„Wie barmherzig bist du?“
Den „Preacher Slam“, einen Literaten-Wettstreit im Essener Dom, hat am Samstagabend, 9. Juli, Fatima Talalini aus Dortmund für sich entschieden. Die 21-jährige überzeugte mit dem emotionalen Vortrag eines teils drastisch-derben, teils sozialromantischen Textes zum Thema „Wie barmherzig bist du?“.
Zusammen mit Fatima Talalini waren fünf weitere Finalisten zwischen 14 und 27 Jahren zu dem Wettbewerb der Bühnenliteratur des Bistum Essens angetreten. Nach Vorrunden im Lüdenscheider Kulturhaus, der Essener Weststadthalle und der Gelsenkirchener Jugendkirche GleisX fand das Finale im Rahmen der Festwoche „700 Jahre gotischer Dom“ in Essen statt.
Für den altehrwürdigen Dom war dieser Abend ein ganz neues Setting. Zwar begann die Lesung – wie im Kirchenraum gewohnt - mit einem kurzen Wortgottesdienst und schloss am Ende mit dem Segen, und auch die mitreißende Musik der Essener „Werktagskapelle“ kommt für Kirchenbesucher nicht unerwartet. Doch zu Beginn des „Poetry Slams“, der Dichter-Schlacht, machten die beiden Moderatoren Jay Nightwind und Thomas Petruskova vom Essener Poetry Slam „WestStadtStory“ die Zuhörer richtig frisch mit einem szenischen „Pferderennen“ über Hürden und Wassergräben mit gemeinschaftlichem Klatschen, Klopfen und Gestikulieren: Ein Einstieg, der beim Poetry Slam immer, im Gottesdienst niemals üblich ist. Anschließend wurden sieben Juroren aus dem Publikum gesucht, die nach jedem Slam ihre Wertung abgeben sollten. In der Pause konnte man draußen beim Bier ein Schwätzchen halten. Nur das Bier mit in die Kirche zu bringen, das war bei aller Innovation des Abends nicht gern gesehen.
Die Vorträge der sechs Finalisten – selbstverfasste Texte von sechs Minuten Länge – hatten es in sich. Siegerin Fatima Talalini durchsetzte ihren Text über die Gewalttätigkeiten des Lebens mit dem Refrain: „Aber ich sage: Liebe.“ Die zweitplazierte, erst 14-jährige Eve Gennat aus Iserlohn trug unter verschiedenen Geschichten auch die von Tim vor: „Das Gelächter der Jungs. Und Tim denkt: Warum seid ihr so?“, und sie schloss mit dem Aufruf: „Mit der Menschlichkeit muss jeder bei sich selbst anfangen.“ Helena Lorenz aus Recklinghausen, die den dritten Platz erhielt, widmete ihren Text einem Wohnungslosen, der plötzlich von der Straße verschwand: „Vielleicht bist du ja der Messias, der nach 2000 Jahren mal vorbeischaut.“ Ihr Appell: „Man weiß nie, wer vor einem steht. Ich hab ihn nie mehr gesehen. Macht’s besser als ich.“
Mit der Kirche hatten die Slammer des Wettbewerbs nicht unbedingt etwas zu tun. Das sei auch gar nicht erwartet worden, denn es gehe weniger um Religion als um soziales Handeln und Mitmenschlichkeit, sagte der Organisator des Abends Stephan Hill, Jugendreferent im Bistum Essen. Dennoch setzten sich die Teilnehmer mehr oder weniger intensiv mit Fragen des Glaubens auseinander. Fatima Talalini bekannte, sie sei „im Christentum, Islam und Kapitalismus“ aufgewachsen. Helena Lorenz fragte eindringlich nach Gott: „Du sagst: Spürst du ihn nicht? Ich schüttel den Kopf. Wo ist denn dieser Gott, der zulässt, dass so viele Menschen sterben?“
Nicht nur die Slammer, auch das Publikum im Kirchenraum bekam am Ende vom Moderator gute Noten: „Ihr seid echt richtig krass!“ Und weil man nicht so schnell auseinander gehen wollte, blieb man nach dem Slam noch bei Currywurst, Bier und Musik im Domhof zusammen.