Schreiben und Fußballspielen ohne Hände und Beine

Tola ist zwölf Jahre alt. Er ist ohne Hände und Beine auf die Welt gekommen. Dennoch schafft er so ziemlich alles, was er sich vorgenommen hat – fast ohne fremde Hilfe. Für die Sternsinger wird Tola während der Aktion Dreikönigssingen 2011 sicherlich zu einer Identifikationsfigur werden.


Tola – Der Junge vom Aktionsplakat „Dreikönigssingen“

Tola ist zwölf Jahre alt. Er ist ohne Hände und Beine auf die Welt gekommen. Dennoch schafft er so ziemlich alles, was er sich vorgenommen hat – fast ohne fremde Hilfe. Zu seinen Hobbys gehören Malen, Volleyballspielen und am Computer arbeiten. Tola wohnt gemeinsam mit 26 anderen Kindern im Goutte d’Eau-Zentrum für Kinder mit Behinderungen in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh.

Bunte Handabdrücke zieren die Toreinfahrt vom Goutte d’Eau-Zentrum für Kinder mit Behinderungen in Phnom Penh. „Wassertropfen“ heißt die Einrichtung, die von den deutschen Sternsingern unterstützt wird, in der Übersetzung. Durch das Tor gelangt man auf einen reich bepflanzten Innenhof. Freundlich sieht es hier aus, an den Außenwänden der Gebäude sind Zeichnungen von Tieren und Blumen. Daneben hängen Fotocollagen von Ausflügen zum Strand und ins Schwimmbad. Auf den Fotos sind die Bewohner des Zentrums zu sehen: Lachende Kinder unterschiedlichen Alters, manche im Rollstuhl, andere mit Beinprothesen.

Von der Wiese hinter dem Haus tönt Geschrei. Ein Volleyballspiel ist in vollem Gang. Auf den ersten Blick fällt nicht auf, dass die Beine des Jungen, der gerade mit voller Wucht gegen den Ball schlägt, nicht echt sind. Dass er keine Hände hat, schon. Doch das tut der Angabe keinen Abbruch. In hohem Bogen katapultiert Tola den Ball über das Netz. Ein Junge im Rollstuhl nimmt ihn an, der Ball springt ab und fliegt weit über das Feld hinaus ins Gebüsch. Tola friemelt ihn aus den Ästen, und das Spiel beginnt von vorn.


Tola lässt sich nicht behindern

Tola ist ohne Hände und Beine auf die Welt gekommen. Der Grund für seine Behinderung ist nicht bekannt. Behindern lässt er sich durch sie aber kaum: Auch ohne Hände kann er sich selbständig seine Beinprothesen anziehen und auch sonst so ziemlich alles tun, wofür andere zehn Finger brauchen: Schreiben und zeichnen etwa, Fuß- und Volleyballspielen und einen Computer bedienen. Auch in der Schule kommt Tola gut mit.

Zusammen mit nicht behinderten Kindern besucht er die öffentliche Schule des Viertels. Tola kennt seine Familie nicht. Er wurde von seinen Eltern vor einem Krankenhaus in der Stadt Neak Leong zurückgelassen, als er gerade zwei Wochen alt war. In Kambodscha ist es keine Seltenheit, dass überforderte Eltern ihr Kind mit Behinderung aussetzen. Um sich und ihre Kinder ernähren zu können, müssen in der Regel beide Elternteile arbeiten gehen. Oft müssen auch die Kinder zum Lebensunterhalt der Familien beitragen. Wo viele hungrige Mäuler zu stopfen sind, können Mutter oder Vater es sich nicht leisten, zuhause zu bleiben und ihr Kind mit einer Behinderung zu pflegen.

Tola wohnt zusammen mit 26 weiteren Kindern und Jugendlichen mit körperlichen und auch geistigen Behinderungen in der Einrichtung von Goutte d’Eau. Nicht alle sind so selbständig wie er. Neunzehn Angestellte betreuen die Kinder in drei Schichten rund um die Uhr. Zusätzlich kommen ein Physiotherapeut, der krankengymnastische Übungen und Massagen macht, und eine Musiklehrerin, die den Kindern am Wochenende beibringt, auf traditionell kambodschanischen Instrumenten zu musizieren.

Das Zentrum wurde 2003 eröffnet. In Phnom Penh, weil es hier Infrastruktur gibt, die in Kambodscha sonst selten zu finden ist; Krankenhäuser mit Spezialisten etwa und auch eine Schule für gehörlose und blinde Kinder, mit der die Organisation zusammenarbeitet. Ein Großteil der Kinder ist aus anderen Städten hierher gekommen. Die meisten kommen aus Poipet nahe der thailändischen Grenze, wo Goutte d’Eau ein Auffangzentrum für Straßenkinder und Opfer von Kinderhändlern betreibt. Nicht selten sind es Kinder mit einer Behinderung, die von Schlepperbanden zum Betteln missbraucht werden, weil sie Mitleid erregen.


Fürsorge, Förderung und eine familiäre Atmosphäre

Tolas Freundin Srey Sao erging es so. Sie wurde nach Thailand verkauft und musste dort für eine Frau, die sich als ihre Mutter ausgab, betteln und arbeiten. Sozialarbeiter fanden sie in den Straßen Bangkoks und brachten sie zurück nach Kambodscha. Srey Sao hat nur ein Auge. Das zweite ist erblindet, der Grund dafür ist unbekannt. Wer ihre Eltern sind und wo sie geboren wurde, weiß Srey Sao nicht. Ihr Geburtsjahr wird auf 2000 geschätzt.

Im Zentrum in Phnom Penh erfahren Srey Sao, Tola und die anderen Kinder Fürsorge, Förderung und eine familiäre Atmosphäre. Gekocht und gegessen wird gemeinsam. Wenn die Kinder nicht in der Schule sind, malen sie, machen Musik oder treiben Sport. Jeden zweiten Samstag fahren alle nach Phnom Penh in die Stadt. Am Neujahrstag laden Kinder, die ihre Familien kennen, ihre Angehörigen zum Feiern ein. Besonders lustig, meint Tola, sind aber die Ausflüge ins Schwimmbad oder an den Strand. Das zeigen auch die Fotocollagen an den Wänden, gleich neben den bunten Zeichnungen.

Für die Sternsinger wird Tola während der Aktion Dreikönigssingen 2011 sicherlich zu einer Identifikationsfigur werden. Der Zwölfjährige ziert das Aktionsplakat und die Titelseiten mehrer Sternsinger-Materialien. Im Film zur Aktion ist Tola einer der Hauptdarsteller. (Stefanie Wilhelm)

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