Priesterbilder zwischen Fiktion und Wirklichkeit

Die Rolle der Priester wird sich angesichts tiefgreifender Veränderungen in der Kirche wandeln. Das unterstrich der Paderborner Professor Dr. Jacobs auf einer Tagung zum Thema "Priesterbilder" in der "Wolfsburg". Zudem warf Dr. Kai Reinhold, Dezernent für das pastorale Personal, einen ungeschminkten Blick auf die Wirklichkeit im Ruhrbistum.



Diskussion in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“

Gestalten wie Don Camillo, Pfarrer Braun oder Pater Ralph sind vielen aus Film und Fernsehen bekannt. Sie sind Ikonen im schwarzen Talar, die in verschiedenen aktuellen Formaten zitiert, karikiert oder auch nur imitiert werden. Bekannt sind katholische Priester auch als machtbewusste Bösewichter wie etwa Kardinal Richelieu als Gegenspieler der drei Musketiere, die finsteren Verschwörer aus Dan Brown-Filmen oder wie Rodrigo und Cesare Borgia. „Vielen Menschen begegnen katholische Pfarrer und Priester heute eher und mehr im Fernsehen als im alltäglichen Leben“, betonte die Religionswissenschaftlerin Dr. Lisa Kienzl, Graz, auf einer Tagung zum Thema „Priesterbilder. Ein Amt zwischen Anspruch, Projektion und Wirklichkeit“ in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim.


Priesterbilder im Film und Fernsehen

Die Mitarbeiterin einer Forschungsgruppe, die die in Filmen und TV-Serien vermittelten Priesterbilder sowie die Wechselwirkung von Fiktion und Wirklichkeit untersuchte, und Mitherausgeberin des Buches „Helden in Schwarz“ machte deutlich, dass der Priester in nahezu allen Genres präsent ist, von der Komödie und dem Krimi über Thriller, Action- und Mysteryfilm bis hin zu Historienfilmen, Romantik und Drama. „Priester werden überwiegend positiv und sympathisch dargestellt“, so Kienzl. Klerikale Bösewichte seien meistens in höheren kirchlichen Hierarchien zu finden. Die Darstellung des Priesters sei immer wertend positiv oder negativ und würde häufig noch ein sehr traditionelles, idealisiertes Männerbild spiegeln. Gerade der einfache Priester werde oft zum maskulinen „Helden in Schwarz“. Nach Ansicht der Religionswissenschaftlerin haben die Filme und TV-Serien sehr wohl Einfluss auf das Priesterbild in der Öffentlichkeit. Die Gefahr sei natürlich groß, dass dann reale Priester an den Filmgestalten gemessen würden.


Nicht Kirchenverwalter, sondern Volk-Gottes-Begleiter

Nicht die Fiktion, sondern die heutige Wirklichkeit von Priestern nahm der Pastoralpsychologe und –soziologe an der Theologischen Fakultät Paderborn, Professor Dr. Christoph Jacobs, in den Blick. Die Realität des Priesters befinde sich in einem fundamentalen Wandel. Die Zahl der Priester und der Gläubigen sinke hierzulande stetig, ebenso die Zahl der Pfarreien. Heute würden für das Amt des Pfarrers nur noch rund ein Drittel der Priester benötigt. Doch „viele Priester wollten gar nicht Priester werden. Sie wollten Pfarrer werden“, so Jacobs. Solche Aussagen betonten das Amt und nicht die priesterliche Berufung. Letztere habe eine dreifache Dimension: Menschsein – Christsein – Auftrag und Dienst. „Der Auftrag des Priesters und der Seelsorgerinnen und Seelsorger besteht im Dienst am gemeinsamen Priestertum aller Getauften“, betonte der Professor. Aufgabe der Priester sei es, dorthin zu führen, wo Leben und Nahrung ist“, Dienstleistungen und Charismen wertzuschätzen und zur Kooperation anzustiften. Seien Priester früher „Kirchenverwalter“ gewesen, sollten sie sich in Zukunft als „Volk-Gottes-Begleiter“ verstehen. Habe sich der Priester früher eher als ein „Versorger mit spirituellen Inhalten“ verstanden, sei zukünftig ein „zeichenhaft Handelnder“ gefragt. Auch sei der Priester kein „Gott-Verteiler“, sondern ein „Gott-Kundiger und Gott-Sucher“. Aus einem „Sakramenten-Pädagogen“ müsse ein „Sakramenten-Mystagoge“ werden, „denn Menschen kann man den Glauben nicht beibringen“, so Jacobs. Priester-Sein heiße, „selbstlos transparent werden auf den hin, der sendet, auf Jesus Christus“.


Herausforderungen im Bistum Essen

Wie die Wirklichkeit im Ruhrbistum aussieht, verdeutlichte Domvikar Dr. Kai Reinhold, Dezernent für das pastorale Personal im Bischöflichen Generalvikariat und Regens im Bistum Essen, anhand einiger Zahlen. Betrug im Ruhrbistum die die Zahl der Welt- und Ordenspriester im aktiven Dienst 1990 noch 635, so sind es heute 279. „Wenn wir annehmen, dass in Zukunft pro Jahr ein Kandidat zum Priester geweiht wird, wird die Zahl der Priester im aktiven Dienst bis 2030 auf etwa 100 sinken“, so Reinhold. Die Zahl der Kirchenmitglieder sinke ebenfalls, aber langsamer. Waren es 1990 im Ruhrbistum noch 1,1 Millionen, so waren es Ende 2013 noch 830.000. Man gehe davon aus, dass die Mitgliederzahl bis 2030 auf rund 650.000 weiter sinken wird. „Die finanziellen Ressourcen werden ebenfalls sinken, so dass das Weniger an Priestern nicht allein durch Aufstockung des hauptamtlichen Personals ausgeglichen werden kann“, betonte der Dezernent. Deshalb müsse die „missionarische Seelsorge“ weiter an Bedeutung gewinnen. Die Zahl der Pfarreien werde weiter sinken, ebenso der Immobilienbestand. „Es werden weitere Strukturveränderungen notwendig sein, damit Priester weiterhin Seelsorger sein können“, so Reinhold. Es werde einen wachsenden Bedarf an Gemeindereferentinnen/-referenten sowie Pastoralreferentinnen/-referenten geben. Leitende Pfarrer müssten zunehmend von Verwaltungsaufgaben entlastet werden. Mehr Vernetzungsarbeit und „charismenorientierter Einsatz“ seien gefragt. Das verlange von den Priestern in Zukunft die Fähigkeit, in größeren Teams und komplexeren Systemen zu arbeiten. Diese Herausforderungen – so Reinhold – fänden auch in der Priesterausbildung Schritt für Schritt Berücksichtigung.


Priester als spiritueller Weggenosse

Der Priester des 21. Jahrhundert müsse sich als „spiritueller Weggenosse“  der Menschen verstehen, als jemand, der auf Menschen zugeht, und das nicht nur in der Kerngemeinde, der Entwicklungen ermöglicht, der ein Menschenfreund und Missionar, ein Wissender und Lernender, ein Mann des Wortes und ein asketischer Begleiter ist, „einer, der aus Christus und aus festen Beziehungen lebt und diese pflegt“, betonte der Regens. Der ideale zukünftige Priester sei „kein Idealbild, sondern ein realer Mensch mit einem reflektierten Wissen um seine eigenen Stärken und Schwächen“, unterstrich Reinhold. Priestersein sei der „realer Dienst, um Menschen zu ermöglichen, mit Gott in Berührung zu kommen.“ (do)

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