von Thomas Rünker

Norbert Röttgen: „Es geht darum, den Krieg zu besiegen“

In der Mülheimer Bistumsakademie „Die Wolfsburg“ hat der CDU-Außenpolitiker aus seinem Buch „Demokratie und Krieg“ gelesen und sich in der aktuellen Wehrdienst-Disskussion für verpflichtende Elemente ausgesprochen.

Wenn es um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands geht, führt für den CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen an einer maßvollen Wiedereinführung der Wehrpflicht kein Weg vorbei. Er erwarte nicht, dass ein rein auf Freiwilligkeit beruhender Wehrdienst die Personalstärke der Bundeswehr ausreichend erhöht, erklärte er am Mittwochabend, 27. August 2025, in der Mülheimer Bistumsakademie „Die Wolfsburg“.

Nur wenige Stunden zuvor hatte das Bundeskabinett in Berlin den von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorgelegten Plan gebilligt, künftig alle 18-Jährigen anzuschreiben und zu einem Online-Fragebogen einzuladen. Männer sollen diesen Fragebogen ausfüllen müssen und ab Mitte 2027 auch verpflichtend gemustert werden. Pistorius‘ Plan sieht aber keine Rückkehr zur tatsächlichen Wehrpflicht vor. Dies möchte Röttgen im nun beginnenden Gesetzgebungsverfahren ändern. Durch ein rein freiwilliges Verfahren werden sich nicht genügend Wehrdienstleistende melden, so seine Einschätzung, „deshalb brauchen wir einen Pflicht-Mechanismus“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion.

Vor dem Publikum in der „Wolfsburg“, dessen männlicher Anteil mehrheitlich noch selbst mit der bis 2011 geltenden Wehrpflicht konfrontiert gewesen sein dürfte, betonte Röttgen mehrfach, dass es bei einer neuen Wehrpflicht nicht mehr um das Einziehen kompletter Jahrgänge gehen werde. Stattdessen verwies er auf das schwedische Modell, bei dem ebenfalls alle 18-Jährigen per Fragebogen nach Motivationen, Interessen und Fähigkeiten befragt werden, dann aber nur ein Teil gemustert und nach der Musterung nur einzelne Personen gezielt angesprochen und zum Dienst an der Waffe verpflichtet werden. „Wenn man den jungen Menschen sagt: ,Wir haben dich ausgesucht, weil du mit dem was du kannst, etwas für Schweden tun kannst,‘ dann erreicht man die jungen Menschen“, berichtete Röttgen aus Gesprächen in Schweden.

Röttgen liest aus „Demokratie und Krieg“

Die Wehrpflicht-Debatte ist ein Paradebeispiel für die Fragestellungen, die Röttgen in seinem Buch „Demokratie und Krieg“ aufgeworfen hat, das die Basis des Diskussionsabends in der „Wolfsburg“ bildete. „Die äußeren Gefahren haben auch eine innere Dimension für unsere Demokratie“, betonte Röttgen. Die „Rückkehr des Kriegs nach Europa“, aber auch die Konflikte im Nahen Osten sorgten innenpolitisch für Diskussionen, die sich vor wenigen Jahren kaum jemand hätte vorstellen können. Beispielhaft verwies er auf die Aufhebung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben, die Diskussion über Rüstungsprojekte – oder eben die Wehrpflicht.

Ausführlich ging Röttgen zudem auf die veränderte Haltung der USA unter Präsident Donald Trump ein: „Die heutige US-Außenpolitik stellt einen Bruch mit der Politik seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs dar“, betonte Röttgen. Deutschland und Europa sollten Trump und die USA dennoch nicht aufgeben, immerhin gebe es in gut drei Jahren eine neue Präsidentschaftswahl. „Aber zum ersten Mal seit 1945 ist die Wiederherstellung von Frieden und Freiheit in Europa im Kern eine europäische Angelegenheit geworden“, hob Röttgen hervor, „das ist ein fundamentaler Unterschied.“

Röttgen stimmte manchen „Wolfsburg“-Gästen zu, die darauf verwiesen, dass auch US-Präsidenten vor Trump mehr Engagement der Europäer in Sachen Verteidigung geforderte hätten und sagte: „Darauf haben wir uns nicht vorbereitet.“ Überhaupt habe es in der deutschen Politik große Tendenzen gegeben „den Status quo beizubehalten“, obwohl es auch vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine schon Hinweise auf ein erhöhtes Bedrohungsszenario gegeben hätte. Die Veränderungen hin zu einer besseren Verteidigungsbereitschaft, die damals nicht angestoßen wurden, müssten nun nachgeholt werden, so Röttgen. Dabei frage auch er sich: „Muss das wirklich alles sein? Ist das nicht eine Verengung in die Militarisierung, der Weg in einen Teufelskreis?“. Aber er komme immer wieder zu der Analyse: „Ich erkenne nicht, dass Putin an irgendeiner Stelle eine Andeutung zu Zugeständnissen macht.“ Vielmehr bleibe der Eindruck, dass Putin „die Geschichte korrigieren, aus Russland wieder ein Imperium machen und die Ukraine durch Krieg eliminieren will.“ An dieser „finsteren Entschlossenheit“ gebe es für ihn keine Zweifel, so Röttgen. Dabei sei „die militärische Verteidigungsfähigkeit nicht die Lösung des Konflikts“, hob er hervor. Kein Krieg werde militärisch gelöst. „Aber aus meiner Sicht ist unsere Fähigkeit als Europäer, dem Krieg den Erfolg zu versagen, die Bedingung dafür, dass es zu politischen Lösungen kommen kann.“ Es gehe nicht darum ein Land zu besiegen, „sondern den Krieg zu besiegen“.

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