von Thomas Rünker

Jordan-Mai-Schule: Aus dem Schulleiter-Büro aufs Segelschiff

Nach 27 Jahren als Schulleiter geht der Chef der bischöflichen Förderschule in Gladbeck in den Ruhestand. Seine Nachfolge treten drei Lehrkräfte als Schulleitungsteam an.

Schule in 27 Jahren von 50 auf 178 Schülerinnen und Schüler vergrößert

Einbrecher stehlen kurz vor dem Ruhestand im Schulleiter-Büro Geld und Schlüssel

Künftige Schulleitung als dreiköpfiges Team: Judith Schröder, Cornelia Heinbach und Andreas Busch

So etwas braucht kein Mensch: Gut sechs Wochen vor seinem Start in den Ruhestand erholt sich Schulleiter Michael Brieler auf seinem Segelboot, als unbekannte Täter am Wochenende in sein Büro in der Gladbecker Jordan-Mai-Schule einbrechen. Sie stehlen das Geld für den gemeinsamen Abschiedsausflug der Jugendlichen, die in diesem Sommer die Schule verlassen, nehmen den Schlüssel für den Schul-Bulli mit – und zwei Tage später auch den Kleinbus selbst – und entleeren zum Schluss noch einen Pulver-Feuerlöscher. „Das ist eine ganz eklige Sache“, hat Brieler dadurch gelernt. Denn als er ein paar Tage später in sein Büro kommt, „hatten die Kolleginnen und Kollegen zwar das meiste schon wieder saubergemacht. Aber dann habe ich mich auf meinen Bürostuhl gesetzt - und puff…“ – staubt eine neue Löschpulverwolke das Büro ein. Da habe dann doch eine Fachfirma anrücken müssen, „und mir fiel beim Aufräumen vor meinem Abschied hier das Entsorgen der ein oder anderen nun eingesauten Akte doch etwas leichter“.

Was nach dem Einbruch passiert ist, erzählt viel über die 1976 vom Bistum Essen gegründete Gladbecker Förderschule und ihren Leiter, der nun nach 27 Jahren im Chef-Büro und 37 Jahren als Lehrer in dem repräsentativen Schulgebäude an der Söllerstraße in Pension geht. Dass das Kollegium schon vor der Rückkehr ihres Chefs „klar Schiff“ gemacht hat, ist das eine. Dass nach einem Zeitungsbericht binnen kürzester Zeit zahlreiche Spenden für einen neuen, für den Schulbetrieb dringend benötigen Bus, eintrudelten, das andere. Dass diese Spenden aber praktisch niemand zurückhaben wollte, als der Bulli auf geradezu wundersame – und bis heute nicht aufgeklärte – Weise nach einer Woche wenige Kilometer entfernt gefunden wurde, zeigt, wie beliebt und anerkannt die außergewöhnliche Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung mittlerweile ist. Und das liegt eben auch an Michael Brieler – „und an meinem Team!“, wie der Schulleiter mehrfach betont.

„Der Start dieser Schule war schwierig.“

„Der Start dieser Schule war schwierig“, erinnert sich Brieler. Mit rund 50 Kindern war die Schule klein, zwischen den vielen Regelschulen ein Außenseiter „und von vielen nicht wirklich gewollt“, so sein damaliger Eindruck. Der Pädagoge setzt eine engagierte und eigenwillige Öffentlichkeitsarbeit dagegen: Bei jeder Gelegenheit erzählt er von der Schule, von der tollen Atmosphäre und der wichtigen, an den individuellen Bedürfnissen jedes einzelnen Kindes orientierten Arbeit. „Und wo immer möglich, haben wir mit unserer Schulband gespielt, richtig laut!“, sagt Brieler mit einem Grinsen. Er war der Gitarrist. Heute sei die Wahrnehmung der Schule bei der Stadt Gladbeck und beim Bistum ausgesprochen gut, freut sich Brieler. Das sieht auch Judith Wolf so. Als Leiterin des Ressorts Kulturentwicklung im Bistum Essen ist sie für die Bischöflichen Schulen verantwortlich und betont mit Blick auf den scheidenden Rektor: „Mit Herrn Brieler geht ein erfahrener und engagierter Schulleiter, ein gewiefter Stratege und Macher für die Belange der Jordan-Mai-Schule und ein äußerst angenehmer und zugewandter Mensch. Mit ihm hat das Weiterdenken für die Jordan-Mai-Schule immer große Freude bereitet“, so Wolf.

Das Bistum und die Stadt Gladbeck sind enge Partner, wenn es um die Jordan-Mai-Schule geht, gerade bei den vielen baulichen Veränderungen in den vergangenen Jahren. „Ich hatte eigentlich immer mit steigenden Schülerzahlen zu tun“, fasst es Brieler zusammen. Erst konnte ein bis dahin als Flüchtlingsunterkunft genutzter Trakt in die Schule integriert werden, so dass 75 Kinder Platz fanden. 2004/2005 konnten Räume in einem Neubau auf dem Schulhof eingeweiht und so rund 100 Kinder aufgenommen werden – bis rund zehn Jahre später das Dachgeschoss ausgebaut und das Bewegungsbad ergänzt wurde. Heute hat die Schule 178 Schülerinnen und Schüler – und kann den Bedarf immer noch nicht decken. Daneben bevölkern die Schule 68 Lehrkräfte, rund 50 Personen, die einzelne Kinder begleiten, drei Krankenschwestern und fünf Mitarbeitende im Bereich Sekretariat und Hausmeisterei.

Seine Schule hat Michael Brieler mit einer Projektwoche überrascht

Die Schülerinnen und Schüler haben in dieser letzten Woche vor den Sommerferien keinen Unterricht mehr, sondern lernen und arbeiten in Projekten. „Mit dieser Projektwoche hat mich das Kollegium überrascht“, sagt Brieler, der deshalb auch Zeit für ein so ausführliches Gespräch hat. Viele Projekte scheinen sich mit Brielers Abschied am Donnerstag zu beschäftigen: Einige Kinder üben mit ihren Lehrkräften ein Zirkus-Programm ein, andere malen die graue Turnhallen-Betonwand bunt. Wenn er über den Schulhof geht, ist aus allen Ecken „Herr Brieler, Herr Brieler zu hören“, Kinder kommen, wollen ihm etwas zeigen – und nur dank einer offenbar lange eingeübten Choreographie aus empathischer Zuwendung und entschlossenem Voranschreiten, erreicht der Schulleiter überhaupt ans Ziel. An der Treppe kommt noch ein junger Mann in einer Arbeitshose auf ihn zu. „Schön, dass du uns wieder besuchst“, freut sich Brieler und erklärt, dass Çengiz einer seiner ersten Schüler gewesen sei. Heute arbeitet er in einer Caritas-Werkstatt und freut sich immer, wenn ihn ein Auftrag zurück an die Jordan-Mai-Schule führt.

Dass der Schulbetrieb offenbar auch ohne Brielers Eingreifen läuft, ist kein Zufall, sondern das Ergebnis eines langen Übergabeprozesses: Vor vier Jahren, noch in der Corona-Zeit, sei die Idee entstanden, die Verantwortung der Schulleitung künftig auf mehrere Schultern zu verteilen, erklären Brieler und Judith Schröder, eine seiner beiden aktuellen Stellvertreterinnen. Ab dem Ende der Sommerferien wird Schröder gemeinsam mit ihrer Kollegin Cornelia Heinbach und ihrem Kollegen Andreas Busch als Team die Schule leiten. Auf diesen Job konnten sich die drei ausführlich vorbereiten, die Aufgaben sind verteilt – und sowohl Brieler als auch Schröder sind froh, dass nun ein nahtloser Übergang gelingen kann. „Wir drei haben diese Schule total in unserer DNA“, sagt Schröder. Auf die Idee der gemeinsamen Leitung im Team seien sie wohl auch gekommen, weil sie alle drei Pfadfinderinnen und Pfadfinder in der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) sind, „da haben wir schon lange Leitungs-Teams“.

Brieler geht „mit zwei lachenden Augen“

So kann Brieler am Donnerstag die Schule „mit zwei lachenden Augen verlassen“ betont er – dankbar für eine erfüllende Aufgabe und sicher, dass „der Geist unserer Schule, immer nah an den Menschen zu sein, erhalten bleibt“. Mit dem Start in den Ruhestand will er „erst einmal einen klaren Schnitt“ machen. Am Sonntag geht es zusammen mit seiner Frau auf das Segelboot – und dann soll der Wind sie bis Weihnachten zu den schönsten Ecken des Mittelmeers bringen. Danach sind eine Rucksacktour durch Malaysia und weitere Monate auf dem Segelboot geplant.

Wie sich die Kinder und Lehrkräfte des Jordan-Mai Schule das vorstellen, kann man ab dem morgigen Donnerstag auf dem Gemälde an der Turnhallenwand sehen. Die Präsentation wird ein Teil der großen Abschiedsfeier für Michael Brieler mit Gottesdienst, Vorführungen, jede Menge Händeschütteln und noch mehr „Herr Brieler, Herr Brieler“ sein. Danach ist Feierabend für den Schulleiter. Zum Lehrkräfte-Klausurtag am Freitag „haben wir ihm verboten zu kommen“, sagt Judith Schröder.

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