von Cordula Spangenberg

Sommer-Empfang des Bischofs: Schwere Fragen an einem idyllischen Abend

Der Sommerempfang war wegen der Pandemie-Situation vom bekannten Termin nach Neujahr auf den Juni verlegt worden – „Bischof bricht Traditionen“, sagte Generalvikar Pfeffer augenzwinkernd.

Dass der traditionelle Jahresempfang des Bischofs von Essen in diesem Jahr vom Januar in den Sommer verschoben wurde, war zwar der Pandemie-Situation geschuldet. „Aber unser Bischof ist nicht zögerlich, Traditionen zu brechen und Veränderungen voranzutreiben“, sagte Generalvikar Klaus Pfeffer augenzwinkernd zu Beginn eines warmen Sommerabends, der mit einem Gespräch über die „Zeitenwende in Europa“ zwischen Bischof Franz-Josef Overbeck, der früheren Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Akademiedirektorin Judith Wolf begann und mit entspannten Gesprächen der 200 Gäste in der lauen Abendluft vor der idyllisch gelegenen Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim-Speldorf fortgesetzt wurde.

Bischof Overbeck: „So geht Christsein nicht.“

Drei Aufgaben für die Gesellschaft von morgen

Drei Perspektiven für eine gerechte Gesellschaft spricht Bischof Franz-Josef Overbeck immer wieder an:

Familie ist eine gesamtgesellschaftliche Kernaufgabe. Wenn sie nicht durch Blutsverwandschaft gegeben ist, muss man andere stabile Formen des Zusammenlebens finden.

Durch Arbeit muss der Mensch das verdienen können, was er zum Leben braucht.

Bildung macht resilient (widerstandsfähig) und legt die Grundlage dafür, über den eigenen Horizont hinauszuschauen und das eigene Leben selbstverantwortlich zu gestalten.

Auch wenn sie selbst an dieser Stelle keine Verantwortung mehr trägt: Angesichts des Ukraine-Krieges lässt Kramp-Karrenbauer die schwere Aufgabe ihrer Nachfolgerin als Bundesverteidigungsministerin nicht kalt. „Wie gehen wir mit Europa um, mit unserer Energieversorgung, mit den autoritären Tendenzen Chinas?“, fragte sie und erinnerte an die „Zeitenwende“, die Bischof Franz-Josef Overbeck in seinem Neujahrswort 2018/19 bereits klar benannt hatte. „Die alte Zeit ist zu Ende“, schrieb er damals. Nun sagte er: „Zeitenwende ist im positiven Sinne das Ergebnis von Krise.“ Der Beitrag der Christen zur Zeitenwende seien „Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden“. Das, so der Bischof, sei derzeit allerdings ein ökumenisches Problem angesichts der Positionierung des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. zur Eskalation in der Ukraine. „So geht Christsein nicht“, sagte Overbeck.

Wer übernimmt die moralische Verantwortung für den Einsatz von Waffen?

Kramp-Karrenbauer und Overbeck sind sich einig darin, dass man die Illusion aufgeben muss, nach dem Zusammenbruch des Kommunismus werde sich die ganze Welt auf das demokratische Modell des Westens verständigen – auch wenn damit die westeuropäische Friedensethik fundamental in Frage gestellt werde und vielen Menschen „das Weltbild abhanden gekommen ist“, so Kramp-Karrenbauer: „Europa muss stärker werden. Und Deutschland ist zu stark, um militärisch eine so kleine Rolle zu spielen.“ Das sei ein Dilemma, so die frühere Verteidigungsministerin. Die Fragen sind längst noch nicht beantwortet, zum Beispiel die Frage des deutschen Militär-Bischofs Overbeck: „Wer übernimmt die ethische Verantwortung für das, was mit den Waffen passiert? Auch da stehen wir in einer Zeitenwende.“

Zum Empfang des Bischofs waren auch die Schülerinnen und Schüler eingeladen, die sich in den vorausgegangenen Tagen im Rahmen der „Sommerakademie“ der Wolfsburg mit gesellschaftlichen Zukunftsfragen beschäftigt hatten. Viele „Ruhrgebiets-Promis“ waren anwesend – Kramp-Karrenbauer suchte jedoch in erster Linie das Gespräch mit dem Nachwuchs.

Pressestelle Bistum Essen

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