von Cordula Spangenberg

Schulterschluss gegen sexualisierte Gewalt

In der deutschen katholischen Kirche durchlaufen alle Mitarbeiter Schulungen zur Prävention gegen sexuellen Missbrauch

Als die deutschen Bischöfe unter dem Eindruck des Skandals um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche Präventionsbeauftragte ernannten, gab es kaum Vorgaben für diese Arbeit. In einer deutschlandweiten Ordnung war ein Rahmen festgelegt worden, dessen konkrete Ausgestaltung jede Diözese festlegte. Nun steht man nach fünf Jahren der Präventionsarbeit vor der Aufgabe, die bisherigen Vorgehensweisen anzugleichen und sich über einen gemeinsamen Standard in der Präventionsarbeit abzustimmen. Dazu trafen sich Präventionsbeauftragte aller deutschen Bistümer in dieser Woche zu ihrer Bundeskonferenz im Kardinal-Hengsbach-Haus in Essen-Werden.

„Es ist wichtig, sich vorstellen zu können, was sexueller Missbrauch ist, und wahrhaben zu wollen, dass so etwas passieren kann“, sagt Dr. Andrea Redeker, bischöfliche Präventionsbeauftragte gegen sexualisierte Gewalt im Bistum Essen. Viele Vorstellungen über sexuelle Gewalt entsprechen nicht der Wirklichkeit: Meist ist es nicht der fremde Mann auf der Straße, der einem Kind auflauert, sondern eine vertraute Bezugsperson, die übergriffig wird. Sexualisierte Gewalt hat auch nichts mit sozial niedriger Herkunft oder mangelhafter Bildung zu tun, sondern zieht sich durch alle Bildungsniveaus und Schichten. Sie entsteht weniger aus dem Wunsch nach sexueller Befriedigung, sondern ist in erster Linie ein Zeichen für unheilvolle Machtverhältnisse. Und entgegen gängiger Vorstellungen werden 10 bis 15 Prozent aller Übergriffe von Frauen begangen, und zwar mit ähnlichen Methoden wie die männlichen Täter.

„Hinzusehen, Täterstrategien zu kennen und sensibel auf Hinweise reagieren zu können ist wichtig“, sagt Redeker, „deshalb bilden wir im Bistum Essen gemeinsam mit den Katholischen Bildungswerken Schulungsreferenten aus, die alle hauptamtlichen Mitarbeiter der Kirche sowie die Ehrenamtlichen, die mit Kindern und Jugendlichen, aber auch mit schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen arbeiten, für dieses Thema sensibilisieren.“ Für die fünf Bistümer in Nordrhein-Westfalen gibt es bereits eine einheitliche Präventionsordnung. Sie sieht vor, dass jeder katholische Träger – etwa Pfarreien, Verbände, Schulen, Kindertagesstätten, Pflegeeinrichtungen – sein eigenes Schutzkonzept entwickelt. Im Bistum Essen werden die Schutzkonzepte sämtlicher katholischer Einrichtungen bei Redeker als Präventionsbeauftragter hinterlegt.

In den Schutzkonzepten geht es darum, klare Regelungen aufzustellen, wie man in der Einrichtung miteinander umgehen will, und dass bereits bei der Personalauswahl und in weiteren Mitarbeitergesprächen die Prävention sexualisierter Gewalt berücksichtigt wird, da es zu diesem Thema verpflichtende Fortbildungen gibt. Festzuglegen ist auch, wer in der Einrichtung zuständig ist beim Thema Missbrauch und als Leitung „den Hut auf hat“, aber auch zum Beispiel die Räume der Einrichtung daraufhin zu prüfen, ob etwa Türen stets zu öffnen sind. Die Prävention nimmt in der Arbeit mit minderjährigen Geflüchteten einen wichtigen Stellenwert ein, denn viele Flüchtlinge haben schlimme Gewalt erfahren und sind deshalb besonders verletzlich. Darum hat die Caritas das Thema „Sexualisierte Gewalt“ in ihre Schulungen für ehrenamtliche Flüchtlingshelfer mit aufgenommen.

„Aus der Bibel stammt der christliche Auftrag, Kinder und Jugendliche besonders zu schützen“, sagt Redeker, „Es ist unser ureigenster Auftrag und kein Zusatzprogramm.“

Pressestelle Bistum Essen

Zwölfling 16
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