von Cordula Spangenberg

Overbeck: „Bleiben wir in der gegenwärtigen Zeitenwende beieinander“

Der Essener Bischof plädiert dafür, auf dem „Synodalen Weg“ verschiedene Standpunkte auszuhalten und das gemeinsame Fundament des Glaubens zu pflegen

„Im gemeinsamen Suchen und Ringen zeigt sich Gottes Geist“

„Die Kirche muss kleiner und demütiger zu werden und damit auch unsicherer, verletzbarer und suchender“

„Keine Mauern verfestigen, mit denen Frauen die Teilhabe an der Mitverantwortung verweigert wird“

Zu einer breiten Beteiligung der Pfarreien und Gemeinden an den Themen und Debatten des „Synodalen Wegs“ der katholischen Kirche ruft Bischof Franz-Josef Overbeck am Neujahrstag auf. Auch wenn manche sich schnellere Entwicklungen wünschten, bittet der Bischof darum, in der gegenwärtigen „Zeitenwende“ beieinander zu bleiben, verschiedene Standpunkte auszuhalten und darauf zu setzen, dass sich im gemeinsamen Suchen und Ringen Gottes Geist zeige.

Die Glaubwürdigkeit der Kirche und das Vertrauen in Bischöfe und Priester seien erschüttert, „das Leid vieler Menschen schreit zum Himmel und beschämt uns“. Daraus müssten die Katholiken vor allem lernen, dass die Kirche kein Selbstzweck sei, sondern den einzelnen Menschen und ihren Nöten zu dienen habe. Die Kirche könne sich nicht einrichten in dem, was angeblich ewig so bleiben müsse, sondern müsse lernen, kleiner und demütiger zu werden und damit auch unsicherer, verletzbarer und suchender.

Unterschiedliche Weisen der Nachfolge Jesu

„Die frohe Botschaft Jesu soll eine Herzensangelegenheit für uns werden“, so Overbeck, also kein festgeschnürtes Paket aus Rezepten und Anweisungen sein. Denn es gebe unterschiedliche Weisen, die Nachfolge Jesu zu leben und dabei ein gemeinsames Fundament zu behalten. Auch wenn Verluste hinzunehmen seien und die Christen zur Minderheit würden, bleibe der innere Kern bestehen: Treu zum Glauben zu stehen, Eucharistie und Gebet zu pflegen, Glaubensweitergabe zu versuchen, Caritas und die Sorge um die Menschen in Not zu leben und dadurch eine glaubwürdige Gemeinschaft zu sein. „Keiner von uns ist der gute, keine anderen sind gar die Besseren, die sich erheben dürften über andere. Wir sind Suchende und Lernende“, sagt der Essener Bischof.

Angesichts des Missbrauchsskandals müsse nun auf dem „Synodalen Weg“ über die Lebensformen der Priester geredet und Konsequenzen gezogen werden. Die schwindende Zahl der Priester stelle die sakramentale Grundstruktur der Kirche in Frage, weil das Weiheamt die Verbindung zum Ursprung der Kirche und zu Jesus Christus darstelle: „Mehr als fahrlässig wäre es, solche Entwicklungen nicht ernst zu nehmen und auch nicht als Anruf Gottes zu verstehen.“

Sehnsucht der Menschen nach verlässlicher Beziehung

Zu den Lebensweisen der Menschen äußere die Kirche sich künftig in einer Welt bisher ungeahnter Freiheit. Es gebe verschiedene sexuelle Orientierungen und Geschlechterzuschreibungen, Beziehungen würden nicht mehr unter moralischen Kategorien gelebt, und dennoch komme die große Sehnsucht der Menschen dem Evangelium sehr nah: „Denn gesucht werden verlässliche und verbindliche Beziehungen, die von echter und verbindlicher Liebe geprägt und von Dauer sind“, so Overbeck.

In Fragen der Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern gibt der Essener Bischof an, in jüngster Zeit „sehr nachdenklich“ geworden zu sein: „Wir sind in unserer Kirche gut beraten, heute keine Mauern auf Dauer zu verfestigen, mit denen Frauen die Teilhabe an der Mitverantwortung verweigert wird.“

Diese Themen des „Synodalen Weges“ beträfen keineswegs nur die Struktur der Kirche, sondern auch zutiefst geistliche Fragen: „Die Evangelisierung unserer Kirche lässt sich nicht trennen von unseren Strukturen. Es kommt vielmehr darauf an, dass unsere Strukturen dem Evangelium entsprechen.“

Bischof Franz-Josef Overbeck: Neujahrspredigt 2020

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