St. Theresia in Gelsenkirchen wird zur Flüchtlingskirche

Als erste Kirche im Bistum Essen wird das leerstehende Gotteshaus in Gelsenkirchen-Hassel zu einer Notunterkunft umgebaut. Bald werden bis zu 96 Flüchtlinge in der Kirche wohnen – und am ehemaligen Altar essen und trinken.

Eine Unterkunft für bis zu 96 Menschen

Auf dem Altar steht ein Kaffeebecher im Baustaub. 47 Jahre lang haben Priester auf dieser großen Marmorplatte Brot und Wein bereitet und mit der St. Theresia-Gemeinde die Heilige Messe gefeiert. Bald essen und trinken hier Menschen aus aller Welt, wahrscheinlich ohne Gebet, ganz profan. Ab Weihnachten steht das 2007 geschlossene Gotteshaus als erste Flüchtlingsunterkunft in einer katholischen Kirche des Bistums Essen bereit. Statt hölzerner Bänke füllen nun Stockbetten aus Stahlrohr das Kirchenschiff. Und in der Sakristei werden statt Priestergewändern und Hostienschalen bald Mahlzeiten für die bis zu 96 neuen Bewohner bereitet. Binnen weniger Tage ist die Gelsenkirchener Kirche, die acht Jahre lang als Lager diente, aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Handwerker verwandeln das Gotteshaus in ein Asyl.

Propst ließ alle Gebäude der Pfarrei prüfen

„Wir können doch nicht ernsthaft an Weihnachten das Kind in der Krippe feiern und der Vertreibung der Heiligen Familie gedenken, wenn Flüchtlinge bei uns in Zelten leben müssen“, hatte der auch für St. Theresia zuständige Propst Markus Pottbäcker schon vor Wochen seine Bereitschaft erklärt, alle Gebäude der Pfarrei für die Unterbringung von Flüchtlingen prüfen zu lassen. Dass es nun – kurz vor Weihnachten – tatsächlich konkret wird, kam dennoch überraschend, berichtet Gemeindereferent Hermann Spickermann. Bislang galten Kirchen unter anderem wegen fehlender Sanitäranlagen und gesetzlicher Vorgaben etwa zum Brandschutz als wenig geeignet für die Unterbringung von Flüchtlingen. Auch nach einer ersten Begehung im November hätten Vertreter der Stadt Gelsenkirchen zunächst abgelehnt – um kurz darauf doch zuzusagen, so Spickermann. „Dann ging alles ganz schnell.“ Zwei Wochen später sind die Handwerker in den letzten Zügen, bis Weihnachten soll das Quartier bezugsbereit sein - und auch für die nun nicht mehr benötigten Kirchenbänke hat sich eine überraschende Lösung ergeben: Die Bänke werden in Westafrika gebraucht.

Altar wird zum Ess-Tisch

Dass der Altar dann zu einem ganz weltlichen Tisch wird, habe vor allem praktische Gründe, sagt Spickermann: „Die Altarplatte wiegt drei Tonnen. Die konnte unser Steinmetz nicht an einem Stück demontieren.“ Also bleibt der Altar an Ort und Stelle und dient – nach Ausbau der Reliquien – als Ess-Tisch für die Männer, Frauen und Kinder, für die die Kirche im Gelsenkirchener Norden ein Zuhause auf Zeit wird. Ringsum werden weitere Tische und Stühle aufgestellt, eine halbhohe Holzwand grenzt diesen Ess-Bereich vom restlichen Kirchenraum ab. Noch ein paar letzte Pinselstriche vom Maler, dann schützt die Wand vor der Stolperfalle Altarstufen und bildet um den großen Marmortisch fast eine Art Terrasse.

Folienbespannte Bauzäune sorgen für Sichtschutz zwischen den Parzellen

Im Kirchenschiff selbst beherrscht weiße Plastikfolie das Bild. Wo bis vor wenigen Wochen noch Dutzende Kirchenbänke standen, haben Arbeiter in Windeseile die eigentlichen Quartiere für die Flüchtlinge aufgebaut: Zwei mal sechs Parzellen mit je vier Doppelstockbetten – macht maximal 96 Plätze für diese Unterkunft. Von Räumen spricht hier niemand angesichts der nach oben offenen Bereiche, die mit Bauzäunen voneinander abgetrennt und mit weißer Folie bespannt sind. Die Folie sorgt für Sichtschutz und etwas Helligkeit – und dient auch als Vorhang und Tür-Ersatz. „Viel Platz ist hier nicht“, meint Spickermann, als er sich in einer Parzelle umsieht, von Schränken oder gar Stühlen ganz zu schweigen. Immerhin, die Kirche ist trocken und warm – und erhält bald auch noch Waschmaschinen. Dennoch ist St. Theresia nicht mehr als eine Notunterkunft. Zu Dusche und Toilette geht’s künftig durch die Kirchtür auf den Vorplatz. Dort stehen vier Container mit Sanitäranlagen, dahinter soll ein Zaun vor neugierigen Blicken von der vielbefahrenen Polsumer Straße schützen.

"Kein Quartier auf Dauer"

Bei der Stadt ist man heilfroh und dankbar über die neue Unterkunft in der Kirche. „St. Theresia spielt schon bei unserer Notfallplanung über die Weihnachtsfeiertage eine wichtige Rolle“, erläutert Stadtsprecher Oliver Schäfer. „Für mich als Christ hat das eine besondere Symbolik, auch weil ich selbst in der Nachbarschaft wohne.“ Spätestens im Januar würden dort aber tatsächlich Flüchtlinge eine vorübergehende Bleibe finden. Dass die Ausstattung für sie in St. Theresia mit „zweckmäßig“ noch geschönt umschrieben ist, weißt Schäfer nicht zurück. Mehr sei angesichts des großen Flüchtlingsandrangs derzeit nicht möglich. Immerhin böte Gelsenkirchen – anders als etwa viele süddeutsche Kommunen – mit Stellwänden in den Massenquartieren zumindest ein bisschen Privatsphäre. Zudem sei „St. Theresia kein Quartier auf Dauer“ sagt Schäfer. Nach sechs bis acht Wochen würden die Flüchtlinge in Wohnungen unterkommen.

Benachbarte Kita als Glücksfall

Die Gemeinde steht jedenfalls in den Startlöchern, um sich bei der Betreuung der Flüchtlinge zu engagieren. Im Gemeinderat und auch darüber hinaus gebe es – neben „manchen Fragezeichen“ – eine große Bereitschaft, die neuen Nachbarn zu unterstützen, beschreibt Spickermann die Stimmung. Erst einmal heiße es jedoch abwarten, „wir wissen ja nicht, wer zu uns kommt“. Da kann auch Stadt-Sprecher Schäfer nur aus der Erfahrung der vergangenen Wochen berichten. „Im Moment werden uns vom Land ganz überwiegend Menschen aus Syrien zugeteilt, zum Teil auch Flüchtlinge aus dem Irak oder aus Afghanistan.“ Zudem kämen derzeit viele Familien, zum Teil mit kleinen Kindern. Die werden in St. Theresia wohl schnell den benachbarten Kindergarten in Augenschein nehmen. In der Kita ist man jedenfalls vorbereitet. Bei einer Elternversammlung kam neben einigen Bedenken viel Bereitschaft zur Sprache, Spielzeug zu spenden oder anderweitig zu helfen, so Spickermann. Auch für die Stadt ist der Kindergarten ein Glücksfall, sagt Schäfer: „Die Kinder sind immer die ersten, die auf die Flüchtlingskinder zugehen“. (tr)

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