Mit Bescheidenheit und Gelassenheit auf Gottsuche

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck stellt die großen Veränderungsprozesse in Gesellschaft und Kirche in den Mittelpunkt seiner Neujahrspredigt im Essener Dom.

"Schon jetzt sind viele kleine Aufbrüche sichtbar"

Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck sieht die Gesellschaft wie die Kirche in grundlegenden Veränderungsprozessen. „Die Welt gerät aus den Fugen“, sagte er am Freitagabend in seiner Neujahrspredigt im Essener Dom. „Die Ordnungen der Gesellschaft vor Ort wie auch in Deutschland, Europa und der Welt finden sich neu“, stellte er angesichts der Herausforderungen durch die Flüchtlingsströme fest. Auch in der Kirche lösten sich feste Gefüge auf: „Die Bezüge vieler zu ihren Heimatgemeinden und Pfarreien, zu den Ordensgemeinschaften, den Verbänden den Gruppen haben keinen flächendeckenden Bestand mehr.“ Gleichzeitig werde deutlich, „dass in allen Zusammenhängen von Welt und Kirche Neues entsteht“, so Overbeck. So zeigten „die Formen der Digitalisierung und Globalisierung, dass neben der politischen und wirtschaftlichen Seite vor allem die soziale Seite an Bedeutung gewinnt“.

Mit Blick auf den Glauben rief Overbeck die Christen dazu auf, sich „geistlich neu aufzustellen“. Er sprach von einer „Schule der Demut und Bescheidenheit“ angesichts der Situation, dass sich immer weniger Menschen zum christlichen Glauben bekennen und auch andere Religionsgemeinschaften „nicht an Attraktivität für Viele gewinnen“. Der Gott, der für die Christen selbstverständlich ist, werde für viele Menschen in der Moderne zum „Unselbstverständlichsten“. „Unser geistlicher Grundwasserspiegel ist tief abgesunken“, stellte der Bischof fest, „in vielen Teilen unserer Kultur ist das spirituelle Leben trocken“.

Zumindest für Deutschland sieht Overbeck hier aus Sicht der Kirche keine schnellen Lösungen. Er empfiehlt, „sich mit großer Bescheidenheit und Gelassenheit auf die Gottsuche zu machen“. In der Vielfalt des Bistums Essen seien schon jetzt viele „kleine Aufbrüche“ sichtbar. Sie zeigten, „dass die Quellen neue aufbrechen, aber viel Zeit und Geduld brauchen, um sprudeln zu können“. Overbeck warb dafür, „wachsen zu lassen und mit Geduld zu warten, was die Ernte bringt“.

Der Bischof erwartet, dass „auf neue Weise eine Kultur des Betens“ an Bedeutung gewinnt. Es gehe darum, „die Wirklichkeit heute mit den Augen Gottes zu sehen und zu deuten“, zitierte er Papst Franziskus. Große Herausforderungen zu bewältigen, Gegensätze zu überbrücken, Ängste zu überwinden und Konflikte zu lösen übersteige „die Kraft eines einzelnen und auch einer Gesellschaft, wenn dahinter nicht tiefe Überzeugungen stehen“, betonte Overbeck. In diesem Sinne gehörten die Christen in der Kirche zu einer „Überzeugungsgemeinschaft“. „Weil Gottes Liebe nicht zwischen Religionen und Konfessionen, Nationen und Kulturen unterscheidet, können wir bezeugen, dass alle Menschen zusammen gehören und füreinander Verantwortung tragen“, sagte der Bischof. (tr)

Die Neujahrspredigt von Bischof Overbeck im Wortlaut (pdf)

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