Urlaubsseelsorge auf Texel: Mit Sand an den Füßen und dem Himmel im Blick
Gottesdienste am Strand und an anderen besonderen Orten auf Texel
Haupt- und ehrenamtlich Seelsorgende bieten vielfältige Aktivitäten an
Wohnwagen als Treffpunkt für Gespräche und Bücher- oder Spieleausleihe
Der feine Sand ist überall: Auf der Decke, in der Hosentasche und zwischen Buchseiten. Er klebt an der Hand und am Ellenbogen, wenn man sich im Sitzen aufstützt, und steckt jetzt auch zwischen den Zehen von Pastor Maximilian Strozyk. Denn der trägt Flip-Flops zur bunten Stola, während er an diesem Abend predigend über den Strand von Texel läuft. Der Sand stört weder ihn noch seine Gemeinde – ganz im Gegenteil: Nachdem das Wetter in den ersten Sommerferienwochen eher durchwachsen und selbst das traditionelle wöchentliche Dünensingen manchmal nur unter schützenden Kirchendächern möglich war, macht der Sommer seinem Namen nun alle Ehre – und die Urlaubsseelsorge hat die Mittwochabendmesse spontan an den Strand verlegt. In einem großen Kreis haben sich rund 60 Leute niedergelassen: kleine Kinder, ältere Menschen und viele, die altersmäßig irgendwo dazwischen sind. Dazu ein paar Hunde. „Herzlich willkommen in der größten Kirche der Welt“, hat Strozyk den Gottesdienst eröffnet in dem – wen wundert’s? – immer wieder die Dankbarkeit für Gottes wunderbare Schöpfung zur Sprache kommt.
„Seelsorge ist viel mehr als nur Problem-Bewältigung.“
Gottesdienste am Strand, auf der Düne, am Vogelschutzgebiet, im Hafen oder eben doch in einer der Kirchen auf Texel sind ein wichtiger Baustein der Urlaubsseelsorge, die das Bistum Essen auch in diesem Sommer insgesamt neun Wochen lang für deutschsprachige Gäste auf der beliebtesten niederländischen Ferieninsel anbietet. Zwei Drittel der Zeit sind um, am Donnerstag, 8. August, startet das letzte der drei Teams mit mehreren Ehrenamtlichen unter der Leitung des Bochumer Kaplans Jan Sienert sein Programm. Bis zum 25. August gehören dazu dann neben Gottesdiensten auch Spiele am Strand, das wöchentliche gemeinsame Dünensingen mit Gitarren und Cajons, ein Spaziergang durch das bekannte Naturschutzgebiet „De Slufter“, Bastelaktionen oder ein Bingo-Abend. All das sei Seelsorge, sagt Strozyk, der in diesem Sommer mit dem ersten Urlaubsseelsorge-Team auf Texel war und ansonsten in der Duisburger Jugendkirche „Tabgha“ tätig ist. „Schließlich geht es im Urlaub doch genau darum: Ausspannen, sich erholen, die Seele baumeln lassen, sich also – aktiv oder passiv – um seine Seele sorgen. Für viele Leute kommen wir da mit unserem vielfältigen Seelsorge-Angebot genau richtig“, sagt Strozyk. „Seelsorge ist viel mehr als nur Problem-Bewältigung.“
Wohnwagen auf dem Campingplatz Kogerstrand als Zentrale
Ihre Zentrale hat die Urlaubsseelsorge im Badeort De Koog. Der markante Wohnwagen in den Dünen des Campingplatzes Kogerstrand samt Terrasse und Vorzelt mit der gut sortierten Urlaubsbibliothek ist immer dann geöffnet, wenn die magentafarbene Fahne weht. Neben den hauptberuflichen sind dann vor allem die ehrenamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorger vor Ort, leihen Bücher und Spiele aus und haben Lust auf Gespräche über Gott und die Welt. Immer wieder kommen – spontan oder geplant – Menschen vorbei und nehmen am Wohnwagen Platz. Die Ehrenamtlichen sorgen zudem für eine bunte Vielfalt der Urlaubsseelsorge, sind Familienväter oder Singles, Studierende oder Senioren, IT-Fachmann, Lehrerin, Banker oder Verkäufer.
Zum zweiten Mal als Ehrenamtliche mit dabei war in diesem Sommer die Archäologin und Museumspädagogin Anne Segbers: „Für mich sind die vielen Menschen ganz besonders, die ich auf Texel kennenlerne: Das kleine Team, mit dem ich eine so intensive gemeinsame Zeit erlebe, und die vielen netten Urlauberinnen und Urlauber, die an den Angeboten teilnehmen oder einfach zum Quatschen am Wohnwagen vorbeikommen“. Dabei habe sie „total positiv überrascht, wie schnell und unkompliziert die Feriengäste, die die Insel, sich untereinander und Teile des Teams schon seit Jahrzehnten kennen, mich als Neue in ihre Reihen aufgenommen haben“, sagt Segbers. Oft bereichern die Ehrenamtlichen das Programm mit eigenen Akzenten: Der passionierte Radfahrer lädt zur Inselumrundungs-Tour, ein Tänzer bietet eine Probestunde „Lindy Hop“ an – und Segbers hat zu einer „Reise mit allen Sinnen“ ins Texel des 17. Jahrhunderts eingeladen, als die Insel Teil des schwunghaften Handels niederländischer Kaufleute mit Ostasien war.
„Bei der Urlaubsseelsorge begegnet uns das pralle Leben“
Die Urlaubsseelsorge des Bistums Essen
Nach einem ersten Test im Jahr 1967 ist das Bistum Essen seit dem Sommer 1968 jedes Jahr mit seiner Urlaubsseelorge auf Texel präsent. Neun Wochen lang - jeweils kurz vor bis kurz nach den NRW-Sommerferien - bieten die Teams aus haupt- und ehrenamtlichen Seelsorgenden deutschsprachigen Feriengästen ein vielfältiges Programm aus Gottesdiensten, Spiel- und Freizeitaktivitäten in den Dünen und am Strand und Ausflüge über die Insel an. Alle Informationen und das jeweils aktuelle Wochenangebot gibt es online unter www.urlaubsseelsorge-texel.de sowie auf Facebook und Instagram.
„Bei der Urlaubsseelsorge begegnet uns das pralle Leben“, sagt Bernd Wolharn, Leiter der Cityseelsorge „grüßgott“ am Essener Dom und seit vielen Sommern einer der Urlaubsseelsorger auf Texel. „Natürlich stehen hier für die meisten Menschen Freizeit, Erholung, Fröhlichkeit und Spaß im Vordergrund.“ Aber gerade in der freien Urlaubszeit melden sich eben auch Gefühle, die vielleicht im Alltag nicht so deutlich würden: Die zerrüttete Beziehung, Belastungen bei der Arbeit, Sorge um die Entwicklung der Kinder oder die Trauer um den verstorbenen Partner, der womöglich viele Jahre fester Bestandteil der regelmäßigen Texel-Urlaube war. Auch das seien Themen vieler Gespräche am Wohnwagen, vor und nach den Gottesdiensten oder am Rande der anderen Programmpunkte – eher nicht in der launigen Frühschoppen-Runde bei Kaffee oder Bier nach der Sonntagsmesse, sondern zum Beispiel bei langen Spaziergängen durch die selbst in der Hochsaison ziemlich einsamen Dünen der Insel. Und wer der eigenen Nachdenklichkeit von sich aus Raum geben möchte, findet bei der Urlaubsseelsorge auch ruhigere Angebote im Programm: Ein Abendgebet mit Liedern aus Taizé, eine Pilgertour über die Insel oder den „Tag der Stille“ am Samstag, 17. August. Gerade das Bedürfnis nach Gottesdiensten und spirituellen Impulsen sei in den vergangenen Jahren gestiegen, hat Wolharn beobachtet. Die Urlaubsseelsorge hat darauf reagiert und bietet zum Beispiel verstärkt Gottesdienste im Freien an, die Themen der Urlaubsinsel mit Themen des Glaubens in Verbindung bringen.
So wie den Gottesdienst am Strand, der mittlerweile beim Vaterunser angekommen ist. Strozyk lädt die Runde ein, sich für das Gebet diesmal auf den Rücken zu legen. Gerade beim Satz „Wie im Himmel“ sollen die Gläubigen diesen einmal ganz besonders in den Blick nehmen, so knallblau, nur ein wenig schleierbewölkt und von der bald untergehenden Sonne beleuchtet, wie er heute ist. Das wirkt und lässt viele im Kreis das Gebet heute intensiver erleben als sonst. Selbst wenn man sich hier am Strand nach „so auf Erden“ wieder den Sand vom T-Shirt schütteln muss.
Domvikar & Cityseelsorger
Bernd Wolharn
An St. Quintin 3
45127 Essen
0201/2204-214