„Immenses Bewusstsein für neuen Aufbruch“

Es waren offene, ehrliche und auch kritische Töne, die das erste Bistumsforum zum Dialogprozess prägten. Beeindruckend waren das disziplinierte Zuhören und das Sprechen in Ehrlichkeit und Respekt.



Offene, ehrliche und auch kritische Töne beim ersten Bistumsforum (Teil 2) 

Der Saal hat sich verändert. Die 35 Stuhlkreise sind verschwunden. Jetzt füllt ein einziger großer Kreis den Raum. In der Mitte ein Kerze, die Bischof Overbeck anzündet. ja, er hatte vom „Feuer Jesu Christi und des Evangeliums“, vom „Feuer des Glaubens“ gesprochen. Der Satz auf der großen Leinwand fragt: „Wenn ich an mein christliches Leben im Bistum denke…: Was macht mir Freude und stärkt mich oder was macht mich traurig und schmerzt mich?“ Es soll keine Diskussionsrunde sein, sondern ein „lauschender Kreis“. „Es geht um das Zuhören, nicht um Rede oder Gegenrede, sondern um das Sprechen in Respekt und Ehrlichkeit“, erklärt die Moderatorin. Das Gesagte einfach mal  „stehen lassen“, es nicht mit Beifall bewerten, nicht nach einer Antwort suchen, sondern ganz bei sich zu sein – darum geht es. Und es wird ganz still. Nur das leise Rauschen der Lüftung ist zu hören. Rund 20 Sekunden Stille scheinen eine Ewigkeit zu sein, bis der Erste das Wort ergreift. Und in den nächsten zwei Stunden liegt das Mikrofon nie verwaist in der Mitte des großen Kreises. Eine nicht enden wollende Reihe von Wortmeldungen. Das Bistumsforum gewinnt weiter an Dynamik, nimmt jetzt richtig Fahrt auf.


Freude und Schmerz in der Kirche

Und jeder kann etwas erzählen zu Freude und Schmerz in der Kirche im Bistum Essen. Immer wieder wird die Gemeinschaft als positive Erfahrung genannt, dass man im Bistum auf vielfältige Weise Christ sein könne, dass „ab und zu“ auch Aufbrüche zu sehen seien. Da ist von „kreativem Potenzial“ die Rede, von der Freude, „von Gott geliebt zu werden“. Ein Anderer betont: „Ich bleibe katholisch, weil Kirche etwas Wichtiges ist und ich der Überzeugung bin, dass etwas verändert werden kann.“ Immer wieder aber ist auch von dem die Rede, das traurig macht und schmerzt: das Zurücklassen von Menschen, deren Kirche geschlossen wurde, die Überstrukturierung in den Gremien, dass Kirche eine „geschlossene Gesellschaft“ sei, die Menschen ausschließe und sich abgrenze, ja einmauere, die Sprache und Form der Liturgie oder die zu geringe Beachtung und Förderung von Jugendlichen. „Warum bin ich Mitglied einer Organisation, die Homosexualität verurteilt und Menschen in bestimmten Lebenssituationen die Sakramente verweigert?“, fragt ein Teilnehmer. Auch der Pflichtzölibat wird von manchen als schmerzlich empfunden. Ebenso die immer leerer werdenden Kirchen, das „überhöhte Priesterbild“, die Furcht, dass Kirche die Zeichen der Zeit verpassen könnte, mangelnde Strukturen, an denen sich Jugendliche „andocken“ können, das trennende Gefühl „die da oben und wir hier unten“, die mangelnde Gastlichkeit gegenüber Unbekannten oder ein zu geringes personales Angebot, um nur einige zu nennen. Als Letzter ergreift Bischof Overbeck in der „lauschenden Runde“ das Wort. Er hat, wie alle anderen, einfach zugehört. Viel wird ihm durch den Kopf gegangen sein, und auch durch das Herz. „Keiner, der gesprochen hat, war nicht berührt“, sagt Overbeck. Ja, das war in dieser Runde zu spüren. Er dankt allen, ganz besonders den Jugendlichen für die Offenheit und Deutlichkeit. „Es war heiß, feurig und berührt“, so der Bischof. Die Runde habe gezeigt, dass es ein „immenses Bewusstsein“ gebe, dass man etwas Neues aufbrechen könne. Deutlich werde, dass es eine „Neuentdeckung der Charismen“ gebe. „Viel wünschen sich mehr eine Kirche aus den Begabungen heraus und weniger eine Kirche als Institution“, stellt der Bischof fest. Beides müsse in Einklang gebracht werden, das mache die Spannung aus. So mancher scheint es noch nicht fassen zu können, was in dieser Runde gerade „gelaufen“ ist.


Die Kraft des Auftaktes mitnehmen

Zeit zum Verschnaufen bleibt nicht. Das „Warmlaufen“ geht weiter, auch wenn die letzte Runde eingeläutet wird. Es geht um den „tiefsten Wunsch“ eines jeden einzelnen für das Bistum Essen und um das, wofür jeder ganz persönlich einstehen will. Diesmal wandert das Mikrofon durch die Reihen des großen Kreises. Die Antworten sind breit gefächert. Die drängenden Fragen blieben und müssten noch angegangen werden. Man habe zunächst auf die gemeinsame Basis geschaut und weniger auf die Konfrontationen, mahnt einer: „Da muss noch Butter bei die Fische“.
In vielen Wortmeldungen wird der Auftakt des Dialogprozesses als gelungen gewertet. Dialog brauche Vertrauen, das sei in diesem ersten Forum geschafft worden. Gedankt wird den Jugendlichen für das Engagement, die Offenheit und das Vertrauen. Gespannt sind nicht wenige darauf, wie die „Kraft dieses Auftaktes“ mit in den weiteren Prozesse genommen und wie mit Konflikten umgegangen wird. Dass viele Themen zur Sprache gekommen seien, dass viel „Freude und Zuversicht“ mit in die Gemeinden genommen werden könne und der Wunsch, dass diese „Flamme“ des Anfangs lebendig gehalten werden könne, auch das ist zu hören. „Wir sind ein reiches Bistum, das hat dieser Tag gezeigt“, ist ein weiteres Fazit. Heute könne man auch vom „Geist von Essen“ sprechen. Das Ruhrbistum habe heute wohl einen „großen Batzen Heiligen Geist abbekommen“.

Ortswechsel. Im Essener Dom feiern am Abend alle mit Bischof Overbeck Eucharistie. Der Kreis ist etwas kleiner geworden. Es war ein langer Tag. Das Erlebte, die Fragen, Ängste, Wünsche und Hoffnungen fließen ein in das Gebet.

Voll ist es bei der anschließenden Begegnung in der Aula des Generalvikariates. So mancher, der tagsüber nicht am Forum teilgenommen hat, ist dazu gestoßen. Eine erste Fotopräsentation lässt den Tag optisch Revue passieren. Einige Teilnehmer des Forums fassen ihre Eindrücke zusammen. Es scheint, als brauche es noch Zeit, um das soeben Erlebte zu verarbeiten. Gerade hinsichtlich der Atmosphäre sei der Tag ein großer Gewinn gewesen, ist zu hören. Es sei deutlich geworden, dass es allen um die Kirche gehe, egal ob konservativ oder progressiv. „Diejenigen, die nicht an der Auftaktveranstaltung teilnehmen konnten, müssen wir davon etwas spüren lassen, betont eine Vertreterin der Jugend. Auch die beiden Moderatorinnen zeigen sich zufrieden mit dem Verlauf: „Der ganze Tag selber war ein Highlight“, ist das Fazit von Jutta Herzog. Und sie betont noch einmal den Sinn und das Ziel des ersten Bistumsforums: „Es muss ein Scharnier sein zwischen Gestern und Morgen.“ (do)

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