Vor 50 Jahren im ersten Abschlussjahrgang am Stoppenberg – und heute dort Lehrerin

Vor 50 Jahren eine der ersten Schülerinnen, jetzt Lehrerin in der ehemaligen Bischöflichen Real- und heutigen Sekundarschule am Essener Stoppenberg. Foto: Nicole Cronauge | Bistum Essen
1975 Schulabschluss als eine der ersten Schülerinnen der Bistums-Realschule, heute unterrichtet sie in der dortigen Sekundalschule Deutsch und Kunst
Lebensweg mit Auslandserfahrung prägt ihren Unterricht – von Sudan bis Handarbeitsraum
Lehrerin erlebt Wandel über Jahrzehnte: Kinder bleiben gleich, Medien verändern sich
Wenn am kommenden Mittwoch die Zehntklässlerinnen und Zehntklässler der Essener Sekundarschule am Stoppenberg ihre Abschlusszeugnisse erhalten, wird ihre Deutsch- und Kunstlehrerin Angelika Weyerhorst-Yannakis diese Feier wohl besonders intensiv verfolgen: Als junges Mädchen ist sie vor 50 Jahren selbst in diesen Räumen verabschiedet worden, in denen sie heute Deutsch und Kunst unterrichtet – als Schülerin des ersten Jahrgangs, der die damals neue Bischöfliche Realschule am Stoppenberg komplett durchlaufen hat.
Weyerhorst gehört damals zu den Kindern, für die das Bistum 1966 zunächst das erste Gymnasium im Essener Norden und dann wenige Jahre später – auf Drängen der örtlichen Pfarrgemeinde – auch eine Mädchenrealschule eröffnete. Aufgewachsen als Kind einer Handwerker-Familie in Katernberg und Schonnebeck, umgeben von der damals auf Hochtouren laufenden Zeche und der wenige Jahre zuvor eröffneten Kokerei Zollverein, war das neue Bildungsangebot für Angelika und ihre Eltern offenbar genau das richtige: Als sie im Sommer 1969 aus der Grundschule kommt, gehört sie zu den ersten Fünftklässlerinnen der neuen Realschule. Die eröffnet jedoch nicht im heutigen Schulzentrum, sondern in einem Provisorium im Katernberger Neuhof. Klein und beschaulich: Zwei fünfte Klassen und eine siebte, mit der die Aufbaurealschule startet. „Als Schülerinnen haben wir uns damals mit unseren Lehrerinnen und Lehrerin fast wie in einer Familie gefühlt“, erinnert sich Weyerhorst-Yannakis heute. Und das habe nicht nur an der kleinen Schule gelegen: „Das erlebe ich an unserer Schule heute wieder ähnlich“, zieht sie Parallelen zur Sekundarschule.
Umzug ins neue Schulzentrum am Stoppenberg
Den Umzug ins Schulzentrum nach Stoppenberg erlebt Angelika als Teenagerin: Im Sommer 1974 wird die Schule in den Neubau an der Straße im Mühlenbruch verlegt, gleich neben dem ebenfalls neu errichteten Gymnasium. „Da waren wir plötzlich den Jungs ganz nah“, erinnert sie sich mit einem Schmunzeln, schließlich nutzten beide Schulen den gleichen Schulhof. Auch die Realschule nahm jetzt Mädchen und Jungen auf – und setzt – wie das Gymnasium und die dort ebenfalls vom Bistum angesiedelte Hauptschule – von Beginn an auf ein verlässliches, damals noch ziemlich innovatives Ganztagskonzept samt Mittagessen, die „Tagesheimschule“. Von der profitiert Angelika auch nach Erhalt ihres Realschul-Abschlusszeugnisses am 28. Juni vor 50 Jahren: Nach den Sommerferien wechselt sie in die Oberstufe des Gymnasiums, so wie dies bis heute jedes Jahr Dutzende Sekundarschülerinnen und -schüler tun. Nach drei Jahren macht Angelika dort das Abitur, „als erste aus meiner Familie“.
Jubiläums-Feier des Abschlussjahrgangs
Viele ehemaligen Schülerinnen des ersten Abschlussjahrgangs der Realschule halten immer noch Kontakt. Von den 43 Absolventinnen aus 1975 kamen 28, um das 50-jährige Jubiläum zu feiern, berichtet Angelika Weyerhorst-Yannakis.
Danach studiert sie Deutsch und Kunst auf Lehramt, macht Anfang der 80er Jahre ihr Referendariat – und bekommt wie so viele junge Lehrkräfte aus der geburtenstarken Babyboomer-Generation erstmal keinen Job. Die Alternative? „Ich bin immer schon viel gereist.“ Inspiriert dazu habe sie vor allem eine Oberstufenfahrt nach Israel, die ihr Religions-Lehrer auf dem Gymnasium organisiert habe – nicht etwa mit dem Flugzeug, sondern mit drei VW-Bussen auf dem Landweg, erzählt Weyerhorst-Yannakis. Als junge Frau findet sie die Kombination aus Job und ihrer Reise-Leidenschaft im Entwicklungsdienst. Zehn Jahre lebt und arbeitet sie im Ausland, erst fünf Jahre im Sudan am blauen Nil. Dann lernt sie ihren griechischen Mann kennen und geht gemeinsam mit ihm in den Jemen. „Heute zu sehen, dass in all diesen Ländern Krieg herrscht, tut in der Seele weh“, sagt sie. Letztlich seien sich die Menschen doch alle ziemlich ähnlich, so ihre Erfahrung: „Überall in der Welt suchen Menschen ihr Glück.“
Erst nach sieben Jahren gelingt die Rückkehr an den Stoppenberg
1995 kommt sie wieder nach Deutschland und findet eine Anstellung als Lehrerin, allerdings zunächst in Schwelm. „Ich habe mich immer bemüht, zurück an meine alte Realschule zu kommen“, sagt sie. Nach sieben Jahren klappt es endlich – und sie kehrt als Lehrerin zurück an den Stoppenberg. Zehn Jahre später geht die Real- zusammen mit der benachbarten Haupt- in die heutige Sekundarschule über. Weyerhorst-Yannakis begleitet den pädagogischen Neuanfang, erkennt aber auch schnell, „die Kinder sind die gleichen“. Das sagt sie auch, wenn sie auf ihre eigene Schulzeit und ihre lange Zeit als Lehrerin zurückschaut: „In all den Jahren sind die Kinder ziemlich ähnlich geblieben.“ Was sich verändert hat, sei vor allem die Mediennutzung, seien Smartphones und Tablets, die ja nun auch im Unterricht intensiv genutzt werden.
Davon ist in dieser Stunde von Weyerhorst-Yannakis jedoch nichts zu sehen: In der Textil-AG für die fünften und sechsten Klassen nähen neun Schülerinnen – Jungs sind heute keine da – mit Hand und Nähmaschine Nadelkissen. „Früher war ich als Handarbeitslehrerin total verschrien, aber das wandelt sich.“ Dass Handarbeiten und „Upcycling“ heute angesagt seien, merke sie am Interesse der Schülerinnen und Schüler – und sieht da eine pädagogische Aufgabe: „Heute häkeln wieder sehr viele, aber nicht alle machen es richtig“, nennt sie ein Beispiel – und schlägt gleich den Bogen zu ihrer Auslandserfahrung. „Im Sudan konnten die Menschen nicht einfach in einen Laden gehen und etwas kaufen. Da wurde dann aus einem Erwachsenenkleid ein Kleid für Kinder gemacht.“ Spätestens seitdem beschäftige sie „aus Alt macht neu“, sagt die ehemalige Entwicklungshelferin. Vieles von dem, das sie in Afrika und Arabien gelernt hat, baut sie heute in ihren Unterricht ein – nicht nur in kreativer Hinsicht: So haben Schülerinnen und Schüler im Fach Gesellschaftslehre einen kleinen Teppich gewebt, dann überlegt wie lange sie dafür brauchen und zu welchem Preis sie diesen Teppich gewinnbringend verkaufen könnten – und schließlich diskutiert, weshalb ein solcher Webteppich in einem Essener Geschäft für 2,99 Euro zu haben ist.
Zwischen Nähmaschinen, Stoffen und der Knopfkiste ist Weyerhorst-Yannakis in ihrem Element. Noch, denn im kommenden Januar geht sie in den Ruhestand. „Ich hoffe, dass das hier erhalten bleibt, denn das zeichnet uns hier aus“, sagt sie mit Blick auf den Handarbeitsraum und ihre Schule. Und mit Blick auf ihr eigenes Leben ergänzt sie: „Ich würde immer wieder Lehrerin werden. Als Lehrerin bin ich immer am Puls der Zeit.“