Pastor Helmut Kassner feiert Gnadenjubiläum
Der Zweite Weltkrieg, seine eigene Kriegsgefangenschaft – für Helmut Kassner war diese Zeit entscheidend dafür, dass er Priester werden wollte. „Und wenn man dann heute an die Ukraine denkt. Diese Grausamkeit… Wir haben damals gedacht, es gibt nie wieder Krieg in Europa“, sagt der 95-jährige Pastor im Ruhestand, der bereits als 17-Jähriger als Flakhelfer eingesetzt wurde. Er erlebte, wie sein Geburtsort Gelsenkirchen-Schalke im November 1944 „total zerstört wurde“. Er erlebte den Tod von Freunden, Hunger und Not in der Kriegsgefangenschaft und auch in den Jahren nach Kriegsende. „Sie haben mich geprägt“, erklärt er, warum er 1947 sein Theologie-Studium begann. „Ich wollte immer für die Menschen da sein.“ Seinen Primizspruch hat er sich für seine Priesterweihe vor nun mittlerweile 70 Jahren entsprechend ausgesucht. „Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt“, heißt das Bibelzitat aus dem Johannesevangelium (Kapitel 13, Vers 35).
Am 29. März 1952 – fast sechs Jahre vor der Gründung des Bistums Essen – war Helmut Kassner gemeinsam mit insgesamt 20 weiteren jungen Männern aus seinem Studienjahrgang im Dom zu Paderborn zum Priester geweiht worden. Am Samstag, 2. April, 17.30 Uhr, wird sein „Gnadenjubiläum“ als Priester mit einer Heiligen Messe im Mauritiusdom in Hattingen-Niederwenigern gefeiert. „Wir haben schon geprobt“, sagt Helmut Kassner und ein jungenhaftes Lächeln huscht über das Gesicht des 95-Jährigen. Auch langjährige Weggefährten seiner früheren Stationen als Priester erwartet der gebürtige Schalker dann als seine Gäste.
Wechselnde Einsätze im Ruhrgebiet und im Sauerland
Für den Gelsenkirchener folgten im Anschluss an seine Weihe Aufgaben als Religionslehrer und Hausgeistlicher der Walburgisschule in Menden, als Vikar an St. Joseph Gelsenkirchen-Ückendorf, als Kaplan an St. Johann Baptist in Plettenberg-Eiringhausen sowie St. Matthäus in Altena. Als Rektor ecclesiae mit dem Titel Pastor war er ab 1968 und dann ab 1976 als Pfarrvikar in Altena in den Gemeinden St. Thomas Morus und Vom Frieden Christi tätig. Von 1977 an war Helmut Kassner dann insgesamt 20 Jahre als Pfarrer von St. Augustinus in Essen-Frohnhausen im Einsatz, bevor er 1997 nach Hattingen-Niederwenigern kam.
Als Erstes habe er sich für seinen Start in St. Mauritius einen Radiowecker gekauft, erzählt Helmut Kassner. „Damals gab es hier noch 27 Ordensschwestern in Niederwenigern, die begannen ihren Tag um 6 Uhr mit einer Messe. 6 Uhr! Mein lieber Scholli“, erinnert er sich an den Umzug in die Hattinger Gemeinde gleich hinter der Essener Stadtgrenze. Eigentlich habe er schon vor 1997 nach Niederwenigern kommen wollen. „Ich hatte mich beworben. Aber der damalige Bischof sagte, ich sei ein Stadtmensch und passe nicht hierhin“, erinnert sich der 95-Jährige. Vor 25 Jahren ging es dann aber doch nach Niederwenigern – als Pfarrer im Ruhestand mit besonderem Dienst. „Damals sagte mir der Personalchef des Bistums auf einmal, der Pfarrer vor Ort würde sich sehr freuen, wenn ich käme. Die Freude wollte ich ihm gerne machen“, sagt er, verschmitzt lächelnd. Auch nachdem Helmut Kassner mit 75 Jahren in Ruhestand ging, blieb er gerne in Niederwenigern. Seit Dezember 2020 wohnt er im Seniorenzentrum St. Mauritius, nur wenige Minuten vom Domplatz entfernt.
„Meinen Glauben hat mir meine Mutter Maria ins Herz gegeben“
Das einzige, was ihm dort fehle, seien ein Hammer, eine Kneifzange und Nägel und Schrauben. „Ich tüftel gerne“, erklärt der Priester seinen Wunsch. Das sei etwas, das ihm sein Vater Johannes – eigentlich Augenarzt – mitgegeben habe. Und auch wenn der Vater tief religiös war. „Meinen Glauben hat mir meine Mutter Maria ins Herz gegeben.“ Alle insgesamt fünf Geschwister verdankten ihr diesen Glauben. Wie Helmut Kassner wurde auch sein älterer Bruder Norbert Priester. Er sei sein Seelenverwandter gewesen. Bis zu Norbert Kassners Tod im Jahr 2015 fuhren die beiden Brüder zusammen in den Urlaub und unternahmen viel gemeinsam.
Aktiv zu bleiben ist Helmut Kassner auch heute, mit 95 Jahren, immer noch wichtig. Jeden Tag dreht er seine Runde durch den Ort. „Dann treffe ich alle möglichen Leute, dann heißt es ,Ach, Herr Pastor‘ und es entwickeln sich Gespräche“, erzählt Helmut Kassner erfreut. So wie die Menschen auf ihn zugingen, mit ihm umgingen, „muss ich als Pfarrer doch gut gewesen sein“, sagt er mit seinem für ihn typischen schelmischen Lächeln. „Was man anderen an Aufmerksamkeit und Zuwendung schenkt, bekommt man immer zurückgeschenkt. Das gehört für mich zum Priesterleben. Das ist das Brot, von dem wir als Priester leben.“
„Du warst immer mitten unter den Menschen“
Pastor Kassner spendete Nikolaus-Groß-Krippenfigur
Im Oktober 2016 erhielt Helmut Kassner den zum ersten Mal vergebenen St-Georgs-Preis als Würdigung für sein Wirken als Priester in der Mauritiusgemeinde und der Pfarrgemeinde St. Peter und Paul.
Seit Dezember 2020 gehört durch eine Spende von Helmut Kassner eine besondere Figur zur Krippe von St. Mauritius. 85 Zentimeter groß und aus Holz ist die Darstellung von Nikolaus Groß, 1945 gehenkter Arbeiterführer und Widerstandskämpfer aus Niederwenigern. Ein Holzbildhauermeister aus Oberstdorf im Allgäu fertigte die Figur.
In Niederwenigern hat er über die Jahre viele Menschen gefunden, mit denen er sich auch jetzt noch regelmäßig trifft. Über einen Satz eines Freundes aus diesem Kreis freut er sich aktuell gerade besonders. Mit Blick auf das anstehende Priesterjubiläum habe er über ihn gesagt: „Du warst immer mitten unter den Menschen.“ Genau das sei ihm in seiner Zeit als Priester immer sehr wichtig gewesen. „Wirklich wichtig in der Kirche sind weder repräsentative Gotteshäuser noch die ,Folklore‘ mancher überladener Traditionen“, formulierte er es schon vor Jahren, „wir sollen nicht die Steine erhalten. Die Bausteine der Kirche sind wir selbst.“
Beim Blick zurück auf sein Leben sei er froh über sein „tiefes Gottvertrauen. „Sogar in der Kriegsgefangenschaft habe ich immer nach vorne geschaut, bin immer positiv gewesen. Ich kenne keine Resignation. Der Blick geht nach vorne. Und ich kann lachen, über Situationen und über mich selbst.“ (Kook)