von Thomas Rünker

Mit Kultur und konstruktivem Streit die Gesellschaft gestalten

Beim Jahresempfang des Ruhrbischofs in der Mülheimer Bistums-Akademie „Die Wolfsburg“ stand der gesellschaftliche Wandel im Fokus. Moderiert von der neuen Akademiedirektorin Judith Wolf diskutierte der Bischof mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters und dem Duisburger Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte.

Impulse aus der Kultur, konstruktiver Streit und eine gute Portion Gelassenheit sind nach Ansicht von Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck, Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und dem Duisburger Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte wichtige Helfer, wenn es darum geht, den gesellschaftlichen Wandel zu gestalten. Beim Jahresempfang des Bischofs folgten am Montagabend rund 400 Gäste aus Kirche und Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in der Mülheimer Bistumsakademie „Die Wolfsburg“ dem Podiumsgespräch rund um den „Gesellschaftlichen Wandel in Krisenzeiten“ – engagiert moderiert von der neuen Akademiedirektorin Judith Wolf.

„Kultur holt Menschen aus ihren Echokammern heraus.“

„Ich bin überzeugt, dass Kunst und Kultur das Verstehen fördern können – und dies mit einer großen emotionalen Kraft“, hob Grütters den Beitrag der Kultur für den gesellschaftlichen Zusammenhalt hervor – gerade in Zeiten großer Verhärtungen und Spaltungen. „Kultur holt Menschen aus ihren Echokammern heraus.“ Mit Blick auf nationalistische Tendenzen warnte Grütters jedoch vor einer Kulturpolitik, die „die Kultur zur Dienstmagd einer Weltanschauung“ mache. „Wehret den Anfängen“, sagte die Kulturstaatsministerin und verwies auf Polen, Ungarn und Tschechien, wo das Leitungspersonal von Kultureinrichtungen zum Teil nach ideologischen Kriterien ausgewählt würde. Und sie verwies auf lokale deutsche Parlamente mit rechtspopulistischen Parteien. Nach einer Wahl würden oft zunächst die vermeintlich wichtigen Aufgaben unter den großen Fraktionen verteilt – „und dann landet die Kultur plötzlich bei der AFD“. Kulturschaffende hätten Angst davor, „eingepresst“ zu werden, so Grütters.

„Wir wählen die Extremisten des Normalen“

„Kunst und Kultur sind Elemente der Freiheit“, sagte der Politikwissenschaftler Korte, „aber die Rechten sind nicht an Freiheiten interessiert – das Abgrenzende ist das, was Extremismus ausmacht.“ Korte sieht jedoch kein automatisches Abrutschen der deutschen Gesellschaft in Richtung Rechts, es gebe „keinen Anlass, dass sich bestimmte internationale Trends hier fortsetzen“. „Wir haben es selbst in der Hand, wenn wir nicht wollen, dass aus unseren 20er Jahren die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts werden.“ Unter den Deutschen gebe es „nach wie vor eine sehr mittige Links-Rechts-Verordnung“, so Korte. 73 Prozent ordneten sich der politischen Mitte zu, „die Mitte verändert sich, aber sie wird nicht kleiner“. Dass es „ein neues rechtes Angebot“ gebe, liege an den bisherigen Parteien, die „machtarrogant Themen ausgeschlossen“ hätten. So lange diese Themen nicht ideologisch aufgeladen, würden hätten sie indes auch alle Chancen, „Wähler mit einem klaren Leistungsversprechen zurückzugewinnen“. Die Deutschen seien „stabilitätsfanatisch“, sagte Korte, der der Bundesrepublik auch für das Jahr 2030 „ein stabiles Vielparteiensystem“ prognostiziert. „Wir wählen die Extremisten des Normalen, so etwas wie Trump würden wir nie akzeptieren.“ Korte verwies auf die historische Dimension der kommenden Bundestagswahl, weil die Amtsinhaberin nicht mehr antrete. „Angela Merkel hat die Chance, würdevoll bedeutungslos zu werden – auf so etwas wären wir Männer nie gekommen“, bemerkte der Wissenschaftler mit einem Schmunzeln.

Bischof wirbt für stilbildende Konfliktkultur

Stabilität ist aus Sicht von Ruhrbischof Overbeck auch ein Beitrag, den die Kirchen zum gesellschaftlichen Wandel leisten. „Wir haben als Christen für eine Kultur der Einheit aller Menschen einzustehen, die hier leben.“ Dazu gehöre eine „konstruktive Konfliktkultur“, von der sich Bischof Overbeck wünscht, dass die Kirche hier „stilbildend“ sein könnte – bei Diskussionen innerhalb der Kirche wie in Richtung Gesellschaft. Gerade bei den in wenigen Tagen beginnenden Beratungen im „Synodalen Weg“, dem Reformdialog der katholischen Kirche in Deutschland, gehe es darum, „den Heiligen Geist in jeder und jedem sprechen zu hören“, so Overbeck. Es gehe bei den Diskussionen weit mehr als nur um Strukturen. Die Struktur für die Kirche sei der Mensch, so Overbeck. „Auch Jesus ist nicht Geist geblieben, sondern Mensch geworden!“ Unter den vielen wichtigen Themen des Synodalen Wegs sei „die Geschlechtergerechtigkeit ein Megathema“. Hier wolle er in den Diskussionen „dafür einstehen, dass gewisse Türen nicht zugeschlagen werden“, betonte der Bischof.

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