Von Pferd bis Brezel: Gemeinden und KiTas bereiten sich auf St. Martin vor
Hinter einem Martinszug steckt viel ehrenamtliches Engagement und lange Vorbereitung
Auch kleinere Martinsfeste erfordern viel Planung
Martins-Geschichte und Lieder gehören zu den beliebtesten Traditionen
So etwas braucht kein Organisationsteam – und natürlich auch keine Pferdebesitzerin: Schon zu St. Martin im vergangenen Jahr hatten sie das routinierte Pferd samt Reiterin gebucht, um auch in diesem November den Zug durch Essen-Rüttenscheid anzuführen. Doch dann muss das Tier im Sommer aus gesundheitlichen Gründen eingeschläfert werden – und für Barbara Murr beginnen ein paar hektische Stunden am Telefon. „Ich habe einfach überall herumgefragt“, sagt die ehrenamtliche Koordinatorin des Martinszugs der katholischen Gemeinde St. Ludgerus und Martin in Essen-Rüttenscheid. Sie hatte Glück im Unglück: Dank ihres weitverzweigten Netzwerk ist überraschend schnell ein neues Pferd gefunden, samt erfahrenem Reiter, der sogar seinen eigenen roten Martinsmantel mitbringt. Eine Sorge weniger – und ein Häkchen mehr auf Murrs langer Aufgabenliste für einen gelungenen Martinszug.
Wer St. Martin in etwas größerem Stil feiern möchte muss früh mit den Vorbereitungen beginnen – erst recht, wenn der Heilige, um den sich rund um den 11.11. das Geschehen mit Pferd, Feuer und Laternenzügen dreht, auch noch einer von zwei Namenspatronen der eigenen Gemeinde ist. „Wir machen uns jetzt schon Gedanken über den Termin im nächsten Jahr“, sagt Murr. Bis zum Start des diesjährigen Martinszugs am Freitag, 15. November, muss der stehen. Denn wenn sie die Kapelle, die beim Martinsfest für die Musik sorgt, und den Reiter samt Pferd nicht spätestens beim diesjährigen Zug schon für 2025 reservieren, droht im nächsten Jahr mindestens Stress wie beim kurzfristig verstorbenen Pferd – und womöglich nur dünner Gesang ohne Pauke und Trompete, weil die Band zwischenzeitlich andere Verpflichtungen angenommen hat. Es sind halt nur ein paar Tage im Jahr, in denen sich zahlreiche Gruppen um die begrenzte Zahl an Blaskapellen und tauglichen Pferden bemühen.
KiTa hat in den vergangenen Jahren neue Ideen für das Martins-Fest entwickelt
In der katholischen KiTa St. Bonifatius in Essen-Huttrop läuft die Martins-Vorbereitung derweil nicht ganz so langfristig, aber nicht weniger engagiert. Statt eines Martinszugs hat man sich in der KiTa mit ihren rund 70 Kindern schon vor Jahren für ein eigenes kleines Fest entschieden – und experimentiert jedes Jahr neu, wie man das vor allem für die Kinder, Eltern und Angehörige möglichst schön feiern kann, berichtet KiTa-Leiterin Jeanette Wagner. „Martin ist für alle Kinder das schönste Fest“, sagt die erfahrene Erzieherin. Das liege vielleicht an den Liedern, mit Sicherheit aber auch an der eingängigen Geschichte vom Teilen: „Wie Martin dem Bettler hilft, das ist so einfach, das versteht jeder.“ Nachdem die KiTa in den vergangenen Jahren mal mit Eltern und Geschwisterkindern („das war zu wuselig“), mal ohne („das hat den Kindern auch gut gefallen“) und im vergangenen Jahr mit digital zugeschalteten Eltern („das kannten ja alle noch aus der Corona-Zeit“) ihr Martinsfest gefeiert haben, probiert das KiTa-Team am Dienstag, 17. November, um 17 Uhr wieder etwas Neues: „Wir treffen uns in unserer Kirche, da sind wir wetterunabhängig und es ist gleich ein bisschen feierlich.“ Dort gibt es dann einen kleinen Gottesdienst mit Martinsspiel, der Martinsgeschichte und einigen Liedern – für die Musik konnte die KiTa Querflöte spielende Schülerinnen gewinnen. „Dann ziehen wir mit unseren Laternen einmal vorne aus der Kirche raus und hinten wieder rein.“ Das sei für die Kleinen schon ein ganz ordentlicher Weg und allemal ein richtiger Martinszug, so Wagner. Jedes Kind bekommt zudem ein rotes Stück Filz als Andenken, gewissermaßen ein eigenes Stück vom Martinsmantel. „Damit gehen die dann ganz andächtig nach Hause“, weiß Wagner aus den vergangenen Jahren.
Der Heilige Martin – Fakten und Legende
Der Hl. Martin ist einer der populärsten Heiligen der Christenheit. Rund um seinen Festtag am 11. November erinnern Umzüge und Feste vor allem daran, dass er als römischer Soldat der Legende nach einen Bettler vor dem Erfrieren rettete, weil er seinen Mantel mit ihm teilte. Martin oder Martinus wurde im Jahr 316/317 im heutigen Ungarn geboren. Er wuchs als Sohn eines römischen Militärtribuns aus und trat auf dessen in die römische Armee ein. Später ließ er sich taufen, quittierte den Militärdienst und wurde zunächst Missionar. Seit 371 war er Bischof von Tours in Frankreich, wo er am 8. November 397 starb.
Mit seinem Fest sind viele Bräuche verbunden. So endete im Mittelalter am Martinstag das Wirtschaftsjahr der Bauern. An diesem Tag mussten sie Pachtzinsen für ihr Land bezahlen und Knechte und Mägde bekamen ihren Jahreslohn. So entstanden rund um den Martinstag Schlachtfeste, die ähnlich wie heute Fastnacht und Karneval gefeiert wurden. Und so wie sich an Karneval die sechswöchige Fastenzeit zur Vorbereitung auf Ostern anschließt, begann für die Menschen mit St. Martin eine sechswöchige Fastenzeit bis Weihnachten.
Die Kirche spielt auch beim Martinszug in Essen-Rüttenscheid eine entscheidende Rolle, berichtet Barbara Murr. „Wir starten in der Magdalenenstraße, wo unsere frühere Kirche St. Martin heute Teil des Seniorenzentrums St. Martin ist.“ Von dort geht es durch einige Wohnstraßen und schließlich über die Rüttenscheider Straße bis zur Kirche St. Ludgerus. Während das Pferd draußen bleiben muss, ziehen alle Teilnehmenden des Martinszugs in die Kirche, wo die Jugendlichen der Leiterrunde ein Martinsspiel aufführen. Zudem hängt an der rechten Wand des Kirchenschiffs die St.-Martins-Ikone, die an den zweiten Gemeindepatron erinnert und den Heiligen samt Pferd, Bettler und geteiltem Mantel zeigt. „Unsere Kinder vermissen auf dem Bild manchmal den Schnee“, sagt Murr mit einem Schmunzeln.
Große Brezeln werden geteilt – wie Martins Mantel
Veranstaltungsgenehmigung, Ausschankerlaubnis, Polizei, Rettungswagen, Ordnerinnen und Ordner… - nach den großen Martinszug-Fragen vor einem Jahr stehen für Murr und Wendt-Corneli nun kurz vor dem Fest noch tausend Kleinigkeiten an. Allein gut 20 freiwillige Ordnungskräfte müssen zur Absperrung des Zugs koordiniert werden, dazu ein Team, das auf- und abbaut und ein anderes, das nach dem Martinsspiel auf dem Platz vor der Kirche Glühwein und Punsch ausschenkt. Und paar hundert Brezeln müssen am Tag des Martinszug auch noch vom Bäcker geholt werden.
In der Huttroper KiTa gibt es nicht für jedes Kind eine eigene Brezel, „sondern wir kaufen für jede Gruppe eine große Brezel“, erklärt Wagner. Dann werden die großen Brezeln auseinandergebrochen, so dass jedem Kind deutlich wird „wir teilen unsere Brezeln, so wie St. Martin seinen Mantel geteilt hat“. Für Wagner ist „das Martinsfest eine der schönsten Traditionen, die wir haben“. Das gelte nicht nur für die Kinder, „die Lieder und die Geschichte wecken doch auch bei uns Erwachsenen jedes Mal schöne Erinnerungen“.