von Thomas Rünker

Katholiken und Protestanten beten unter einem Dach

Seit einem Jahr gibt es im einst rein evangelischen Markushaus in Essen regelmäßig eine katholische Messe. Auch an anderen Orten rücken die Konfessionen räumlich zusammen. Über erste Erfahrungen und mögliche Stolperfallen ökumenischer Glaubens-WGs haben sich Vertreter beider Kirchen jetzt im Markushaus ausgetauscht.

Im "Lutherjahr 2017" haben das Bistum Essen und die benachbarten Landeskirchen im Aufruf "ökumenisch Kirche sein" auch die gemeinsame Nutzung von Gemeindegebäuden angeregt

Im Rahmen von Strukturveränderungen, aber auch aus ökumenischer Überzeugung, rückt diese Perspektive in immer mehr Gemeinden in den Blick

Bei einem Gesprächsabend im Essener Markushaus ging es jetzt um die seelsorgerischen, rechtlichen und liturgischen Hintergründe für eine solche Zusammenarbeit

Die Weihwasserschale ist mobil. Diakon Thorsten Schrüllkamp hat den Ständer mit der Kupferschale rechtzeitig vor den ersten Besuchern im Kircheneingang aufgestellt – und er wird ihn wieder abbauen, wenn die Messe an diesem Sonntag beendet ist. Am nächsten Wochenende beten hier wieder evangelische Christen, und die können mit Weihwasser meist wenig anfangen. Im Markushaus in Essen-Vogelheim sind Kompromisse gefragt. Seit im vergangenen Oktober die benachbarte Thomas-Morus-Kirche geschlossen wurde, feiert die Gemeinde alle zwei Wochen hier in der einst rein evangelischen Kirche ihre Sonntagsmesse. Mittlerweile wird das Markushaus von der evangelischen und der katholischen Gemeinde im Essener Nordwesten gemeinsam getragen und soll so zu einem echten Ökumenezentrum entwickelt werden. Dass diese evangelisch-katholischen Glaubens-WGs Schule machen sollen, haben sich Kirchenvertreter von Bistümern und Landeskirchen in NRW im „Luther-Jahr“ 2017 versprochen – und jüngst bei einem Gesprächsabend im Markushaus mit Vertretern aus vielen katholischen und evangelischen Gemeinden im Ruhrgebiet erste Erfahrungen und mögliche Stolperfallen beleuchtet.

Alle zwei Wochen Messe in der evangelischen Kirche

Den künftigen Kommunionkinder, die an diesem Sonntag die erste Bankreihe im Markushaus füllen, ist das alles egal. Für sie ist jetzt wichtig, auf welcher Seite im Liederbuch gerade gesungen wird, und wann man in der Messe aufstehen und sich wieder hinsetzen soll. Da sind die fehlenden Kniebänke für den Anfang eher noch eine Hilfe – so wie der insgesamt kleine, fast familiäre Kirchenraum. War St. Thomas Morus eine Kirche mit hunderten Plätzen, wird es hier mit mehr als 60 Besuchern schon kuschelig, außerdem braucht Pastor Peter Kroschewski kein Mikrofon. Er wirkt eher wie ein freundlicher Lehrer, wenn er während der Predigt vor den Kindern und den dahinter sitzenden Erwachsenen mal nach links und mal nach rechts geht. „Das ist wirklich toll hier, alle sitzen eng beieinander und nehmen sich gegenseitig wahr“, sagt Kroschewski. Alle zwei Wochen feiert er hier im Markushaus die Messe, an den anderen Sonntagen zelebriert er in St. Maria Rosenkranz. Die knapp zwei Kilometer südlich in Bergeborbeck gelegene Kirche ist ein stattliches, neugotisches Gotteshaus – und geistliche Heimat für Gemeindemitglieder, denen der Umzug in die evangelische Kirche ohne Kniebänke nicht gefallen hat. Wie Pastor Kroschewski pendeln nicht viele Gläubige jede Woche zwischen den beiden Kirchen, sagen der Priester und Pastoralreferent Gregor Giegel, der die Ökumene in der Pfarrei St. Dionysius betreut. Eher gebe es in der kleinen Gottesdienstgemeinde im Markushaus Christen, die jeden Sonntag kämen – egal ob die katholische Messe oder der evangelische Gottesdienst gefeiert werde. „Immer wenn wir Messe feiern, sind auch ein paar evangelische Christen da“, sagt Pastor Kroschewski. Wie er es dann mit der Kommunion hält? „Das ist die persönliche Entscheidung jedes einzelnen.“

Gesprächsabend „Und wenn wir alle zusammenziehen?“

Die Beobachtungen in Vogelheim decken sich mit den Erfahrungen der Fachleute, wurde jetzt bei dem Gesprächsabend mit dem provokanten Titel „Und wenn wir alle zusammenziehen?“ deutlich. „Ökumenische Akzente beziehen sich oft sehr stark auf das Wohnquartier“, erläutert Volker Meißner, Ökumenereferent des Bistums Essen. „Die Leute möchten in ihrem Lebensraum als Christen gemeinsame Möglichkeiten finden, ihren Glauben zu leben und ihre Gemeindearbeit zu tun.“ Dabei gehe es nicht nur um Gottesdienststandorte, sondern zum Beispiel auch um caritatives Engagement. „Ökumenische Initiativen denken dabei selten von den Strukturen der Kirche her“, beschreibt Meißner eine weitere Erkenntnis des Gesprächsabends. Die Pfarreientwicklungsprozesse auf katholischer Seite oder die Umstrukturierungen in evangelischen Kirchenkreisen seien erst einmal auf die jeweils eigene Konfession bezogen. „Die Leute müssen aktiv aufeinander zugehen, um ökumenisch gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen.“ Immerhin betonten Vertreter der Essener Bistumsverwaltung und des Landeskirchenamts der Evangelischen Kirche im Rheinland bei dem Abend, dass im rechtlichen Bereich mit viel Wohlwollen nach Lösungen gesucht werde, um gemeinsame Zentren wie im Markushaus möglich zu machen.

Räume für Gottesdienste – und das „evantholische Kaffetrinken“

Was die Gestaltung gemeinsamer Gottesdiensträume betrifft, zeigen auch andere Gemeinden, dass mit viel Kompromissfähigkeit und gemeinsamem Planen Räume entstehen, in denen sich Christen beider Konfessionen wohlfühlen können: In der katholischen Gemeinde St. Paulus in Essen-Gerschede beten seit zweieinhalb Jahren Christen beider Konfessionen im katholischen Gemeindezentrum – nun planen sie den Bau eines neuen, gemeinsamen Hauses für Gottesdienste, Begegnungen, Chöre & Co – und für das „evantholische Kaffeetrinken“, das sich mittlerweile etabliert hat. Und die evangelische Auferstehungsgemeinde in Hagen-Dahl ist seit dem vergangenen Jahr mit ihrer Verwaltung und ihren Gruppen in einem Standort der katholischen Gemeinde Herz-Jesu zuhause. Parallel renoviert die evangelische Gemeinde die Dorfkirche in Dahl, die nach der Fertigstellung von beiden Konfessionen genutzt werden soll.

Für das Essener Markushaus haben sich die katholische und die evangelische Gemeinde insgesamt zwei Jahre Zeit gegeben, um auszuprobieren, ob die Ökumene-WG gelingen kann. Nach Ende der ersten Halbzeit betont Pastoralreferent Giegel: „Selbst wenn es diese Struktur am Ende nicht sein sollte – das, was hier bereits jetzt an ökumenischem Miteinander gewachsen ist, wollen wir nicht mehr zurückdrehen“.

Kontakt zum Ökumene-Referat

Pressestelle Bistum Essen

Zwölfling 16
45127 Essen