Motoröl statt Weihwasser - junge Kirche betet an der Tankstelle

Junge Kirche "cross#roads" feierte Freiluft-Gottesdienst an Deutschlands ältester Tankstelle in Essen-Holsterhausen. Eine Tankstelle, "bei der es längst nicht nur um Sprit geht", wie Diakon Hans-Walter Henze feststellte.


Junge Kirche „cross#roads“ lädt zum Gebet zwischen Zapfsäulen 

Motoröl statt Weihwasser, Benzingeruch statt Kerzenduft – der Ort, den sich die Junge Kirche „cross#roads“ am Donnerstag für ihren Freiluft-Gottesdienst ausgesucht hatte, ist mehr als ungewöhnlich. Deutschlands älteste Tankstelle an der Essener Gemarkenstraße dient an diesem Abend nicht nur als Kulisse, sondern ist integraler Bestandteil dieser besonderen Gebetsrunde. Zu der haben sich angesichts von Nahverkehrs-Streik und Bombenentschärfung zwar lediglich rund ein Dutzend Gläubige auf dem Hinterhof im Stadtteil Holsterhausen versammelt – doch diese kleine Gemeinde erlebt einen ausgesprochen skurrilen und dennoch besinnlichen Gottesdienst.

In dessen Fokus steht ein hölzernes Kruzifix, dass Diakon Hans-Walter Henze in eine Sprudelkiste gesteckt hat, damit es auf dem gepflasterten Garagenhof Halt hat. Um das Kreuz stehen die Gläubigen im Kreis – mit dabei Tankwart Manfred Milz-Caspar. In einem kurzen Interview berichtet er zu Beginn von den Besonderheiten der kleinen, in diesem Jahr 90 Jahre alten „Tankstelle mit Herz“, wie Milz-Caspar sagt: „Wer hier hinkommt, wird von A bis Z bedient“, sagt er – und greift gleich wieder zum klingelnden Funktelefon: „Ja, haben wir noch. So drei Six-Packs müssten noch da sein“ ruft Milz-Caspar ins Telefon, der neben Sprit auch Getränke im Sortiment hat. In der kleinen Gebetsgemeinschaft macht sich Grinsen breit: „Einen Gottesdienst, in dem live Bier verkauft wird, hatte ich auch noch nicht“, meint einer.

Dann erzählt der Tankwart weiter: „Zu uns kommen nur Stammkunden. Neue Kunden finden den Weg kaum zu uns – das ist hier fast wie bei der Kirche“, sagt er mit einem Schmunzeln. „Die jungen Leute wollen nur sparen. Die geben das Geld mit vollen Händen aus – aber sparen beim Sprit.“ Bei ihm bezahlt die Kundschaft den Rundum-Service mit ein paar Cent Aufschlag auf den Liter Sprit, verglichen mit der Konkurrenz. Dafür sind Milz-Caspars Tarife konstant. Er zeigt auf seine Preistafel: „Die habe ich seit einem Monat nicht geändert.“ Und sein „Rundumservice“ bezieht sich nicht nur aufs Auto, betont der Tankwart. Bei ihm hat auch schon mal ein Stammkunde angerufen, weil sich dessen Frau von ihm getrennt hat. „Der ist dann vorbei gekommen und wir haben bis abends um neun geredet.“ Seelsorge zwischen Öldosen und Zapfpistolen.

Aus einem Dachfenster der umliegenden Wohnhäuser verfolgt ein neugieriger Nachbar die Szene an der Tankstelle. Mittlerweile schallt eine poppige Gesangs-Versions des Psalms vom guten Hirten über den Hof. Dann sollen die Gottesdienst-Besucher in kleinen Gruppen überlegen, wo denn ihre persönlichen „Tankstellen“, ihre Kraftquellen sind, wo sie als Menschen „auftanken“. Diakon Henze führt die Runde wieder zusammen und lädt zum gemeinsamen Vaterunser-Gebet – als ein silbergrauer Mini auf den Hof fährt und rückwärts an die Zapfsäule setzt. Milz-Caspar greift zu Wischwasser und Schwamm, das Geschäft geht vor. Und so läuft literweise Super bleifrei in den Tank des kleinen Autos mit einem irritierten Fahrer, als Diakon Henze keine fünf Meter weiter den Abschluss-Segen spricht.

„Das ist unsere Art, Gottesdienst zu feiern“, sagt im Anschluss „cross#roads“-Jugendreferentin Petra Rath, „wir möchten raus gehen, dahin, wo die Menschen sind.“ Gerade so, wie es unter dem Stichwort „nah“ auch im Zukunftsbild des Ruhrbistums steht. Und Diakon Henze bekräftigt: „Dieser Ort hier ist etwas Besonderes. Klar ist das eine Tankstelle – aber es geht hier längst nicht nur um Sprit.“ Und auch wenn es nach Tankwart Milz-Caspar geht, muss der erste Gottesdienst in der 90-jährigen Tankstellen-Geschichte nicht der letzte gewesen sein. (tr)

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