Vera Steinkamp geht in den Ruhestand: Ein Leben für Bücher und die Kultur in der Kirche

Vera Steinkamp, langjährige Leiterin des Essener Medienforums und der Fachstelle für kirchliche Büchereien im Bistum Essen, geht Ende Februar in den Ruhestand. Foto: Nicole Cronauge | Bistum Essen
Sie ist die Frau der Bücher. Über 40 Jahre lang hat Vera Steinkamp im Bistum Essen erst die Zentralbücherei und dann das heutige Medienforum geleitet, Lesungen organisiert, sich für die Literatur im Ruhrgebiet engagiert und sich vor allem um die Ehrenamtlichen in den Katholischen Öffentlichen Büchereien im Ruhrbistum gekümmert. Nach 41 Jahren in Diensten des Bistums Essen geht die 1961 geborene Diplom-Bibliothekarin Ende des Monats in den Ruhestand. Ab März übernimmt Silke Schütz die Leitung des Medienforums. Sie war zuletzt als Fachreferentin Bibliothek und Medienpädagogik im Medienforum tätig und wurde bereits in den vergangenen Monaten von Steinkamp und ihrem Team auf ihre neue Leitungsaufgabe vorbereitet.
Harald Martenstein, Marcel Pott, Marco Politi, Gerd Ruge, Joachim Gauck, Jürgen Wiebicke, Christian Sievers, Gert Scobel, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bärbel Schäfer … - die Liste der namhaften Autorinnen und Autoren, die dank Vera Steinkamp zu Lesungen und Buch-Gesprächen nach Essen gekommen sind, könnte ein eigenes Druckwerk füllen. Ab 2006 hat Steinkamp das Medienforum im Schatten des Essener Doms aus der Zentralbücherei des Bistums entwickelt, aufgebaut und mit der Fachstelle für kirchliche Büchereien verbunden. Zwei Jahre später wurde das Medienforum am Zwölfling mitten in der Essener Innenstadt eröffnet. Ein Arbeitsplatz, den Steinkamp stets als einen Kulturort verstanden hat, „an dem gesellschaftlich und innerkirchlich relevante Fragen und Themen nicht in klassischer Vortragsform sondern auf kreative Weise auf der Grundlage von Büchern und anderen Medien im Gespräch und mit aller Offenheit für das Kontroverse in den gesellschaftlichen Diskurs eingespielt werden sollten“, so ihre eigene Vorstellung.

Neue Veranstaltungsformate – und neue Medien
Die Bücher waren das Fundament ihrer Arbeit. Doch zugleich kamen immer mehr „andere Medien“ hinzu: Lesungen, Kunstausstellungen und Konzerte als Ergänzungen im Programm des Medienforums – sowie immer neue digitale Medien als Ergänzung der viele Regalmeter füllenden gedruckten Worte, bis hin zu digitalen Ausleihmöglichkeiten in den Büchereien. Und die Bühne des Medienforums war nicht nur ein Ort für die ganz großen Namen von Autorinnen und Autoren, sondern für manchen auch ein kleines Sprungbrett: Das heute bundesweit aktive Ensemble „Wildes Holz“ aus Essen zum Beispiel – zuletzt mit einem vorweihnachtlichen Programm zu Gast im Medienforum – hatte hier einen seiner ersten Auftritte.
Bei allen Aktivitäten des Medienforums war Steinkamp stets inspiriert von einer Aussage des früheren Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann (1936-2018): „Die Kulturarbeit ist nicht Sektor, sondern integrale Grundperspektive aller Felder kirchlichen Handelns.“ So hat Steinkamp ihre Arbeit verstanden: Nicht schnödes Beiwerk, sondern mittendrin in einer Kirche, deren zentrale Glaubensbotschaften schließlich in einem Buch stehen.
So sehr das Lesen in der Regel eine zutiefst persönliche und private Angelegenheit ist, so sehr war Steinkamp Zeit ihres Berufslebens eine geradezu extrovertierte Netzwerkerin. Mit ihrem guten Gespür für Themen und mediale Trends konnte sie Sponsoren ebenso für ihre Projekte gewinnen wie gesellschaftliche Organisationen, mit denen sie das Medienforum des Bistums zum Beispiel in Sachen Leseförderung für Kinder vernetzte. Steinkamp brachte die Kultur zur Kirche – und die Kirche als Partnerin im Kulturbetrieb des Ruhrgebiets ins Spiel. So wurde sie unter anderem 2018 Mitglied des Netzwerks LiteraturgebietRuhr, engagierte sich fünf Jahre lang in der Jury des Literaturpreises Ruhrgebiet und wirkte bereits seit 1996 im Vorbereitungsteam der renommierten Tagung „Spurensuche” mit, die jedes Jahr in der Mülheimer Bistumsakademie „Die Wolfsburg” Kinder- und Jugendliteratur im Kontext aktueller gesellschaftspolitischer Themen beleuchtet.
2014 startete Steinkamp das „Lauschgericht“: Vorlesen für Erwachsene
Das Projekt, mit dem Steinkamp vermutlich die meisten Menschen erreicht hat, ist das 2014 gestartete „Lauschgericht“: Angelehnt an die uralte Tradition der Tischlesung in christlichen Klöstern lesen Menschen am bundesweiten Vorlesetag anderen Menschen beim Essen vor. Auch so eine Idee, bei der Steinkamp zusammen mit ihrem damaligen Kollegen Norbert Lepping aus dem Pastoraldezernat des Bistums ein Gespür für verborgene Trends bewies – denn während bis dato beim Vorlesetag vor allem Kinder Literatur zu hören bekamen, kommen beim „Lauschgericht“ nun auch Erwachsene in den (doppelten) Genuss, einer Geschichte lauschen und dabei essen zu dürfen. In einem logistischen Großprojekt hat Steinkamp mit ihrem Team in den vergangenen zehn Jahren in jedem Herbst bis zu 2000 Zuhörende an rund 100 Tischgemeinschaften – und entsprechend viele Vorlesende – zwischen Duisburg und dem Märkischen Sauerland koordiniert, coronabedingt mit einem Jahr Pause und einem „Lauschgericht“ als Video-Lesung. Die begeisterten Rückmeldungen seitdem das „Lauschgericht“ wieder in Präsenz stattfinden kann, sprechen Bände darüber, wie wohltuend die Menschen auf beiden Seiten der Tischgemeinschaften dieses Projekt empfinden. Auch Steinkamps Nachfolgerin Silke Schütz hat bereits angekündigt, das „Lauschgericht“ weiterführen zu wollen.
Neben dem Glanz und manchmal sogar Glamour großer Veranstaltungen hat Steinkamp nie das vermeintliche Schwarzbrot-Geschäft der Bibliotheksarbeit aus den Augen verloren. Dies galt für das Medienforum, das heute eine umso anerkanntere Fachbibliothek vor allem für theologische und katechetische Werke ist, die Religions-Lehrkräfte, KiTa -Mitarbeitende, Seelsorgende und Ehrenamtliche bei der Vorbereitung von Kindergottesdiensten zu schätzen wissen wie in der Kommunion- und Firmkatechese. Vor allem galt dies jedoch für die hunderten Ehrenamtlichen in den derzeit rund 100 Katholischen Öffentlichen Büchereien. Schon 1989 etablierte Steinkamp den „Diözesantag“ als regelmäßiges Netzwerk-Treffen dieser Ehrenamtlichen – und feierte mit ihnen 2023 die 60. Ausgabe dieser Veranstaltung. Zudem rief Steinkamp schon 2002 – noch vor den ersten großen Pfarreireformen im Bistum – einen Förderverein für die Büchereiarbeit ins Leben, um den KÖB eine weitere Finanzierungs-Säule zur Verfügung zu stellen. 2009 schließlich sorgte Steinkamp für basisdemokratische Strukturen in der KÖB-Landschaft: In den nun deutlich größer gewordenen Pfarreien wählen die Bücherei-Teams seitdem Sprecherinnen und Sprecher, die sich wiederum in einer regelmäßigen Konferenz auf Bistumsebene treffen.
Die Termine werden weniger – aber die Bücher bleiben
Zahlreiche Abendtermine, Sitzungen mit Ehrenamtlichen am Wochenende, oft im Mittelpunkt stehen, die Gesprächsfäden und Themen zusammenhalten – der Ruhestand wird für Vera Steinkamp zwangsläufig eine große Umstellung werden. Doch eine Konstante aus ihrem Berufsleben dürfte bleiben: Endlich hat sie richtig viel Zeit für Bücher, vor allem für die, die sie einfach nur lesen möchte und nicht unbedingt lesen muss. Und falls daheim doch mal der Literatur-Notstand ausbricht, wird ihr Team im Medienforum sicher auch in Zukunft mit aktuellen Tipps und Nachschub helfen können.
Ansprechpartnerin
Fachreferentin Bibliothek und Medienpädagogik
Silke Schütz
Zwölfling 14
45127 Essen
0201/2204-406