von Cordula Spangenberg

Radikale Einfachheit: Charles de Foucauld wird am Sonntag heiliggesprochen

Auch im Bistum Essen orientieren sich Menschen an der Lebensform des französischen Wüstenmönchs, den die katholische Kirche am kommenden Sonntag, 15. Mai, ehrt.

Ein Extremist wird zur Ehre der Altäre erhoben. Mit seiner Heiligsprechung am Sonntag, 15. Mai, in Rom ehrt die katholische Kirche den Wüstenmönch Charles de Foucauld (1858 – 1916), dem es zeitlebens nicht um Ehre und Ansehen, sondern um radikale Einfachheit ging. Unzählige Menschen lassen sich bis heute von seiner Spiritualität und Lebensform inspirieren – auch im Bistum Essen. Die „Geistliche Familie Charles de Foucauld“ zählt weltweit 20 Gemeinschaften mit 13.000 Mitgliedern.

Unauffällig und bescheiden das Leben der Menschen zu teilen, war für den „kleinen Bruder Karl von Jesus“ die „möglichst perfekte Nachahmung des Lebens unseres Herrn Jesus in Nazaret“. Er selbst lebte allein in seiner Einsiedelei in der Sahara bei den „Ärmsten der Armen“, dem Wüstenvolk der Tuareg. Ständig klopften Sklaven, Arme, Kranke, Soldaten, Reisende, Neugierige an seine Tür. Jedem begegnete er mit absichtsloser Freundlichkeit, bot Rat oder Hilfe an, ohne seine muslimischen Nachbarn zum Christentum bekehren zu wollen. Mitten im Ersten Weltkrieg, der auch die algerische Wüste nicht verschonte, wurde der Wüstenmönch am 1. Dezember 1916 bei einem bewaffneten Raubüberfall von Aufständischen erschossen - einer von 17 Millionen Opfern dieses Krieges.

Die kleinen Brüder in Marxloh sind gute Kollegen und Nachbarn

In einer Brüdergemeinschaft, wie Charles de Foucauld sie sich für sein Eremiten-Dasein vergebens gewünscht hatte, leben die kleinen Brüder Jesu in Duisburg-Marxloh. Zu dritt starteten sie in den 60er Jahren zunächst im Duisburger „Gleisdreieck“, einer verrufenen Siedlung aus Wellblechhütten. Nach dem Vorbild der französischen Arbeiterpriester war Bruder Michael aus Frankreich Straßenfeger bei der Stadt, sein Landsmann Markus arbeitete als Stahlwerker bei Thyssen, und der deutsche Bruder Wolfgang Köhler fuhr als Bergmann unter Tage – alle drei gute Kollegen am Arbeitsplatz und tolle Nachbarn, theologisch und philosophisch hochgebildet, „aber nur für Weisheit und Glauben“, nicht um akademisch tätig zu sein, erklärt Bruder Wolfgang (78): „Wir wollen keine Führungsposition, keine finanzielle, politische oder militärische Macht. Vertrauen und Geschwisterlichkeit sind uns kostbar.“

Gemeinsames Gebet und Lebensbetrachtung

Energie ziehen die Brüder aus dem Gebet. Charles de Foucauld, der allein in der Wüste keine Eucharistie feiern konnte, verbrachte täglich viele Stunden der Anbetung vor der Hostie im Tabernakel: „Es ist Jesus, der ganze Jesus. Man schaut ihn an, man ist zufrieden, zu seinen Füßen zu sitzen“, schrieb er. Diese Form des Gebets teilt die ganze „Geistliche Familie Charles de Foucauld“. Dazu gehören auch knapp 20 Priester des Bistums Essen, die sich in drei Gruppen regelmäßig einmal im Monat zu Gebet, Bibelteilen und „révision de vie“, der Lebensbetrachtung, treffen. Ein „Nazaret-Monat“ – vier Wochen intensiver Exerzitien – präge ihn noch Jahre später, berichtet Claus Optenhövel, Pfarrer in Halver im Märkischen Kreis. Die Priester der Gruppe sind eng miteinander verbunden, ohne in Kommunität zu leben: „Wir stellen uns dem Bischof zur Verfügung“, sagt Optenhövel.

Der Frauengemeinschaft Charles de Foucauld, einer Gruppe einzeln lebender, unverheirateter Frauen, gehören im Bistum Essen inzwischen noch zwei Damen im Rentenalter an, die ihre geistlichen Kontakte, das gemeinsame Gebet und die „révision de vie“ überregional pflegen. Von Charles de Foucauld hat Barbara Steffens für ihr eigenes Leben übernommen, „dass man seinen Lebensweg immer wieder ändern kann, um seinem Ideal näher zu kommen“.

Nachwuchs für die Gemeinschaften ist nicht in Sicht. „Nicht schlimm, wir sind Kinder unserer Zeit“, sagt Bruder Wolfgang in Marxloh, „Gott stößt Bewegungen an, keine Betonklötze.“ Anders als in Afrika wünschten junge Menschen in Europa keine lebenslangen Bindungen: „Kontemplatives Leben mitten in der Welt ist heute trotzdem verbreitet.“

„Kleiner Bischof“ Julius Angerhausen

Dass die Bewegung rund um Charles de Foucauld nach wie vor Kirchengeschichte schreibt, zeigt das Beispiel des ersten Essener Weihbischofs Julius Angerhausen (1911 – 1990). In seinem Bischofswappen führte er Herz und Kreuz, Zeichen des Wüstenmönches Foucauld. Während des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 – 1965) gehörte er als einziger westdeutscher Bischof der Fraternität der 40 sogenannten „kleinen Bischöfe“ an, die sich 1965 im „Katakombenpakt“, einer Selbstverpflichtungserklärung außerhalb der Konzilsdokumente, zu einem einfachen Lebensstil, dem Verzicht auf Insignien und einer Kirche für die Armen bekannten. Als Sekretär der „kleinen Bischöfe“ pflegte Angerhausen deren internationale Kontakte, war mit Bruder Michael aus Marxloh befreundet und mit ihm in Algerien auf den Spuren des Wüstenmönches unterwegs. Der Katakombenpakt legte den Grundstein für die spätere Befreiungstheologie in Lateinamerika, ohne die der heutige Papst Franziskus nicht zu verstehen wäre: „Wie sehr wünsche ich mir eine arme Kirche, eine Kirche der Armen!“

Pressestelle Bistum Essen

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