Von der Mütterschule zur KEFB: Die katholische Familienbildung in Essen feiert 70. Geburtstag

Das Katholische Stadthaus in Essen. Hier ist seit 1977 auch die Katholische Familienbildungsstätte in Essen zuhause - heute Teil der Katholischen Erwachsenen- und Familienbildung (KEFB) im Bistum Essen. Foto: Thomas Rünker | Bistum Essen

Mit einem Tag der Offenen Tür im Katholischen Stadthaus, Bernestraße 5, feiert die Katholische Erwachsenen- und Familienbildung (KEFB) in Essen am Donnerstag, 23. Januar, ihr 70-jähriges Bestehen und die vor 50 Jahren erfolgte Anerkennung als Weiterbildungseinrichtung. Damit sind die Wurzeln der heutigen Essener KEFB – einer der größten Bildungsanbieter im Ruhrgebiet - drei Jahre älter als das Bistum Essen – und doch begann die Katholische Familienbildungsarbeit in Essen schon viele Jahrzehnte früher.
Mit den zahlreichen katholischen Verbänden, die im 19. Jahrhundert als Reaktion der Laiinnen und Laien unter anderem auf die staatlich verordnete Schließung von Klöstern und Orden und die dadurch ausgelöste Kirchenkrise entstanden, bildeten sich auch katholische Frauenverbände, die sich besonders für die „Mütterbildung“ einsetzten. Dabei ging es vor allem um familien- und berufsorientierte Weiterbildung, insbesondere Hauswirtschaft, sowie Glaubensthemen. Ein besonderes Gewicht habe aber auch damals schon – lange vor dem 1918 eingeführten politischen Wahlrecht für Frauen – die staatsbürgerliche Bildungsarbeit gehabt, schreibt Anne Mohr, die langjährige Leiterin der Essener Familienbildungsstätte, in einer Chronik.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Einrichtungen der Mütterbildung zu einem starken Netz der solidarischen Hilfe – bis die Nationalsozialisten die kirchliche Bildungsarbeit in den 1930er Jahren massiv einschränkten: Offiziell waren fortan nur noch religiöse Kurse erlaubt. Mohr berichtet indes, dass gerade das 1932 in Essen-Altendorf gegründete „Frauenbundhaus“ während der zwölfjährigen Nazi-Herrschaft „ein Bollwerk gegen die Bedrängnisse jener Zeit darstellte“. Zahlreiche Verantwortliche hätten trotz der Regeln der Nazis, ihrem ideologisch fragwürdigen Frauen- und Mütterbild und der zunehmenden Einschränkungen durch den Krieg an einem umfassenden Konzept der Frauenbildung festgehalten.
Nach dem Krieg entstehen „Mütterschulen“

Nach dem Krieg wurde das Frauenbundhaus hergerichtet und wieder zum Ort für Kurse und Bildungsfreizeiten. Getragen von der Zentrale des Katholischen Deutschen Frauenbunds in Köln wurde dort – wie an vielen Stellen im Nachkriegsdeutschland – 1954 eine katholische Mütterschule gegründet. Parallel bot der Essener Zweigverein des Frauenbundes zum Beispiel Kurse im Lichtburg-Kino oder dem Baedekerhaus in der Essener Innenstadt an, aus der 1955 eine weitere Mütterschule entstand – Keimzelle der später durch eine Fusion der dann insgesamt drei Essener Mütterschulen und die inhaltliche Weiterentwicklung entstandenen Familienbildungsstätte Essen. Ab 1965 gab’s in der Klosterstraße hinter dem heutigen Rathaus erstmals eigene Räumlichkeiten für die katholische Familienbildungsarbeit in der Innenstadt – und weitere zehn Jahre später die staatliche Anerkennung als Weiterbildungsträger durch das Land NRW. Anne Mohr wurde die erste hauptamtliche Mitarbeiterin der Einrichtung, die 1977 ins Katholische Stadthaus an der Bernestraße umzieht.
Tag der offenen Tür mit Kursberatung und Mitmach-Angeboten
70 Jahre katholische Familienbildung in Essen und 50 Jahre als anerkannte Weiterbildungseinrichtung feiert die Katholische Erwachsenen- und Familienbildung in Essen am Donnerstag, 23. Januar, von 10 bis 20 Uhr im Katholischen Stadthaus, Bernestr. 5, mit einem Tag der offenen Tür und einem vielfältigen Programm. Von 10 bis 20 Uhr können sich Interessierte zu den Kursangeboten des KEFB beraten lassen, außerdem gibt es den ganzen Tag über Mitmach-Aktionen:
- 10 – 12 Uhr: Schnupperkurs Nähen
- 11 – 11.15 Uhr: Schnupperkurs Chinesisch
- 10 – 16 Uhr: Offenes Gesprächsangebot mit einer KEFB-Kunsthistorikerin
- 10 – 16 Uhr: Offenes Gesprächsangebot mit einer KEFB-Coachin
- 13 – 17 Uhr: Kreatives Upcycling für die Seele (KFD)
- 13 – 17 Uhr: Kreatives Upcycling: Tragetaschen (KFD)
- 14.30 – 14:45 Uhr: Schnupperkurs Chinesisch
- 15.30 – 15.45 Uhr: Schnupperkurs Chinesisch
- 16 – 17:30 Uhr: Schnupperkurs: Das jüdische Neue Testament
- 16 – 20 Uhr: Bühne frei! - Sketches
- 17 – 19:15 Uhr: Schnupperkurs Patchwork
Im Verbund der katholischen Erwachsenen- und Familienbildung (KEFB) im Bistum Essen organisiert dort ein kleines Team die Bildungsarbeit für zuletzt 14.000 Teilnehmende, die im Jahr 2023 an 140 Standorten im Essener Stadtgebiet 25.600 Unterrichtsstunden belegt haben. Standen in den Anfangszeiten vor allem Hauswirtschaft, die Kinderpflege und religiöse Angebote im Fokus, gibt es heute zehn Themenbereiche von Gesundheit und Bewegung über Sprachen, Kunst und Kultur bis hin zu Gesellschaft und Politik. Von Baby-Kursen bis zu Trauerbegleitung decken die KEFB-Angebote das gesamte Leben ab. „Wir stärken die Sprach-, Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeit“, fasst der Essener KEFB-Leiter Stephan Polle das Angebot zusammen. Dazu gehöre auch die christliche Sprach-, Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeit. Einerseits sind die KEFB-Angebote offen für Menschen jeder Glaubensrichtung – andererseits ist die Einrichtung zum Beispiel mit Schulungen für Lektorinnen und Lektoren oder Wort-Gottes-Feier-Leitende und einem umfangreichen Präventionsangebot gerade für katholische Pfarreien und Verbände ein wichtiger Dienstleister. Zudem würden „durch uns Menschen oft ganz neu und ganz anders auf Kirche aufmerksam“, sagt Polle. Er hebt dies auch mit Blick auf den bistumsweiten Transformationsprozess „Christlich Leben. Mittendrin.“ hervor, bei dem in den kommenden Jahren alle katholischen Pfarreien, Organisationen und Einrichtungen in jeder Kommune des Ruhrbistums unter dem Dach einer Stadt- oder Kreiskirche verbunden werden. „Wir wollen ein starker Teil dieser neuen Stadtkirche sein!“, so Polle.
Mit vielen Organisationen der Stadtgesellschaft in Essen ist die KEFB gut vernetzt. „Jetzt wollen wir noch stärker in die Sozialräume hinein“, sagt Polle. Seit Jahrzehnten engagiert sich die KEFB in der Arbeit mit Geflüchteten, im Kontakt mit KiTas werde nun das Thema Armutssensibilität immer wichtiger. Unter anderem arbeite die KEFB neben der Stadt Essen hier mit der örtlichen Arbeiterwohlfahrt und dem Verein für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten Ruhrgebiet (VKJ) sehr kooperativ zusammen. „Wir sind hier in Essen die drei großen Anbieter von Familienbildung“, macht Polle deutlich – Kooperation ist für die KEFB das A&O.