von Ulrich Lota

Im Interview: Der neue Weihbischof Andreas Geßmann

Pfarrer Andreas Geßmann wird neuer Weihbischof im Bistum Essen. Im Interview blickt der 55-Jährige zurück auf seinen Weg vom kommunalen Verwaltungsbeamten am Niederrhein zum Priester im Ruhrbistum und Pfarrer in der Pfarrei St. Laurentius in Essen-Steele. Und er beschreibt, warum die kirchliche Botschaft gerade in der heutigen Zeit den Menschen Hoffnung und Zuversicht geben kann.

Frage: Wann und wo haben Sie von Ihrer Ernennung erfahren?

Andreas Geßmann: Die Nachricht ist mir vor wenigen Tagen in der Apostolischen Nuntiatur in Berlin vom Apostolischen Nuntius, Herrn Erzbischof Dr. Nikola Eterovic, persönlich übermittelt worden.

Frage: Wie war Ihre erste Reaktion? Was haben Sie spontan gedacht?

Geßmann: Zunächst war ich sprachlos und empfand großen Respekt vor der Aufgabe. Dann aber verspürte ich Freude über das Vertrauen, das Papst Franziskus in mich setzt.

Frage: Sie haben zunächst ein Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und eine Verwaltungsausbildung absolviert, sind Diplom-Verwaltungswirt und waren im Stadtplanungsamt in Wesel tätig. Wie kam es dann zu dem Wunsch, Priester zu werden?

Geßmann: Während meines Studiums wurde ich im Fachbereich Soziologie vom zuständigen Dozenten gebeten, ein theologisches Referat über den christlichen Glauben zu halten. In meinem Vortrag habe ich die Sinnfrage unseres Lebens beleuchtet und aufgezeigt, dass Gott durch Jesus Christus dem Menschen im Hier und Jetzt ein Ziel, eine Orientierung geben und Sinn verleihen möchte. Mein Referat rief bei mehreren Studierenden ein lebhaftes Echo hervor. Mir wurde die Frage gestellt, weshalb ich nicht Theologie studiere. Diese Frage ließ mich nicht los und mit der Zeit verspürte ich in meinem Inneren eine tiefe Freude bei dem Gedanken, Priester zu werden. Zudem sprachen mich immer wieder verschiedene Menschen unabhängig voneinander auf die Berufungsthematik an, ohne zu wissen, dass ich mich gerade mit der Frage beschäftigte.

Frage: Was haben Sie aus dieser ersten Ausbildung mitgenommen in Ihre Aufgabe als Priester und später als Pfarrer?

Geßmann: Strategisches Denken sowie strukturiertes und zielorientiertes Arbeiten habe ich sicherlich im Planungsamt der Stadt Wesel gelernt. Da mein Aufgabenbereich auch die Organisation von Sitzungen des Planungsausschusses sowie von Bürgerversammlungen umfasste, erhielt ich auch Einblick in das politische Geschäft und wurde dafür sensibilisiert, wie man unterschiedliche Interessen zusammenführt. Dies war für meine Arbeit in den pfarrlichen Gremien wertvoll. Mit dem erlernten Wissen und den Vorerfahrungen konnte ich mich auch bei dem Pfarreientwicklungsprozess einbringen, um in unserer Kirchengemeinde St. Laurentius eine einvernehmliche Lösung für das Votum an den Bischof zu finden.

Frage: Sie stammen aus Wesel am Niederrhein, und doch haben Sie sich nicht in Ihrem Heimatbistum Münster, sondern im Ruhrbistum zur Priesterausbildung angemeldet. Gab es dafür besondere Gründe?

Geßmann: Mein Studienort war die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Duisburg. Dadurch habe ich das Ruhrgebiet und das Ruhrbistum kennen und schätzen gelernt und mich für den Dienst hier in der Diözese Essen entschieden.

Frage: Wie heimisch fühlen Sie sich mittlerweile im Ruhrgebiet?

Geßmann: Das Ruhrgebiet ist mir längst zu meiner zweiten Heimat geworden, in der ich mich sehr wohl fühle. Ich schätze die in der Regel direkte und aufgeschlossene Art der Menschen hier im Ruhrpott.

Frage: Worauf freuen Sie sich und was werden Sie künftig vermissen?

Geßmann: Ich freue mich darauf, dass ich mich künftig auf einer anderen Ebene im Bistum einbringen darf. Zugleich aber werde ich die Zusammenarbeit mit vielen geschätzten ehren- und hauptamtlichen Personen sowie mit ganz vielen Menschen an den unterschiedlichen Standorten der Pfarrei St. Laurentius vermissen.

Frage: Wissen Sie schon, welche Arbeitsschwerpunkte Sie künftig haben werden?

Geßmann: Dies steht noch nicht abschließend fest. Ich werde darüber demnächst mit Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck sowie mit Weihbischof Ludger Schepers und meinem Vorgänger Weihbischof Wilhelm Zimmermann vor seinem Erfahrungshintergrund besprechen. Darüber hinaus ist auch mein Aufgabengebiet in der Deutschen Bischofskonferenz noch offen.

Frage: Kirche hat an spürbar an Vertrauen verloren. Immer weniger Menschen können mit Religion etwas anfangen. Wie sehen Sie Ihre Aufgabe in diesem für die Kirche zunehmend schwieriger werdenden Umfeld?

Geßmann: Ja, die Kirche befindet sich nicht nur in einer Vertrauenskrise, sondern auch in einer Struktur- und Vermittlungskrise. Darüber hinaus zeigen neuere Studien auch einen kontinuierlichen Relevanzverlust von Religion. Und dennoch nehme ich als Pfarrer sehr wohl immer wieder die Lebendigkeit religiöser Sehnsüchte und Bedürfnisse der Menschen wahr. Gerade die multiplen Krisen globaler Art sowie existenzielle Krisen im eigenen Lebenskontext fördern Ängste vor Kontrollverlust. Auch das nagende Gefühl fehlender Sinnhaftigkeit im Leben treibt viele Menschen um. Wenn man nicht weiß, wohin man gehört und wozu das eigene Leben gut ist, kann dies nach Aussagen des Kognitionswissenschaftlers und Professors für Psychotherapie Alexander Batthyány auch ein idealer Ausgangspunkt sein, um bei Menschen eine Wutstimmung hervorzurufen. Die Aufgabe der Kirche sehe ich somit darin, die Fragen nach dem Sinn sowie die religiösen Sehnsüchte und Interessen der Menschen zu identifizieren und die darin verborgene Suche nach dem lebendigen Gott aufzuzeigen und nicht unbeantwortet zu lassen. Als Christen haben wir eine Botschaft der Hoffnung und der Zuversicht, dass auch in krisenhaften Zeiten Gott uns nicht alleine lässt. Vielmehr begleitet er uns und schenkt uns Geborgenheit, Trost und Halt.

Frage: Haben Sie sich schon einen Wahlspruch überlegt?

Geßmann: Ich habe mir als Wahlspruch das Wort der Heiligen Schrift aus dem Markusevangelium, 1. Kapitel Vers 15, ausgewählt: „Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“ Jesus Christus ist der Meister des Perspektivwechsels. Er spricht uns immer wieder neu das Reich Gottes zu und lässt es uns auch im Kleinen erfahren. Bei allen Transformationsprozessen und bei den kleinen und großen Um- und Abbrüchen sowohl im gesellschaftlichen als auch im kirchlichen Raum nehme ich sehr wohl häufig im Unscheinbaren pastorales und geistliches Wachstum und Zeichen der Gegenwart Gottes wahr. So möchte ich Menschen in unserem Bistum dabei helfen, dies zu entdecken und zu fördern.

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