Kirchen fordern Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft

Die am Freitag vorgestellte „Ökumenische Sozialinitiative“ knüpft an das gemeinsame Sozialwort der Kirchen von 1997 an. Das Papier soll eine breite Diskussion über die Konsequenzen der Finanzmarkt- und Euro-Krise anregen.

"Ökumenische Sozialinitiative" knüpft an Sozialwort von 1997 an

Eine verbesserte internationale Bankenaufsicht und rechtliche Konsequenzen aus der Finanzmarkt- und Euro-Krise fordern die beiden großen Kirchen in Deutschland. Die Finanzkrise habe gezeigt, dass ein globaler Markt auch eine globale Ordnung brauche; die Ideologie der Deregulierung sei in der Krise widerlegt worden, heißt es in einem am Freitag in Frankfurt veröffentlichten gemeinsamen Grundsatzpapier mit dem Titel „Gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Gesellschaft“. Der Staat müsse dafür sorgen, dass „Investoren, Manager und Unternehmer für ihre Entscheidungen auch selbst gerade stehen müssen“. Auch müsse Steuerbetrug effektiver verhindert werden.

Die „ökumenische Sozialinitiative“ knüpft an das erste gemeinsame Sozialwort von 1997 an, geht aber stärker auf die Folgen der Globalisierung ein. Die soziale Marktwirtschaft müsse unter dieser Perspektive weiterentwickelt werden, erklärten die Vorsitzenden des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, und der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch.

Positiv bewerten die Kirchen die Tatsache, dass Deutschland aus der Finanzkrise vergleichsweise unbeschadet hervorgegangen sei. Dies sei auch bewährten Instrumenten wie dem Kurzarbeitergeld zu verdanken. Für die Euro-Zone stellen die Kirchen fest: „Ohne einen wirksamen politischen Rahmen kann die gemeinsame Währung keinen Bestand haben.“ Zugleich fordern sie eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, die jedoch nicht auf Kosten der Sparer und der sozial Schwachen gehen dürfe.

Mit Nachdruck wird in dem Kirchenpapier davor gewarnt, „das Projekt Europa aufgrund nationaler Egoismen an finanz- und geldpolitischen Problemen scheitern zu lassen.“ Es sei richtig, dass Deutschland Haftungsrisiken zur Stabilisierung einzelner Krisenländer und der gesamten Währungsunion übernommen habe.

Die Energiewende und die Idee einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft unterstützen die Kirchen. Letztere könne zum Vorbild für andere Staaten werden. Mit Blick auf aktuelle sozialpolitische Themen begrüßen die Kirchen die Mütterrente und stellen sich prinzipiell hinter die Rente mit 67 zur Sicherung des Rentenniveaus. Eine staatliche Einheitsrente lehnen sie ab und betonen, die Altersvorsorge der einzelnen müsse sich lohnen, andernfalls verliere das Rentensystem seine Akzeptanz.

Überwiegend positiv bewerten die Kirchen in dem Papier die Arbeitsmarktreformen aus der Zeit der rot-grünen Koalition. Die Sockelarbeitslosigkeit sei abgebaut worden, die Zahl der Arbeitsverhältnisse habe einen Höchststand erreicht. Kritisch merken sie an, dass die Langzeitarbeitslosigkeit noch immer nicht überwunden sei und Problemgruppen faktisch keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hätten. Derzeit sei „das angemessene Verhältnis von Fördern und Fordern“ aus dem Gleichgewicht geraten. Kein Mensch dürfe als „nicht-aktivierungsfähig“ abgeschrieben werden.

Die Kirche betonen in ihrem Papier, dass auch in der Marktwirtschaft moralische Regeln gelten. Die „Tugenden der Gerechtigkeit, der Ehrlichkeit und des Maßhaltens“ müssten auch in der Welt der Wirtschaft hochgehalten werden. Sie verbinden dies mit der Warnung: „Wo Gier und Maßlosigkeit propagiert und praktiziert werden, zersetzt sich der gesellschaftliche Zusammenhalt mit fatalen Folgen insbesondere für die schwächsten Glieder.“ Die in Deutschland gewachsene Verbindung von freiem Markt und Solidarität empfehlen sie als ein „moralisch begründetes Sozialmodell“, das zum kulturellen Erbe Europas zähle. Die Christen seien aufgerufen, es zu bewahren und lebendig zu halten.

Nach den Vorstellungen der beiden Kirchen soll die Sozialinitiative eine breite Debatte auslösen. Als zentrales Diskussionsforum haben die Internet-Portale „katholisch.de“ und „evangelisch.de“ eine gemeinsame Dialogplattform eingerichtet. Auf der Internet-Seite www.sozialinitiative-kirchen.de können Interessierte den Text lesen und die einzelnen Thesen kommentieren. Außerdem sind dort in den nächsten Wochen Gastbeiträge etwa von Gewerkschaftern oder Wirtschaftsvertretern geplant. (kna)

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