von Thomas Rünker

Vom verfolgten Bischof zum populären Geschenkebringer: Die Geschichte des Heiligen Nikolaus

Die Geschichte des Heiligen Nikolaus hat weit mehr zu bieten als einen netten Geschenkeonkel mit Rauschebart: Der Bischof aus dem 3. Jahrhundert wurde vermutlich als Christ verfolgt, nahm später am ersten Konzil der Weltkirche teil und löste nach seinem Tod eine internationale Verehrung aus, die bis heute anhält.

Ob als Schokofigur oder Geschenkebringer: Unter den tausenden Heiligen und Seligen der katholischen Kirche genießt der Heilige Nikolaus seit Jahrhunderten einen einzigartigen Promi-Status. Wenn es um die christliche Botschaft der Nächstenliebe, konkret um Gütigkeit, Hilfsbereitschaft und Solidarität mit den Armen geht, macht dem vor rund 1750 Jahren in der heutigen Türkei geborenen Kirchenmann wohl allenfalls noch der Heilige Martin Konkurrenz.

Dutzende Legenden ranken sich um Nikolaus, dessen Gedenktag nicht nur die katholische Kirche am Freitag, 6. Dezember, feiert – gerade in den orthodoxen Kirchen Mittel- und Osteuropas wird Nikolaus mindestens ebenso verehrt wie hierzulande. Geboren wurde er zwischen 270 und 286 in der antiken Stadt Patara. Schon mit 19 Jahren soll er – der Überlieferung zufolge von seinem gleichnamigen Onkel – zum Priester geweiht worden sein und wenig später dessen Bischofssitz in der antiken Küstenstadt Myra (heute Demre, rund 50 km südwestlich von Antalya) übernommen haben. Es gibt ziemlich frühe Belege dafür, dass Nikolaus sein ererbtes Vermögen an notleidende Menschen verschenkt hat – die Basis für viele Legenden, die Nikolaus als Helfer in der Not beschreiben. Neben dem Bild des netten Geschenkeonkels bietet der Heilige aber auch ein paar andere Facetten: So wurde Nikolaus wohl um das Jahr 310 bei den letzten römischen Christenverfolgungen unter Kaiser Gaius Galerius Valerius Maximinus verhaftet und gefoltert. Als dann jedoch dessen Nachfolger Kaiser Konstantin der Große das Christentum rehabilitierte und im Jahr 325 hunderte Bischöfe nach Nicäa (heute Izmit, rund 50 Kilometer südöstlich von Istanbul) einlud, um einige theologische Grundsatzfragen zu klären, war Nikolaus vermutlich ebenfalls dabei.

Italienische Kaufleute raubten die Nikolaus-Reliquien

Gestorben ist Nikolaus an einem 6. Dezember, wohl um das Jahr 350. Erste Belege für seine Verehrung gibt es etwa 200 Jahre später: Um 550 ließ der römische Kaiser Justinian in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, eine Kirche bauen und weihte sie Nikolaus. Über Griechenland verbreitete sich die Nikolaus-Verehrung zunächst in den slawischen Ländern, wo Nikolaus bis heute hoch verehrt wird. So ist er Schutzpatron der serbischen, russischen und kroatischen Völker. Ähnlich wird er aber auch Süditalien verehrt, wo der Nikolaus-Kult seit dem 8. Jahrhundert präsent ist. Ab dem 10. Jahrhundert wurde der antike Bischof auch im deutschsprachigen Raum, in Frankreich und England populär – erst recht, als italienische Kaufleute die Nikolaus-Reliquien im Jahr 1087 in Myra raubten und ins heimatliche Bari brachten, wo sie bis heute verehrt werden.

Weckmann oder Stutenkerl – Martin oder Nikolaus?

Von Anfang November bis Mitte Dezember gehören die Hefemännchen mit Rosinenaugen und einer Pfeife zum festen Sortiment vieler Bäckereien in Nordrhein-Westfalen und in vielen anderen deutschen Regionen. Diese Tradition bezieht sich tatsächlich auf die beiden heiligen Bischöfe Nikolaus und Martin. Die Pfeife wird oft als Überbleibsel eines Bischofsstabs gedeutet, der nach der Reformationszeit verpönt war. Im Bonner Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte verweist man indes auch auf die Pfeifenproduktion im Westerwald, die im 19. Jahrhundert neue Absatzmärkte suchte. Ob das Gebäck Weckmann oder Stutenkerl heißt, ist vor allem eine regionale Frage: Im Rheinland (und weiter südlich bis nach Baden-Württemberg) bestellt man einen Weckmann, in Westfalen (und weiter nördlich bis nach Schleswig-Holstein) einen Stutenkerl. Daneben gibt es zahlreiche weitere Namen für diese Hefe-Männchen.

Zum Geschenkebringer wurde Nikolaus wohl durch seine sagenhafte Hilfe für die drei Töchter eines armen Mannes: Als Nikolaus erfuhr, dass der Vater die Mädchen, die ohne eine ordentliche Mitgift keine Aussicht auf eine Ehe hatten, notgedrungen in die Prostitution verkaufen wollte, ging Nikolaus in drei Nächten an dem Haus vorbei und warf jeweils heimlich Gold durchs Fenster.

Als Bischof der Hafenstadt Myra drehen sich zudem viele Nikolaus-Legenden um die Seefahrt: So soll er Seeleute in einem Sturm gerettet und eine andere Schiffsbesatzung überzeugt haben, einen Teil ihrer Korn-Ladung der hungernden Bevölkerung zu geben (ohne, dass die Spende am Zielhafen gefehlt hätte). Außerdem soll er einen ertrunkenen Jungen gerettet haben. Kein Wunder also, dass Nikolaus in erster Linie der Schutzpatron der Seefahrer und Binnenschiffer ist – und so auch das Boot der früheren Duisburger Schifferseelsorge „St. Nikolaus“ hieß. Neben dem maritimen Personal vertrauen aber auch Kaufleute, Rechtsanwälte und Prostituierte, Studierende, Pilgernde und Reisende, Liebende und Gebärende, Alte, Kinder, Gefangene und deren Wärter sowie diverse weitere Berufsgruppen auf Schutz und Fürsprache durch den Heiligen Nikolaus.

Aus Schiffchen wurden Stiefel, Socken und Teller

Dass der seine Geschenke heutzutage oft in Schuhe oder Stiefel legt, könnte sich aus der Tradition des „Schiffchensetzens“ entwickelt haben: In Erinnerung an die Rettung aus Seenot sollte Nikolaus seine Geschenke in kleine Papierschiffchen legen – später wurden aus den Schiffchen, Stiefel, Socken oder Teller. Mancherorts ist auch eine kleine Befragung Tradition, wenn der Nikolaus nicht heimlich durchs Haus schleicht, sondern sehr präsent in KiTas, Schulen, Gemeindeheimen oder Wohnzimmern Einzug hält. Die Fragen nach dem Betragen der Jüngsten könnten tatsächlich einen biblischen Bezug haben: Früher wurde am Nikolaustag in den katholischen Gottesdiensten aus der Bibel das „Gleichnis von den Talenten“ (Mt 25, 14-23) vorgelesen, in dem Diener ihrem Herrn Rechenschaft über das von ihnen verwaltete Vermögen ablegen. Während dort von „Talenten“ in Form von Goldmünzen die Rede ist, präsentieren die heutigen Kinder ihre Talente beim Zitieren von Gedichten, Singen oder Musizieren.

Als ultimativen Geschenkebringer hat vor allem die Reformation den Heiligen Nikolaus arg in Bedrängnis gebracht. Mit Luther hielt das Christkind Einzug in deutsche Wohnzimmer, erst in die evangelischen, dann aber auch in immer mehr katholische – und die Bescherung wurde vom 6. Dezember auf die Weihnachtstage verschoben. Auch kirchenintern geriet Nikolaus unter Druck: Vor 55 Jahren strich Papst Paul VI. seinen Gedenktag aus dem offiziellen Heiligenkalender – zusammen mit denen zahlreicher anderer Heiliger wie Ursula, Barbara, Cäcilia oder Georg. Dafür erntete der Vatikan seinerzeit das, was man heute wohl einen „Shit-Storm“ nennen würde. Die Kirchenbehörden beruhigten, die Vatikan-Zeitung „L’Osservatore Romano“ schrieb von einem Alarm ohne Grund – und die Verehrung der Heiligen ging weiter. Derweil hatten holländische Einwanderer den Heiligen Nikolaus längst als Sinterklaas mit in die USA genommen, wo er zu Santa Claus und damit zur Vorlage des deutschen Weihnachtsmanns wurde. Aber das ist eine andere Geschichte.

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