Mehr als 30 Jahre in der Hochschulseelsorge

Anna Mielniczuk-Pastoors war über 30 Jahre in der Hochschulseelsorge tätig - unter anderem hier an der Universität in Essen. Foto: Simon Wiggen | Bistum Essen
Seit über 30 Jahren ist Anna Mielniczuk-Pastoors in der Hochschulseelsorge tätig und hat die Veränderungen in der studentischen Lebenswelt hautnah miterlebt. Während die Bindung vieler Studierender zur Kirche nachgelassen hat, sind Themen wie mentale Gesundheit, Achtsamkeit und Zukunftsängste stärker in den Fokus gerückt. Doch welche Rolle spielt die Kirche heute noch an den Hochschulen? Und wie haben sich die Herausforderungen der Studierenden in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt? Im Gespräch gibt die Seelsorgerin Einblicke in ihre Arbeit und zeigt, wie CampusSegen Studierende in verschiedensten Lebenslagen begleitet.
Bistum Essen: Sie sind jetzt mehr als 30 Jahre in der Hochschulseelsorge tätig, vieles hat sich seitdem verändert. Manche Leute wollen es uns heute ja glauben machen, aber: War früher wirklich alles besser?
Anna Mielniczuk-Pastoors: Nein, absolut nicht. Natürlich war früher vieles anders – wir hatten zum Beispiel damals, als ich in Duisburg angefangen habe, ein ganzes Haus für die Hochschulseelsorge, und die Studierenden hatten eine viel engere Anbindung an die Kirche. Das ist heute anders. Aber: Die jungen Menschen legen viel mehr Wert auf mentale Gesundheit, sind achtsamer mit sich selbst und holen sich viel schneller Hilfe als früher. Das ist eine mehr als positive Entwicklung.
Bistum Essen: Ist denn die Kirche überhaupt noch gefragt, wenn die Studierenden einerseits keine Bindung mehr zu uns haben und andererseits an jeder Ecke Yoga, Achtsamkeitskurse und Coachings angeboten werden?
Anna Mielniczuk-Pastoors: Wir als Kirche sind nach wie vor gefragt. Wir sind Teil eines großen Beratungsnetzwerks an den Hochschulen und dort kommen unterschiedliche Anfragen an uns: Von Awareness-Angeboten bei großen Uni-Partys bis zur Begleitung von Trauerfällen.
Bistum Essen: In welchen Situationen wenden sich die Studierenden an CampusSegen?
Anna Mielniczuk-Pastoors: Das ist ganz unterschiedlich: in Not- und Krisensituationen, bei Beziehungsproblemen, bei Prüfungsstress, bei der Wohnungssuche, bei Finanzproblemen.
Bistum Essen: Das sind jetzt aber nicht nur typische “studentische Probleme“.
Anna Mielniczuk-Pastoors: Nein. Prüfungsstress haben viele vor allem zum Jahresanfang und im Sommer. Dann stehen wir mit verschiedenen Hilfestellungen parat: zum Beispiel mit unserem Angebot „Büffeln und Beten“ in einem Kloster, mit individuellen Beratungen, mit gemeinsamen Lernzeiten und so weiter.
Bistum Essen: Haben sich die Probleme der Studierenden in den vergangenen 30 Jahren verändert?
Anna Mielniczuk-Pastoors: Ja, natürlich. Viele kommen mit der immer größeren Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt nicht klar, die Angst vor der Zukunft ist größer geworden. Gleichzeitig hat sich die politische Situation verändert: Rechtsradikalismus und Antisemitismus waren damals noch nicht so ein großes Thema.
Bistum Essen: Hat sich Ihre Arbeitsweise auch verändert?
Anna Mielniczuk-Pastoors: Ich arbeite seit Jahren auch als Supervisorin für das Bistum kann dieses Wissen und die Methoden in der Beratung und Begleitung von Studierenden anwenden. Zudem habe ich verschiedene Fortbildungen gemacht, um eine wirksamere Beratung und Coaching anzubieten. Ich arbeite heute viel körperorientierter. Ich zeige den Studierenden zum Beispiel, wie sie mit Prozess- und Embodiment fokussierter Psychologie ihre Nervosität vor Prüfungen in den Griff bekommen können. Oder wie sie sich zwischen Lernphasen wirklich entspannen können und wieder aufnahmefähig werden. Es geht viel öfter als früher darum, wie sie sich selbst wirksam beeinflussen können.
Bistum Essen: Welche Rolle spielt der Glaube an Gott noch für die Studierenden?
Anna Mielniczuk-Pastoors: Wie schon gesagt, die Anbindung an die Kirche ist deutlich weniger geworden. Aber gerade in so einer Umbruchphase wie dem Studium gewinnen die Fragen nach einer sinnvollen Lebensgestaltung, nach Werten an Bedeutung. Glaube und Spiritualität können in dieser Phase eine wichtige Ressource sein und werden dann wieder nachgefragt.
Bistum Essen: Ist die Hochschulseelsorge eine Art „Ersatz-Gemeinde“ für die Studierenden?
Anna Mielniczuk-Pastoors: Nein. In Essen und Duisburg bieten wir gar keine „gemeindetypischen“ Angebote an, dort helfen wir den Studierenden, ihren Alltag rund um das Studium mit Beratung und Projekten zu meistern. In Bochum haben wir zudem auch regelmäßige Gottesdienste, wo sich die Menschen immer wieder begegnen können. An den anderen Standorten bieten zu besonderen Anlässen Gottesdienste und Gedenkfeiern an.
Bistum Essen: Welche anderen Standorte?
Anna Mielniczuk-Pastoors: Als Hochschulseelsorge CampusSegen sind wir im ganzen Bistum für die Studierenden zuständig – vom Rhein bis ins Sauerland an insgesamt 23 Hochschulstandorten und Universitäten.