von Markus Kremser

"Luther war ein Reformkatholik"

Der Referent für Ökumene im Bistum Essen diskutierte in Lutherstadt Wittenberg. Vortrag war teil der Woche "Katholisch in Lutherstadt".

Wie sieht die katholische Kirche heute Martin Luther? Den katholischen Blick auf den Reformator hat der Ökumenereferent des Bistums Essen, Volker Meißner, am Samstag in Wittenberg erklärt. Bei einem Vortrag im Gemeindehaus der katholischen Kirche St. Maria Himmelfahrt zeigte Meißner, wie sich der Blick auf Luther über die vergangenen Jahrhunderte gewandelt hat. Unter den Zuhörern war auch der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, der selbst Gemeindemitglied der katholischen Pfarrgemeinde Wittenberg ist.

Meißner, berichtete, im 16. Jahrhundert sei Luther auf Flugblättern als „Dudelsack des Teufels" dargestellt worden, auf einem Gemälde von Bartholomäus Bruyn sei er als Versucher Christi mit Vogelkrallen und dem Schwanz einer Schlange dargestellt worden. Heute hingegen nehme Papst Franziskus am gemeinsamen Reformationsgedenken mit dem Vorsitzenden des Lutherischen Weltbundes teil. Die gemeinsame Feier in Lund habe gezeigt, dass „Lutheraner und Katholiken einander nicht mehr verteufeln". Bis zum zweiten Vatikanischen Konzil sei Luther als „Ketzer, Spalter und Urheber von Krieg und Gewalt" gesehen worden, habe die katholische Kirche „kein gutes Haar an Luther" gelassen.

Heute sehe man klar, dass eine Spaltung der Kirche nicht Absicht Martin Luthers war. Man könne ihn heute als „Reformkatholiken" bezeichnen. Luther habe eine Reform der katholischen Kirche gewollt. Erst weil diese Reform der Kirche nicht zustande gekommen ist, sei in der Verhärtung der Fronten eine neue Konfession aus Luthers Reformbemühungen entstanden. Der Bauernkrieg und der 30-jährige Krieg seien dann Folgen des Streites um die Bekenntnisse gewesen. Gegenseitige Verurteilungen hätten in den Jahrhunderten danach das Verhältnis der katholischen Kirche zu den lutherischen Christen geprägt und noch bis in die 1970er Jahre habe es einen alltäglichen „Kleinkrieg" zwischen den Konfessionen gegeben. So sei es an der Tagesordnung gewesen, dass Protestanten und Katholiken an den Feiertagen der jeweils anderen Konfession provokativ Autos gewaschen oder Wäsche aufgehängt hätten.

Die Trauung konfessionsverschiedener Ehen seien in jener Zeit von Priestern nur widerwillig vorgenommen worden. Ministerpräsident Haseloff sagte in der anschließenden Diskussion, der Widerstand der Kirche gegen solche Ehen habe auch etwas mit der „Praktikabilität religiösen Lebens" zu tun gehabt. Mit der Entscheidung für eine Konfession stünde das religiöse Leben vieler Familien klar in einer jeweiligen Tradition. Das sei bei konfessionsverschiedenen Ehen anders.

Haseloff sagte mit Blick auf die Ökumene zwischen der katholischen und den lutherischen Kirchen „ein Blumenstrauß verschiedener Blumen, harmonisch und gut duftend" sei besser als eine Gemeinschaft in der man sich verbiegen müsse. Ökumene könne nicht heißen, Traditionen und den Reichtum der Konfessionen zu nivellieren. Gerade die Katholiken in der Diaspora wüssten um den reichen Schatz katholischer Traditionen und würden ihn sehr schätzen, so der Ministerpräsident.

Meißner erklärte, dass man das Zweite Vatikanische Konzil als genau jenes Konzil verstehen könne, das Luther gefordert aber nie bekommen habe. Die katholische Kirche habe damit auch ihre Haltung zur Ökumene verändert. Habe man vorher schlicht die Rückkehr der Lutheraner zur katholischen Kirche darunter verstanden, sei jetzt klar dass sich beide Seiten aktiv um die Einheit der Kirche bemühen müssen.

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