Telefonseelsorge: Zwischen den Worten hören

Das Thema Suizid wird in der TelefonSeelsorge Duisburg-Mülheim-Oberhausen - statistisch gesehen - jeden zweiten Tag angedeutet oder ausgesprochen. Um ein Viertel stieg hier der Anteil der Telefongespräche mit Menschen in Krisen und Suizid-Gefahr. Leiter Olaf Meier beklagt die Ausdünnung der psychosozialen Landschaft.


TelefonSeelsorge Duisburg-Mülheim-Oberhausen in schweren Krisen zunehmend gefragt

Der Anteil der Telefongespräche mit Menschen in Krisen und Suizid-Gefahr ist in der TelefonSeelsorge Duisburg-Mülheim-Oberhausen um ein Viertel gestiegen, während die Gesamtzahl der Telefonate (15.000) und der Mails (300) gleich geblieben ist. Diese Zahlen veröffentlichte jetzt der Leiter der TelefonSeelsorge, Olaf Meier, im Jahresbericht 2010/2011. 142 Personen fragten wegen einer Krisenbegleitung an. In den Jahren davor waren es 121 bzw. 100 Anfragen.

Diese Entwicklung geht einher mit einem Anstieg der Suizide in Nordrhein-Westfalen um neun Prozent. Hier stieg die Zahl der Suizid-Toten von 1500 auf 1800, auf Bundesebene von langjährig 9500 auf 10 000. In der TelefonSeelsorge Duisburg-Mülheim-Oberhausen werde das Thema Suizid statistisch gesehen jeden zweiten Tag angedeutet oder ausgesprochen, berichtet der leitende Psychologe und Theologe, der eine Zunahme der Selbsttötungen nicht ausschließt. Für Meier zeigt sich, dass die psychosoziale Landschaft ausgedünnt wird. Viele Anrufer berichten darüber, dass sie bei der Suche nach fachkundiger Begleitung in Krisensituationen oder einem Therapieplatz langfristig vertröstet werden. „Im Ruhrgebiet gab es schon immer weniger Psycho-Therapeuten als in den umliegenden attraktiveren Großstädten. Wir haben viel zu wenig Therapeuten“, so Meier.
 
Die Telefonseelsorge mit ihrer angeschlossenen Krisenbegleitung versucht, bei akuten Problemen Hilfestellung zu geben, kann aber keine längerfristige fachliche Begleitung und Nachsorge anbieten. Auf das Tabu-Thema Suizid wie auf weitere Krisenfälle sind die Telefonseelsorger in Schulungen sorgfältig vorbereitet worden. „Wir versuchen, zwischen den Worten zu hören und die leisen Gedanken anzusprechen, nicht zu werten, aber den Anrufer wertzuschätzen, sich in seine Situation hinein zu fühlen“, beschreibt Meier die sensible Arbeit der Telefonseelsorger. „Wir leisten Prävention und sind für manche vereinsamte Menschen, die oft über längere Zeiträume immer wieder anrufen, die Brücke zur Welt.“ Es gebe Fälle, wo alle Hilfe schon ausprobiert wurde. Große Therapieerfolge seien dann nicht zu erwarten. „Aber der Mensch lebt noch, weil der Kontakt immer wieder aufgenommen wird“, so Olaf Meier.

Mit knapp 30 Mails bewegt sich das Aufkommen der „ Mail-Seelsorge“ auf dem Niveau des Vorjahres. In drei Viertel der Fälle entstanden aus erstem Austausch Folgekontakte. Die Themen mit hoher Brisanz wie Suizid, sexuelle Gewalt, psychische Beeinträchtigungen wurden deutlich häufiger per Mail als am Telefon zur Sprache gebracht. „Es scheint so zu sein, dass der Mailkontakt in seiner größeren Anonymität und seiner Möglichkeit zum Aufbau einer längeren seelsorgerlichen Beziehung gerade für die Menschen attraktiv ist, die in schwerwiegenden Krisen stecken“, vermutet der Leiter.

Den Dienst am Telefon leisten in der Telefonseelsorge Duisburg-Mülheim-Oberhausen rund 120 Ehrenamtliche. In der Mail-Seelsorge und in der Krisenbegleitung arbeiten jeweils sieben. (rs/do)

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