strukturwandel, den das Revier mit dem Ende der Steinkohlenförderung durchlaufen hat: „Wenn man einen solch immensen Strukturprozess angeht, dann kann man das nur sozial machen“, betonte Overbeck. Der Bischof sprach bei der digitalen Diskussionsrunde „Wie schafft das Ruhrgebiet die Anpassung an den Klimawandel?“ der Mülheimer Bistumsakademie „Die Wolfsburg“ und des Initiativkreises Ruhr, an der auch die NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) und Bernhard Osburg, der Vorstandssprecher von Thyssenkrupp Steel Europe, teilnahmen. Die Bewahrung der Schöpfung sei vor allem eine Gerechtigkeitsfrage, so Overbeck. „Das betrifft ja nicht nur Deutschland und Europa, sondern die ganze Welt.“ Zugleich gehe es „um Gerechtigkeit zwischen den Generationen, also um die Frage, welches Erbe wir den nachwachsenden Generationen hinterlassen“.

Heinen-Esser: „Den Kommunen helfen, mit dem Klimawandel umzugehen“

Geht es nach dem NRW-Umweltministerium und der von der Landesregierung initiierten Ruhrkonferenz, soll das Ruhrgebiet als einst größtes Industriegebiet Europas künftig zu einer internationalen Vorzeigeregion in Sachen Klimaschutz und Klimaanpassung werden. „Wir können nicht nur gegen den Klimawandel arbeiten, sondern müssen auch den Kommunen helfen, mit dem Klimawandel umzugehen“, betonte die Politikerin. „Das Ruhrgebiet ist dabei für mich beispielgebend.“ Um steigenden Temperaturen und einer schwieriger werdenden Wasserversorgung zu begegnen, sollen unter anderem die Flächenentsiegelung und die Begrünung von Dach- und Fassadenflächen deutlich vorangetrieben werden. Die Ruhrkonferenz, die Bischof Overbeck als Mitglied des Beirats begleitet, hat vor diesem Hintergrund zwei Leitprojekte auf den Weg gebracht: Mit der „Offensive Grüne Infrastruktur 2030“ sollen grüne Freiflächen „als zentrales, identitätsstiftendes Element der Raumentwicklung verankert“ werden, heißt es bei der Ruhrkonferenz. Und das Projekt „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ soll für eine regionale Abstimmung lokaler Maßnahmen der „wassersensiblen Stadtentwicklung“ sorgen. Bis 2040 soll der Regenwasser-Abfluss in der Kanalisation um ein Viertel reduziert und die Verdunstung um zehn Prozent erhöht werden – eine Maßnahme, um auch die vielen Grünflächen im Revier fit für den Klimawandel zu machen.

Gute Voraussetzung für Klimaanpassung im Ruhrgebiet

Info: Digitale Diskussion mit interaktiven Elementen

Mehr als 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer beteiligten sich an der coronabedingt rein digitalen Diskussion von „Wolfsburg“ und Initiativkreis Ruhr. Neben den von Akademiedirektorin Judith Wolf moderierten Wortbeiträgen gab es immer wieder interaktive Umfrageelemente, die Julia Schweppe, Projektmanagerin des Jungen Initiativkreises Ruhr, in die Debatte einbrachte. Der Junge Initiativkreis Ruhr setzt sich als Botschafter der nachfolgenden Generationen für ein agiles Ruhrgebiet ein. Die Mitglieder machen es sich seit 2016 zur Aufgabe, den Wandel in der Region mit für sie wichtigen Aktivitäten voranzutreiben.

Gerade wegen seiner vielen Grünflächen habe das Ruhrgebiet „eigentlich ganz gute Voraussetzungen“, sich an die neuen klimatischen Gegebenheiten anzupassen, erläuterte Meteorologe Wolfgang Beckröge vom Regionalverband Ruhr. Denn viel Grün helfe sowohl gegen Hitze als auch gegen Starkregen. Dass der Klimawandel im Ruhrgebiet längst spürbar sei, machte Beckröge an der Zahl „tropischer Nächte“ in der Region deutlich: Gab es im Zeitraum zwischen 1962 und 1990 im Schnitt drei Nächte pro Jahr, in denen die Lufttemperatur nicht unter 20 Grad Celsius sank, prognostizieren die Fachleute einigen Revier-Quartieren in den kommenden 30 Jahren mehr als drei Wochen tropische Nächte jährlich. Beckröge forderte mehr Tempo beim Engagement, den Klimawandel zu bremsen: „Die schönsten Anpassungen helfen uns nichts, wenn wir über das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens hinaus schießen.“

Innovation City Bottrop wirbt für energetische Sanierung

Um durch Energieeinsparungen den CO2-Ausstoß zu reduzieren hat das Projekt Innovation City Ruhr in Bottrop vor allem die Hauseigentümer im Blick. Ziel im Bottroper Modellgebiet mit rund 70.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist es, die Emissionen binnen zehn Jahren um die Hälfte zu senken – vor allem durch energetische Gebäudesanierungen. Dafür brauche es viel Überzeugungsarbeit, sagte Innovation-City-Geschäftsführer Tobias Clermont: „Bei vielen Einzeleigentümern ist die CO2-Reduktion oft nicht die erste Motivation.“ Öffentliche Fördermittel seien wichtig, aber vor allem müssten die Antragsverfahren einfach und schnell sein. Innovation City Ruhr ist das Energie-Leitprojekt des Initiativkreises Ruhr.

Thyssenkrupp will Stahl bis 2050 mit Wasserstoff produzieren

Die besondere Verantwortung der Großindustrie beim Klimaschutz betonte Bernhard Osburg als Chef des größten deutschen Stahlwerks in Duisburg: „In der Tat, wir sind heute ein großer Teil des Problems“. Gleichzeitig sieht er sein Unternehmen als einen wichtigen Teil der Lösung. Bis 2050 will Thyssenkrupp die Stahlerzeugung „dekarbonisieren“, also die jährlich fünf Millionen Tonnen Steinkohle in den Hochöfen durch Wasserstoff ersetzen, der mit umweltfreundlich erzeugtem Strom gewonnen wird. Dafür müsse „gar nicht mehr so ganz viel erfunden werden“. Die Herausforderung sei eher die Kapazität. „Die nationale Wasserstoff-Strategie plant derzeit mit einer Elektrolyse-Kapazität von zehn Gigawatt bis 2040 – davon brauchen wir die Hälfte“, so Osburg. Und wenn sein Konzern bis 2050 klimaneutral produzieren will, müssen sich auf dem Meer rund 3600 Windräder der höchsten Leistungsklasse nur für die Stahlerzeugung von Thyssenkrupp drehen. Mit acht Milliarden Euro taxierte der Manager die für den Umbau nötigen Investitionen. Viel Geld – erst recht für die aktuell angeschlagene Stahlsparte des traditionsreichen Ruhrgebiets-Konzerns. Es gebe aber auch „keinen Mitbewerber, der dies aus seinem Cash-Flow finanzieren kann“, hob Osburg hervor. Deshalb brauche es einen gesellschaftlichen Konsens, öffentliche Gelder und einen Masterplan, der diese gigantische Aufgabe beschreibe. Als Leitmotiv für diesen Wandel sieht auch Osburg die von Bischof Overbeck stark gemachte „Bewahrung der Schöpfung. „Letztlich geht es doch darum, die Welt vor großen Schäden zu bewahren“, so der Manager.

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