Stoppenberger Gymnasium engagiert sich gegen Diskriminierung und Rassismus

Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums am Stoppenberg freuen sich zusammen mit den Lehrkräften über die Auszeichnung als "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage". Der Stoppenberg-Absolvent Ralph Sina (vorne links, zusammen mit den beiden weiteren Podiums-Gästen Maria Hirtsiefer und Axel Reitz) ist Pate seines früheren Gymnasiums für das "Schule ohne Rassismus"-Programm. Foto: Thomas Rünker | Bistum Essen
Mit einer bewegenden Diskussionsrunde ist am Freitag, 14. Februar 2025, die Projektwoche „Wir sind anders?!“ der neunten Klassen des Bischöflichen Gymnasiums am Stoppenberg in Essen zu Ende gegangen. Seit Montag hatten sich die 14- und 15-Jährigen mit Diskriminierung und Rassismus unter anderem aus der historischen Perspektive des Nationalsozialismus beschäftigt, haben zum Beispiel über das Leben in einem Konzentrationslager recherchiert, sich künstlerisch mit der Biografie der jüdischen Publizistin Hannah Arendt beschäftigt oder über 800 Personalkarten von Überlebenden aus Konzentrationslagern digitalisiert. Zum Abschluss der Woche hatte Religionslehrerin Lucia Held drei sehr unterschiedliche Menschen an die Schule eingeladen, um in einer Podiumsdiskussion die Lehren aus der Geschichte in die Gegenwart zu tragen. Zudem ist die Schule nun Teil des Netzwerks „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ und erhielt am Freitag die entsprechende Auszeichnung.
Moderiert von Mark Radtke, Dozent der Mülheimer Bistums-Akademie „Die Wolfsburg“ diskutierten Maria Hirtsiefer, Enkelin des aus Essen stammenden und von den Nationalsozialisten inhaftierten preußischen Wohlfahrtsministers Heinrich Hirtsiefer (1876-1941), der Kölner Neonazi-Aussteiger Axel Reitz und der Hörfunkjournalist Ralph Sina. Sina, der selbst am Stoppenberg Schüler war brachte mit seinen Erfahrungen aus Korrespondentenstationen in Nairobi, Washington und Brüssel einen internationalen Blick in die Diskussion ein.
„Innerhalb von einem halben Jahr hat man meinen Großvater von einer wichtigen Person zu einer Persona non grata gemacht“, sagte Hirtsiefer, nachdem sie eindrucksvoll beschrieben hatte, wie ihr Opa - gerade noch ein wichtiger Politiker – im September 1933 von SA- und SS-Truppen in Essen verhaftet worden und mit dem verspottenden Schild „Ich bin der Hungerleider Hirtsiefer“ durch die Stadt getrieben worden war. Anschließend folgten mehrere Monate in zwei Konzentrationslagern und ein früher Tod aufgrund der Folgen der Haftbedingungen. Die christlichen Werte seien ihm zeitlebens wichtig gewesen, betonte die Enkelin, „für ihn standen stets die Menschen im Vordergrund“.
Der einzelne Mensch mit seiner ganz persönlichen Individualität
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Der einzelne Mensch mit seiner ganz persönlichen Individualität, dieses Bild stand in dieser Woche am Stoppenberg in allen Projekten im Mittelpunkt – ganz im Gegensatz zur rassistischen Uniformität, die Rechtsradikale auch heutzutage propagieren. Der 42-jährige Axel Reitz, der nach 15 Jahren als Neonazi aus der Szene ausgestiegen war, bemühte sich in der Diskussion zunächst um Begriffsklärungen: „Jeder Neonazi ist ein Rechtsradikaler, aber nicht jeder Rechtsradikaler ist ein Neonazi“, hob Reitz hervor. Neonazis seien gewaltbereit, aber politisch kaum relevant. Die politisch durchaus relevanten Rechtsradikalen hingegen sähen sich zwar nicht als historische Fortsetzung des Nationalsozialismus, bedienten sich aber durchaus vergleichbarer Instrumente, zum Beispiel des Totalitarismus oder menschenfeindlicher Ansichten. Habe man Hirtsiefer seinerzeit ein Spott-Schild umgehängt, würden heute Menschen wie zum Beispiel die Grünen-Politikerin Ricarda Lang auf Social Media täglich Hassnachrichten aufgrund ihres Aussehens erhalten.
„In Afrika habe ich zum ersten Mal erfahren was es heißt, zu einer Minderheit zu gehören“, sagte Ralph Sina – wenngleich zu einer sehr privilegierten. Er erzählte den Jugendlichen unter anderem vom hunderttausendfachen Völkermord der Hutu an den Tutsi in Ruanda – ausgelöst, wie Sina beschrieb, von rassistischer Radio-Propaganda, die die Hutu zum Mord an ihren Tutsi-Nachbarinnen und –Nachbarn aufgestachelt hatte.
Vor allem mit Blick auf die Trump-Administration in den USA zeigte sich Sina sehr besorgt, was den künftigen Umgang mit Freiheitsrechten angeht. In vielerlei Hinsicht stehe es „Spitz auf Knopf“. Der Journalist ermunterte die Jugendlichen: „Engagiert euch, wo auch immer!“
„Verachtet den Extremismus, aber verachtet nicht den Menschen dahinter!“
Maria Hirtsiefer warb dafür, in Diskussionen – ob in der Schulklasse oder in der Politik – „immer den anderen im Blick zu halten, ihn nicht zu verletzten“. So könne man im Gespräch bleiben. Dem schloss sich Reitz an, der mittlerweile im Verein Extremislos e.V. Deeskalations- und Anti-Gewalt-Trainings anbietet. Dies gelte auch für den Kontakt zu Extremistinnen und Extremisten. „Verachtet den Extremismus, aber verachtet nicht den Menschen dahinter!“, warb Reitz. Nur wenn man den Menschen im Blick behalte, gebe es überhaupt eine Brücke, um diese dann, wenn er Zweifel an seiner extremistischen Haltung bekommt, einen Ausstiegs-Weg zu ermöglichen. Reitz verwies auf sein eigenes Beispiel und warb für den deutschen Staat: „Ich war 15 Jahre lang der ,Hitler von Köln‘. Wenn dieser Staat, den ich in dieser Zeit so sehr bekämpft habe, mir danach ermöglicht hat, ein neues Kapitel in meinem Leben aufzuschlagen, dann klappt das auch bei euch, falls ihr mal Mist bauen solltet.“
Immer wieder stand in der Diskussion der Mut im Fokus, den es braucht, um gegen Diskriminierung vorzugehen. „Wir haben keine andere Wahl als mutig zu sein“, fasste es die Organisatorin Held in ihrem Schlusswort zusammen. „Wenn wir eine Welt möchten, in der jeder individuell leben kann, müssen wir uns mutig dafür einsetzen – die kommt nicht von alleine.“