von Thomas Rünker

NRW-Krankenhausreform: Bischof Overbeck sieht Chance für gerechtere Gesundheitsversorgung

In der Bistumsakademie „Die Wolfsburg“ hat Bischof Franz-Josef Overbeck am Mittwochabend mit NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) und dem Bochumer Klinikchef Christoph Hanefeld über die Auswirkungen der jüngst in Kraft getretenen Krankenhausreform gesprochen. Overbeck würdigte die mit der Reform verbundene Zentralisierung und Spezialisierung: „Je mehr Know-how bei der Heilung zusammenkommt, desto besser.“

Overbeck: Je mehr Know-how bei der Heilung zusammenkommt, desto besser

Minister Laumann: Weiter flächendeckende Vor-Ort-Versorgung

Klinik-Chef Hanefeld: Konzentration auf spezialisierte Kliniken verbessert Patientenversorgung

Für den Essener Bischof Franz-Josef Overbeck ist die in dieser Woche in Kraft getretene NRW-Krankenhausreform eine Chance für mehr Fairness in der Gesundheitsversorgung. „Die Reform kann ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit sein“, sagte der Ruhrbischof am Mittwochabend in der Bistumsakademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim. Wenn die Hochleistungsmedizin für besonders schwere Erkrankungen in Kliniken konzentriert wird, die diese am besten behandeln können, „werden künftig nicht mehr nur diejenigen gut versorgt, die gut informiert sind“, so Overbeck. Zudem gelte: „Je mehr Know-how bei der Heilung zusammenkommt, desto besser.“ Er sprach bei einem Podiumsgespräch in der Reihe „Dialoge mit dem Bischof“ mit NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) und dem Kardiologie-Professor Christoph Hanefeld, Ärztlicher Vorstand des Universitäts-Klinikums Bochum und Medizinischer Geschäftsführer des Katholischen Klinikums Bochum, über die Auswirkungen der Reform, die Overbeck als „Solidarpakt mit durchaus christlichen Wurzeln“ beschrieb.

Den Handlungsdruck im Gesundheitswesen verdeutlichte Peter Güllmann, Vorstandssprecher der Bank im Bistum Essen (BiB), die gemeinsam mit der „Wolfsburg“ zu den „Dialogen mit dem Bischof“ einlädt: „Deutschland zählt zu den Ländern mit den meisten Arztbesuchen pro Kopf, verzeichnet im internationalen Vergleich die meisten Hüft-Operationen und gibt gemessen an der Einwohnerzahl das meiste Geld für die Gesundheit aus. Trotzdem liegt unsere Lebenserwartung unter dem EU-Durchschnitt. Machen wir da etwas falsch?“, fragte Güllmann, dessen Bank viele Krankenhäuser an Rhein und Ruhr finanziert. So weiß der Bank-Vorstand aus erster Hand, dass ein Großteil der Kliniken derzeit rote Zahlen schreibt - trotz der Milliarden-Summen im Gesundheitssystem.

Weg von einer Klinikplanung nach Betten-Zahlen – hin zu Leistungsgruppen

Laumann skizzierte den mit der Reform verbundenen grundsätzlichen Wechsel in der Krankenhausplanung: Weg von einer Orientierung an Betten-Zahlen, hin zu einer Planung über sogenannte Leistungsgruppen, in denen jeweils bestimmte Behandlungen – z.B. Hüft-Prothesen, Wirbelsäuleneingriffe oder Krebs-Therapien – zusammengefasst sind. Kliniken konnten sich in den vergangenen Jahren dafür bewerben, künftig bestimmte Leistungsgruppen anzubieten. Gerade bei komplizierten, aber meist gut planbaren Eingriffen haben nicht alle Kliniken einen Zuschlag erhalten. So will das Land verhindern, dass mehrere Kliniken, die räumlich nah beieinander liegen, teure Geräte und Fachpersonal für die gleichen Behandlungen vorhalten – und diese Ressourcen womöglich an allen Standorten nicht ausgelastet sind. Zugleich sollen Schwerpunkte in den Angeboten der einzelnen Krankenhäuser aufgebaut werden, die durch hohe Fallzahlen die Kompetenz steigern. „Zentren bedeuten höhere Überlebenschancen“, brachte es Laumann auf den Punkt. Zugleich werde es gerade für Notfälle, aber auch für die Nachsorge nach Eingriffen in einem medizinischen Zentrum, auch im ländlichen Raum weiterhin eine flächendeckende Vor-Ort-Versorgung geben, betonte der Minister. „In NRW sollen 90 Prozent der Menschen in 20 Minuten eine Klinik erreichen.“ Bundesweit liege die Zielvorgabe bei einer halben Stunde.

„Das bisherige System hat Fehlanreize gegeben“, unterstrich der Bochumer Klinik-Chef Hanefeld den Reformbedarf. In Deutschland gebe es wohl weltweit „das Gesundheitssystem, das den Menschen den einfachsten Zugang ermöglicht“. Zugleich „geben wir sehr viel Geld aus für Dinge, die nicht notwendig wären – das müssen wir ändern“. Hanefeld betonte: „Dass es nicht so weitergeht, wie in den vergangenen 20 Jahren, war eigentlich jedem klar.“ Deshalb hätten sich vielerorts bereits in den vergangenen Jahren Kliniken zu größeren Verbünden zusammengeschlossen und spezialisiert, „aber andere eben auch nicht“. Auch der Mediziner zeigte sich überzeugt, „dass die Konzentration auf Kliniken, die sich spezialisiert haben, den Patienten zugutekommt“.

Hanefeld verwies zudem neben der Krankenhausplanung – die Sache der Bundesländer ist – auf die Finanzierung der laufenden Betriebskosten, für die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) noch in der alten Regierung eine Reform vorgelegt hatte. Hanefeld begrüßte die darin vorgesehene Kombination aus Vorhaltepauschalen – also Geldern für OP-Säle, Maschinen und Personal, die unabhängig von Fall-Zahlen gezahlt werden – und der Abrechnung konkreter Behandlungen. „Es ist gut, dass es weiter einen gewissen Druck für die Kliniken gibt, effizient zu arbeiten, dies nun aber auch durch eine finanzielle Grundversorgung ergänzt wird.“ Laumann, der Teil der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD für die neue Bundesregierung ist, kündigte an, dass auch die neuen Koalitionäre derzeit grundsätzlich an dem Gesetz festhalten, es aber in einigen Teilen flexibler gestalten möchten.

Großer Nachholbedarf bei der Digitalisierung

Nach Laumanns Ansicht habe NRW mit der Klinikreform „Krankenhausgeschichte in Deutschland geschrieben“. Auch andere Bundesländer überlegten derzeit, künftig nach dem NRW-Modell zu arbeiten. Laumann und Hanefeld machten indes deutlich, dass die aktuellen Reformen auf Landes- und Bundesebene nur zwei von zahlreichen Bausteinen in einer Umgestaltung des Gesundheitswesens sind. Beide brachten das Thema Digitalisierung ins Spiel. „Da haben wir im Gesundheitssystem großen Nachholbedarf“, sagte Laumann und verwies auf die Krankenkassen. „Jede Kasse rechnet anders ab. Wenn wir das bei den Banken hätten, würden wir alle noch mit Verrechnungschecks herumlaufen.“ Auch Hanefeld sieht Nachholbedarf bei der Digitalisierung. „Innerhalb der Kliniken klappt das schon ganz gut. Aber die Verknüpfung mit den niedergelassenen Ärzten muss noch besser werden.“ Laumann sieht zudem große Potentiale in der Telemedizin – also zum Beispiel einer Beratung per Videoanruf –, möchte Bagatelleinsätze mit teuren Rettungswagen reduzieren und Arztpraxen entlasten, in dem einfache Dienstleistungen wie Blutdruck-Messen künftig stärker von Apotheken übernommen werden.

Gesundheitswesen ist auf Solidarität angewiesen

Neben allen strukturellen Veränderungen brauche das Gesundheitssystem „aber auch eine Haltung, dass man bestimmte Dinge einfach nicht tut“, appellierte Laumann an die Solidarität der Menschen. Das System werde nicht funktionieren, wenn jeder versucht, das Maximale für sich herauszuholen. „Einen Facharzttermin einfach platzen zu lassen, ist sehr unsolidarisch.“ Gleiches gelte, wenn man ohne triftigen Grund einen Kranken- oder Rettungswagen rufe. Der Mediziner Hanefeld ergänzte zudem: „Wir können alle etwas dafür tun, weniger krank zu werden.“ Wissenschaftliche Daten zeigten klar, wie man mit guter Gesundheits-Prävention frühe Todesfälle vermeidet.

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