von Simon Wiggen

Pfeffer: „Evangelium lässt sich nicht mit der Logik des Vereinfachens vereinbaren“

Die Botschaft Jesu entziehe sich vorschnellen Urteilen, so Generalvikar Klaus Pfeffer in seiner Bibelarbeit auf dem evangelischen Kirchentag in Dortmund. Auch der Umgang der Gläubigen innerhalb der Kirchen, sei teilweise nicht mit dem Evangelium vereinbar.

Was Rechtspopulismus, Ideologien und innerkirchliche Richtungskämpfe mit Jesu Salbung durch die Sünderin im Lukas-Evangelium zu tun haben, hat Generalvikar Klaus Pfeffer jetzt in seiner Bibelarbeit auf dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund näher erläutert. Vor zahlreichen Zuhörern in der Ewaldi-Kirche stellte er den Bibeltext (Lk 7,36-50) in den Mittelpunkt, in dem Jesus von einer „Sünderin“ gesalbt wird und dafür von einem Pharisäer stark kritisiert wird.

„Das Evangelium lässt sich nicht mit der Logik des Vereinfachens vereinbaren“, so Pfeffer und nahm Bezug auf den Philosophen Emanuel Levinas: „Wir dürfen einen Menschen niemals nur oberflächlich wie eine Sache betrachten. In jedem Menschen ist ein Geheimnis, eine Geschichte verborgen, die ihn so hat werden lassen.“ Oft hätten viele Menschen schon fertige Bilder von anderen im Kopf: „Es ist klar, welche Leute ‚rechts‘ sind, und wer ‚die Linken‘ sind. Es ist klar, dass Politiker nur eigene Interessen im Kopf haben. Auch die Fronten in unserer Kirche verlaufen scheinbar klar zwischen konservativ und progressiv.“ Im Gegensatz zu diesem vereinfachenden Denken und Urteilen warb der Generalvikar dafür, wirklich den Menschen zu sehen, anstatt vorschnelle Urteile zu fällen.

„Das Ausmaß an Aggression und Hass in unserem Land, aber auch in unseren eigenen kirchlichen Reihen ist erschreckend“, so Pfeffer. „Die vermeintliche Klarheit, was richtig und falsch ist, scheint vielen das Recht zu geben, andere Menschen nicht nur abzulehnen, sondern sie auszugrenzen und in gewisser Weise zu vernichten.“ Generalvikar Pfeffer zeigte sich erschüttert, wie gnadenlos manche Christen auftreten und sprechen könnten, „die für sich in Anspruch nehmen, Vertreter eines wahren Christentums und einer wahren Kirche zu sein.“ Er verwies insbesondere auf Internet-Plattformen, die das innerkirchliche Klima verschärften und zitierte einen Blogger, der mit Verweis auf ein Zitat von AfD-Chef Gauland gegenüber Bischof Overbeck die Warnung aussprach: „Wir werden Sie jagen“. In vielen innerkirchlichen Auseinandersetzungen beklagte Pfeffer eine zunehmende Aggressivität: „In unseren Kirchen sind regelrechte Glaubenskämpfe ausgebrochen, oft verbunden mit gegenseitigen Vorwürfen, auf falschen Wegen unterwegs zu sein, vom ‚richtigen‘ Glaubensweg abzuirren“, fasste der Generalvikar die gegenwärtige Situation zusammen. Zuweilen würde das Evangelium sogar für „puren Rechtspopulismus“ missbraucht, wenn von christlichen Gruppierungen Resolutionen mit entsprechender Wortwahl, scharfen Urteilen und teilweise auch Lügen verfassen würden.

Stelle man diese Beobachtungen dem Evangelium gegenüber, werde schnell klar, dass „der verstehende, barmherzige Jesus, der jeden Menschen sieht, im völligen Gegensatz zu all denjenigen steht, die Aggressionen, Verurteilungen und offenen Hass verbreiten.“ Pfeffer appellierte, anderen Menschen nicht mit Verdacht und Misstrauens zu begegnen, sondern mit einer Haltung der Offenheit, des Verstehens und des Vertrauens. Das schließe die Bereitschaft ein, in einer pluralen Welt Vielfalt und Widersprüche auszuhalten. „Wir müssen lernen, nach Kompromiss und Ausgleich zu suchen“, so der Generalvikar.

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