von Thomas Rünker

Neue Orgel holt verschiedenste Klangwelten in die Akademiekirche der „Wolfsburg“

An Palmsonntag, 2. April, weiht Bischof Franz-Josef Overbeck die neue, virtuelle Pfeifenorgel in der Mülheimer Bistumskademie ein. Das digitale Instrument kann den Klang verschiedenster Orgeln wiedergeben, deren Töne zuvor aufwendig aufgenommen und per Computer gemischt worden sind.

Fast 300 Jahre Orgelkultur und Stilrichtungen aus halb Europa sind von Palmsonntag an in der Kirche der Bistumsakademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim zu hören. Egal ob die Sauer-Orgel aus der Lutherkirche in Chemnitz von 1908, die Binns-Orgel in der Old Independent Church im englischen Haverhill von 1901 oder die Isnard-Orgel aus der Basilika Sainte-Marie-Madeleine in der französischen Provence von 1775: Ein Knopfdruck, und schon können Orgelspielerinnen und –spieler in der „Wolfsburg“ künftig den Klang dieser und vieler weiterer Orgeln originalgetreu aus den Lautsprechern der Akademiekirche zaubern.

Möglich macht dies eine neue virtuelle Orgel, die Bischof Franz-Josef Overbeck am 2. April im abendlichen Palmsonntags-Gottesdienst der „Wolfsburg“ segnen wird. Sie löst das bisherige Instrument ab, das seit der Wiedereinweihung der seinerzeit komplett neu gestalteten Akademiekirche im Jahr 2013 für den guten Ton in dem Gotteshaus sorgt. Vor allem aus Platzgründen war auch diese Orgel bereits ein rein digitales Instrument, das – ohne Pfeifen – beim Druck einer Taste einen elektronisch erzeugten Ton wiedergab. „Bei unserer alten Orgel war nur eine Oktave gesampelt“, erklärt Akademiedozent und begeisterter Orgelspieler Jens Oboth: Acht Töne basierten auf Originalaufnahmen von einer Pfeifenorgel, während die zahlreichen anderen Töne lediglich vom Computer berechnet worden waren. Gerade bei besonders hohen oder tiefen Tönen sei dies auch hörbar gewesen, sagt Oboth: „Das klingt dann schon ziemlich nachgemacht.“

Tonaufnahmen an drei verschiedenen Stellen der Orgel

Im Gegensatz dazu sind bei der neuen, virtuellen Orgel alle Töne aus Originalaufnahmen entstanden, und das gleich dreifach: „Jeder Ton wurde einzeln an drei Stellen aufgenommen: Direkt an der Pfeife, am Spieltisch und im Raum“, erklärt Stefan Glaser, der Bischöfliche Beauftragte für Kirchenmusik im Bistum Essen. Er hat Auswahl und Anschaffung der neuen „Wolfsburg“-Orgel gemeinsam mit Oboth begleitet. Im Computer-Labor wurde dann aus den jeweils drei Aufnahmen der eine Ton „gesampelt“, der künftig zu hören sein wird, wenn Oboth oder andere Musizierende in der Akademiekirche die entsprechende Taste drücken.

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Und während bislang nur ein Orgelklang in der „Wolfsburg“ zu hören war, ist die Vielfalt künftig „fast unbegrenzt“, sagt Oboth. Dank immer leistungsstärkerer Aufnahme- und Abspieltechnik gebe es immer mehr Samples der verschiedensten Kirchen- und weltlichen Orgeln, die Besitzer virtueller Orgeln erwerben und dann auf ihrem Instrument spielen können. Für die „Wolfsburg“-Orgel gibt es erst einmal zehn Samples, die jedoch eine möglichst breite Klangvielfalt abdecken: Vom nord- und süddeutschen sowie dem französischen Barock über die französische, deutsche und englische Romantik bis hin zu der erst 2020 in historischer Weise erbauten, aber an Johann Sebastian Bachs Ideal orientierten Ahrend-Orgel in der Regensburger Dreieinigkeitskirche. Daneben kann in der „Wolfsburg“ künftig auch digital ein Cembalo gespielt werden – oder die Wurlitzer-Orgel des Virginia-Theaters im amerikanischen Champaign, Illinois. Einstellen lassen sich die verschiedenen Orgeln über drei Touch-Bildschirme neben dem Spieltisch. Je nach ausgewähltem Orgel-Sample zeigen diese Displays dann auch die verfügbaren Register an: Bei der barocken Baumeister-Orgel aus der Klosterkirche Maihingen sind es gerade 22, bei der romantischen Cavaillé-Coll-Orgel der Abteikirche St. Etienne in Caen sind es mit 55 mehr als doppelt so viele.

Wählt man den Klang einer alten Orgel, hört man das Klappern der Mechanik

Auch wenn die Technik verspielt klingt, sei das ganze keine Spielerei, sagt Oboth: „Die Kirche der ,Wolfsburg‘ ist ein außergewöhnlicher liturgischer Raum, in dem wir mit einem außergewöhnlichen Instrument den heutigen Klangvorstellungen näher kommen möchten, als uns dies bislang möglich war.“ Denkbar sind zudem spezielle Orgel-Kurse, bei denen sich die Studierenden an ein und demselben Instrument durch die verschiedenen Klangwelten probieren können, oder besondere Gottesdienstformate, in denen der passende Orgelklang die gewünschte Stimmung unterstützt.

Vor der Einweihung am Palmsonntag muss jedoch auch die virtuelle Orgel noch intoniert, also auf den Raum hin abgestimmt werden. Denn die verschiedenen Samples stammen mal aus Kirchen, die ähnlich klein sind wie die der „Wolfsburg“, und mal aus großen Kathedralen. Statt den Spezialwerkzeugen der Orgelbauer, die sonst Pfeife für Pfeife stimmen und justieren, ist neben dem feinen Gehör in der „Wolfsburg“ nun Fingerspitzengefühl beim Einstellen von Computermenus gefragt. Wenn alles klappt, ist dann bei den Samples besonders alter Orgeln in der „Wolfsburg“ demnächst „sogar das Klappern der Mechanik zu hören“, schwärmt Oboth.

26.500 Euro hat die neue virtuelle Orgel gekostet, ausschließlich finanziert vom Förderverein der Bistumsakademie. Wer das Instrument hören möchte, findet Informationen zu zukünftigen Gottesdiensten in der Akademiekirche unter: www.die-wolfsburg.de.

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