von Cordula Spangenberg

Zahlreiche Teilnehmer, viele Engagierte bei der Ludgerus-Prozession in Werden

Münsters Bischof Felix Genn: Das Christentum bietet konkrete Hilfen, um das Gemeinschaftsleben gut zu gestalten

Wenn sich am ersten Sonntag im September die Ludgerus-Prozession in Essen-Werden auf den Weg macht, fassen unzählige Hände mit an, um die 890-jährige Tradition der Umtragung der Gebeine des Werdener Ortsheiligen, Friesen- und Sachsenmissionars Liudger auch im Jahr 2018 lebendig zu erhalten. In auffälliger Ausstattung präsentieren sich dann auf Werdens Straßen die Eucharistische Ehrengarde, Schützenbrüder, Ordensschwestern, Messdiener und natürlich die anwesenden Priester und Bischöfe in liturgischer Kleidung. Chöre, Kirchenmusik und das Blasorchester Essen-Werden tragen zur festlichen Atmosphäre bei. Unverzichtbar aber sind auch die unauffälligen Akteure im Hintergrund. Einer von ihnen ist Josef Haremsa (79): Er trägt beim Ludgerus-Fest die Verantwortung für den Schrein mit den Gebeinen des Heiligen.

Haremsa sorgt dafür, dass der Schrein mit seinem kostbaren Inhalt auf seinem Weg aus der Krypta hinauf in die Basilika, durch die Straßen und zurück in Kirche und Krypta nicht zu Schaden kommt. „Heute gibt es eine sehr gute Besetzung“, sagt Haremsa und meint damit die 16 Träger aus Essen, Billerbeck und Arnsberg-Hüsten, und sogar zwei junge Männer aus dem luxemburgischen Echternach sind in diesem Jahr mit dabei. Der Schrein wiegt rund 50 Kilo. „Aber schwer wird er nur, wenn die Träger unterschiedlich groß sind“, weiß Haremsa. Deshalb hat er vor dem Gottesdienst die Träger links im Seitenschiff der Ludgerus-Basilika gesammelt und in Gruppen eingeteilt. Die vier Herren, die sich zum Ende des Festgottesdienstes weiße Handschuhe überziehen, sind gut ein Meter achtzig groß und nehmen mit großer Sorgfalt den Schrein auf ihre Schultern, tragen ihn durch das Kirchenschiff und vorsichtig die Treppenstufen hinunter. Haremsa begleitet sie durch die Straßen, jederzeit bereit, die Trägergruppe zu wechseln. Deren Mitglieder empfinden es nach seinem Eindruck als besondere Ehre, mit ihrem Einsatz eine Tradition aus dem 12. Jahrhundert aufrechtzuerhalten, die als Dank für die Bewahrung vor einer Hungersnot ihren Anfang nahm.

Gottesdienst und Prozession füllen alljährlich rund 1000 Besucher mit Leben, außerdem die Festgäste: in diesem Jahr der 86-jährige Kardinal Adrianus Simonis, emeritierter Erzbischof von Utrecht, Dechant Théophil Walin aus Echternach sowie an erster Stelle der münstersche Bischof Dr. Felix Genn, den Essens Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck in diesem Jahr eingeladen hatte, den Gottesdienst zu leiten. Angesichts aktueller rechtsradikaler Demonstrationen und angesichts des Versagens der Kirche im Umgang mit sexuellem Missbrauch in den eigenen Reihen stellte Bischof Genn in seiner Predigt die Gewissensfrage: Was wiegt schwerer – vereinbarte Gesetze zu halten, oder die innere Gesinnung eines Menschen? Genns Antwort: Das Böse bestehe nicht allein darin, Gesetze zu brechen, das Gute nicht darin, lediglich das Gesetz zu halten. Wichtiger sei die innere Gesinnung eines Menschen, die Fähigkeit, sich bei Fehlverhalten liebevoll korrigieren zu lassen. Gegenüber den „Neigungen des Herzens“ sei der christliche Glaube hochsensibel: „Der Gott der Bibel kommt den Menschen sehr nah in Gestalt ganz konkreter Weisungen, die helfen, das Gemeinschaftsleben gut zu gestalten“, sagte Genn in seiner Predigt.

Auf Veränderungen im Gemeinschaftsleben der Werdener Propsteipfarrei St. Ludgerus kam Bischof Overbeck am Ende des Gottesdienstes zu sprechen. Bislang hatte sich die Communitas St. Ludgeri um die Ausgestaltung des Ludgerus-Festes im September gesorgt. Die altehrwürdige Bruderschaft St.Ludgerus hatte in der Basilika die Kirchenaufsicht geführt. Auf Wunsch des Bischofs haben beide sich im Jahr 2018 zur „Ludgerus-Gemeinschaft“ vereint – ein Schritt, der laut Overbeck für manche der Tradition verpflichteten Mitglieder nicht leicht war. Dass beide Gemeinschaften mit großem Ernst die eigene Aufgabe erfüllten, das Andenken an den großgewachsenen, charismatischen und imposanten Heiligen Liudger wach zu halten, zeigt auch die Erinnerung von Josef Haremsa an seine Aufnahme im Jahr 1984: „Man konnte sich nicht bewerben – man wurde gefragt, zur Communitas St. Ludgeri zu gehören.“ Heute freilich ist der Zugang offen, jeder Interessierte gern gesehen.

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