von Cordula Spangenberg

„Stark und berührend – Gebete in der Heimatsprache“

Jeder sechste katholische Christ im Ruhrbistum gehört einer mut-tersprachlichen Gemeinde an, feiert seine Gottesdienste also in der Regel nicht auf Deutsch. Auch wenn die allermeisten dieser Men-schen gut in die deutsche Gesellschaft integriert sind, bleiben Ihnen Gebete und Lieder in der Sprache der früheren Heimat sehr wichtig.

Die Ruhrregion ist ein Schmelztiegel der Nationen – das gilt auch für die Katholikinnen und Katholiken im Bistum Essen. 14 Sprachgruppen finden sich unter dem Dach des Ruhrbistums in muttersprachlichen Gemeinden zusammen, mehr als 120.000 Gläubige haben ihre geistliche Heimat in diesen Gemeinden. Das heißt: Rund jeder Sechste der 724.000 katholischen Gläubigen im Bistum Essen feiert seinen Sonntagsgottesdienst in einer Muttersprache, die nicht die deutsche ist.

Kroatische Gemeinde: „Wir beten immer zusammen“

„Auf Deutsch zu beten, ist nicht das gleiche Gefühl“, versucht die Gemeindereferentin Dragica Vidovic zu erklären, was die Zugehörigkeit ausmacht. In ihrem kroatischen Heimatland bilden die Katholiken mit rund 86 Prozent weit die Mehrheit, ihre Kirche spielt dort gesellschaftlich eine starke Rolle. Diese Kirchenzugehörigkeit leben die fast 10.000 Kroaten im Ruhrbistum auch hier. „Wo wir auch leben: Wir beten immer zusammen“, sagt Vidovic. Auch Jugendliche, die hier geboren wurden und besser Deutsch als Kroatisch sprechen, kämen dennoch zuverlässig zu den Jugendtreffen ihrer kroatischen Gemeinde: „Die brauchen diese Zugehörigkeit.“ Dem großen Gottesdienst am Heiligen Abend in Gelsenkirchen mit üblicherweise 500 Teilnehmern machen die Corona-Regeln wieder einen Strich durch die Rechnung. Zwei Gottesdienste à 160 Gläubige, in Bochum mit je 60 Feiernden – das geht in diesem Jahr.

Polnische Gemeinde: Feiern genau wie in Polen

Eine starke katholische Kirche im Herkunftsland, hohe Zugehörigkeit und eine stabile Gottesdienstgemeinschaft: Ähnlich wie der kroatischen Gemeinde geht es den polnischstämmigen Katholiken im Ruhrgebiet. Mit knapp 77.000 Mitgliedern bilden sie die größte muttersprachliche Gruppe, verteilt auf alle zehn Städte und Kreise des Ruhrbistums. „In Bochum haben wir die Kirche St. Joseph zur alleinigen Benutzung, müssen deshalb natürlich auch reparieren, Rasen mähen, Laub fegen und die Kirche putzen“, sagt Pater Teodor Puszcz. Den Freiraum der eigenen Kirche nutzt die polnische Gemeinde, um die Traditionen der Heimat zu pflegen, also nicht nur eine Weihnachtskrippe, sondern zu Ostern auch den Ölberg und das Heilige Grab aufzubauen. In der Fastenzeit kommen die Gläubigen regelmäßig zum Kreuzweg-Gebet zusammen, im Mai und Oktober zum Rosenkranz und im Juni verehren sie das Herz Jesu. Alle religiösen Familienfeiern feiern sie genau wie in Polen – auch wenn die meisten schon in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland leben. „Sie fühlen sich im Herzen polnisch“, sagt Pater Puszcz über seine Gemeindemitglieder. 

Italienische Gemeinde: Mit 20.000 Mitgliedern zweitgrößte nationale Gruppe

Traditionelle Feste und Treffen in der Heimatsprache geben alten Menschen wie auch neu zugezogenen Familien der italienischen Gemeinde ein Zuhause-Gefühl. Mit fast 20.000 bilden die Italiener die zweitgrößte Muttersprachen-Gruppe im Bistum Essen. Die meisten gehören der zweiten Auswanderergeneration an, entsprechend wird inzwischen fast jede zweite Ehe mit einem nichtitalienischen Partner geschlossen.

Syrisch-katholische Gemeinde: Nikolaus-Geschenke für 120 Kinder

Wesentlich kleiner mit ihren 1.300 Mitgliedern und auch internationaler ist die syrisch-katholische Gemeinde. Die meisten sind nach 2015 aus dem Raum Mossul im Nordirak gekommen, einige Familien stammen aus Syrien. Gemeindemitglied Teral Eshaq hat ein Gottesdienstheft mit den wichtigsten Texten auf Syrisch, Arabisch, Aramäisch und Deutsch erstellt, damit jeder seine Sprache finden kann. Das Heft findet deutschlandweit in syrisch-katholischen Gottesdiensten Verwendung. Aber, sagt Eshaq, sollte bei einer Taufe in der Gemeinde ein deutscher Küster assistieren, spreche man auf jeden Fall Deutsch. Wie alle anderen müssen auch die syrisch-aramäischen Katholiken Corona-bedingte Abstriche an ihren Weihnachtsfeierlichkeiten machen. Dafür ist aber eine kleine Gruppe in vier Autos nach Essen, Gelsenkirchen, Bottrop und Mülheim gefahren, um den 120 Kindern der Gemeinde Nikolaus-Geschenke nach Hause zu bringen.

Spanischsprachige Gemeinde: 21 Herkunftsländer

Wirklich international mit ihren 21 Herkunftsländern, 19 davon in Lateinamerika, ist auch die spanischsprachige Gemeinde mit ihren 5.800 Mitgliedern. „Es gibt sehr viele binationale Paare“, sagt Pater Juan Maria García Latorre, „selten habe ich eine Taufe oder eine Trauung, bei der ich nur Spanisch sprechen muss. In der Regel sind immer zwei Sprachen im Spiel, und wenn die Braut aus Spanien, der Mann aus Italien und die Gäste aus Deutschland kommen, dann haben wir schon drei Sprachen.“ Und natürlich spielen Latino-Rhythmen, Gesang und Tanz eine große Rolle im Gottesdienst und Gemeindeleben. Weniger wichtig ist den Spanischsprechenden ihre nationale Identität. „Natürlich denken sie an ihre eigene Heimat, aber es gibt keine Feindlichkeit zwischen verschiedenen Landsleuten“, erklärt Pater Juan, selbst baskischer Herkunft und seit 40 Jahren in Deutschland, „es gibt tolle Witze zwischen den Ländern, aber sie bringen die Menschen nur zum Lachen, nicht zum Kämpfen.“

Englischsprachige afrikanische Gemeinde: Singen, tanzen, klatschen

Singen, tanzen, klatschen: Überaus lebendig geht es auch in den Gottesdiensten der englischsprachigen afrikanischen Gemeinde zu, die seit 14 Jahren in der Essener Gemeinde St. Gertrud zu Hause ist. Weihnachten wird eigentlich als großes gemeinsames Fest gefeiert mit heimischen Gerichten, Tanz, Komödien und Folklore. Und auch übers Jahr unternehmen die Gemeindemitglieder häufig etwas miteinander. Sie stammen aus den englischsprachigen Ländern Kamerun, Kenia, Tansania, Ruanda, Ghana und Nigeria – an besonderen Kulturtagen werden aber Gottesdienst auch indigene Muttersprachen wie Igbo, Akan oder Swahili verwendet. Außerdem gibt es noch eine kleinere französischsprachige afrikanische Gemeinde.

Korea, Philippinen, Vietnamesen, tamilische Katholiken

Mit einigen wenigen hundert Mitgliedern sind Katholiken aus Südostasien im Ruhrgebiet vertreten: Koreaner, Philippiner, Vietnamesen und Tamilen. In ganz Deutschland gibt es rund 40 katholische Tamilengemeinden, deren Mitglieder teils schon seit Generationen in Deutschland leben, und die alljährlich im August durch eine gemeinsame Wallfahrt nach Kevelaer mit 10.000 Beteiligten von sich reden machen. Die Wallfahrt ist – zumindest außerhalb der Pandemie-Zeiten – auch ein großes Familientreffen. „Gemeinsam in der Heimatsprache zu beten“, sagt Gemeindemitglied Trevin Niraj, „das ist sehr stark und berührend.“

Pressestelle Bistum Essen

Zwölfling 16
45127 Essen