von Thomas Rünker

Katholikentag in Stuttgart endet mit Ruf nach Reformen

Nach vier Tagen Diskussionen, Gebeten und Feiern endet das Glaubensfest in Baden-Württemberg am Sonntag mit einer großen Freiluftmesse auf dem Stuttgarter Schloßplatz. Der Katholikentag war nicht nur deutlich kleiner als seine Vorgänger, die Stimmung war auch spürbar gedämpft. Nach dem Evangelischen Kirchentag 2023 in Nürnberg, lädt Erfurt 2024 zum nächsten Katholikentag.

Am Ende des feierlichen Abschlussgottesdienstes zogen mit dem Segen von Bischof Georg Bätzing ein paar Tropfen Sprühregen über den Stuttgarter Schloßplatz. Das dürfte zur Stimmung vieler Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 102. Katholikentags passen: Statt Schal-schwenkender Ausgelassenheit – gerade bei den großen Freiluft-Gottesdiensten – war während des seit Mittwochabend laufenden Katholikentags vielerorts eher zurückhaltende Bedächtigkeit angesagt. Auch beim Friedensgruß während der Abschlussmesse, bei dem sich von den rund 6000 Gläubigen nur engste Freunde und Angehörige die Hand geben oder in die Arme schließen. Corona hat ihre Spuren hinterlassen, auch in der Kirche.

„Auferstehung aus einer Zeit der Lockdowns und der Bedrückung“

Und auch wenn Irme Stetter-Karp, Präsidentin des für den Katholikentag verantwortlichen Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), das Treffen in Stuttgart als „Auferstehung aus einer Zeit der Lockdowns und der Bedrückung“ bewertet, müssen sich vielleicht viele an dieses Auferstehungsgefühl erst noch gewöhnen. Zumal der auch in Stuttgart allgegenwärtige Krieg in der Ukraine deutlich Einfluss auf die Stimmung hat. „Leben teilen“ hieß das vom Stuttgarter Bistumspatron St. Martin inspirierte Motto des Katholikentags. Für viele Teilnehmende bedeutete dies, Nachdenklichkeit und Unsicherheit miteinander zu teilen und sie nicht durch falsche Fröhlichkeit zu übertünchen.

Schließlich bietet dafür auch der Zustand der Katholischen Kirche wenig Anlass. „Verändere dich – und werde wesentlich!“ rief Stetter-Karp unter dem Applaus der Gottesdienstgäste ihrer Kirche zu. Zu lange habe diese „Reformen verweigert, zu lange hat sie das Miteinander der Christinnen und Christen durch Machtmissbrauch gestört und verletzt. Das muss jetzt aufhören!“ Nun müsse „der Synodale Weg spürbare Veränderungen bringen“, bekräftigt Stetter-Karp am Sonntag eine Hoffnung, die auch auf vielen Diskussionsveranstaltungen des Katholikentags deutlich geworden war. „Das verlangen die Menschen, die noch Interesse an ihrer Kirche haben.“

27.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – ein Drittel so viele wie 2018 in Münster

Mit rund 27.000 Teilnehmenden, davon 7000 Tagesgäste, war der Katholikentag in Stuttgart einer der kleinsten der jüngeren Geschichte und nur ein Drittel so gut besucht wie der vor vier Jahren in Münster. Für die Organisatorinnen und Organisatoren hat das auch mit der schwierigen Vorbereitungszeit und den unklaren Planungen angesichts der Corona-Pandemie zu tun – aber nicht nur. Viele Stimmen forderten in Stuttgart ein Umdenken in der Katholikentagsplanung, die in den vergangenen Tagen trotz bereits deutlicher Reduzierungen noch knapp 1500 vielfach nur wenig besuchte Veranstaltungen aufwies.

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck sagte, die gesunkenen Teilnehmendenzahlen machten ihn „nachdenklich“. Er zeigte sich offen für mehr gemeinsame Events von evangelischer und katholischer Kirche. Wichtig sei auch, wieder mehr junge Menschen anzusprechen, die „stärker in digitalen Formaten“ unterwegs seien.

ZdK denkt über neue Formate für den nächsten Katholikentag in Erfurt nach

Stetter-Karp kündigte an, das ZdK denke mit Blick auf den nächsten Katholikentag 2024 in Erfurt über neue Formate nach. Möglich sei „ein größerer Umbau auf allen Ebenen“. Die Planungen für einen neuen ökumenischen Kirchentag nach der coronabedingt überwiegend digitalen Veranstaltung im vergangenen Jahr in Frankfurt sollen demnächst angegangen werden, seien aber noch nicht konkret, hieß es bei der Abschlusspressekonferenz in Stuttgart. Während die Katholikentage vom ZdK organisiert werden gibt es für die Evangelischen Kirchentage eine eigene Organisation, die unter anderem Wert auf eine - auch finanziell – große Unabhängigkeit von der Amtskirche legt. Diese unterschiedlichen Traditionen und Strukturen werden als Grund angeführt, weshalb es nicht häufigere oder generelle gemeinsame Kirchentage der beiden großen Konfessionen gibt.

Gewissermaßen als Abschiedsgruß der Gastgeberstadt dürften die meisten Katholikentagsgäste aus Stuttgart einen Blick in die Baugrube mit nach Hause nehmen: Die Großbaustelle „Stuttgart 21“ sorgt immer noch für lange Wege, Schmutz und Unbequemlichkeiten – weckt aber auch Hoffnung auf Veränderungen zum Guten. Gut möglich, dass da manchen Katholiken auf dem Weg zum Zug gleich wieder die eigene Kirche in den Sinn kommt.

Video-Eindrücke vom Katholikentag in Stuttgart und vom Stand des Bistums Essen

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