Goldglänzendes Turmkreuz setzt neues Zeichen hoch über Wattenscheid
Dachdecker Sebastian Schulze (links) und Kunstschmied Rafael Jürgens nehmen das am Kranhaken schwebende Turmkreuz auf der Kirche St. Maria Magdalena in Empfang. Foto: Achim Pohl | Bistum Essen
Dreidimensional und goldfarben gestaltet ist das Turmkreuz von St. Maria Magdalena nun weithin sichtbar.
Die Kreuzsanierung wurde von Menschen aus der Pfarrei gestiftet und steht im Zusammenhang mit der Sanierung des Schieferdachs.
Eine Zeitkapsel unter dem Kreuz enthält aktuelle Gedanken der Gemeinde und Hoffnungen für die Zukunft.
Es ist kurz vor 11 Uhr, als Kunstschmied Rafael Jürgens am Freitag die ganze Konstruktion doch noch einmal vorsichtig um ein paar Zentimeter zur Seite dreht. Ein weiterer kritischer Blick auf die Wasserwaage, gegenüber kneift sein Mitarbeiter prüfend die Augen zusammen, und Dachdecker Sebastian Schulze peilt, ob die Senkrechte nun mit dem Dachfirst der Kirche in einer Linie steht. Dann sagt Schulze: „Das passt!“ und Jürgens zieht die Schrauben fest – jetzt strahlt gut 50 Meter über dem Wattenscheider Hellweg ein goldener Lichtblick vor dem Wolkengrau dieses Vormittags. Endlich hat St. Maria Magdalena wieder ein Turmkreuz – und erstmals ein weithin sichtbares: Filigran geschmiedet, gold-leuchtend, aber vor allem dreidimensional, denn das ist der besondere Clou am neuen Kreuz über Wattenscheid-Höntrop.
„Wie, die Kirche hat ein Kreuz?“
Aber der Reihe nach: Schon seit dem Frühjahr ist die große Kirche an der uralten Handelsstraße zwischen dem Rhein und Westfalen und der Westenfelder Straße runter nach Wattenscheid eingerüstet. Rund 1800 Quadratmeter Schieferdach müssen erneuert werden, damit in dem Gotteshaus mit dem markanten Taufbecken künftig niemand einen Schirm braucht. Das ist eine Aufgabe für Firma Prange aus Brilon, die im Ruhrbistum schon viele Kirchen-Schieferdächer gedeckt hat. Zusammen mit dem Architekten seien sie dann in der Projektgruppe auf die Idee gekommen, sich auch des Turmkreuzes anzunehmen, berichtet Gertrude Knepper, Seelsorgerin in St. Maria Magdalena. „Wie, die Kirche hat ein Kreuz?“, hätte mancher in Wattenscheid gefragt. Denn erstens sei das Kreuz zuletzt nicht im Ansatz golden, sondern ziemlich dunkel und verwittert gewesen, und zweitens habe man die ausgestreckten Kreuzbalken nur sehen können, wenn man vor der Kirche stand. „Wer aus Bochum oder aus Essen auf dem Wattenscheider Hellweg fuhr, sah praktisch nur einen senkrechten Strich“, beschreibt Knepper. Und die Sichtachse von der Wattenscheider Mutterkirche St. Gertrud von Brabant aus ist seit Jahrzehnten zugebaut. Dorthin war das Kreuz eigentlich seit 1865 auf dem Dach des Vorgängerbaus der heutigen St.-Maria-Magdalena-Kirche ausgerichtet. Da half auch der Wetterhahn nur bedingt für eine bessere Sichtbarkeit, den die Altvorderen noch zusätzlich oben auf das Kreuz montiert hatten. Mittlerweile war der Hahn durch die Verwitterung ohnehin so beschädigt, dass sich die Projektgruppe rein auf die Kreuz-Sanierung konzentrieren konnte, die zudem von Menschen aus der Pfarrei gestiftet wurde. „Unser Architekt schlug dann vor, das Kreuz dreidimensional zu gestalten“, so Knepper, also die beiden Balken links und rechts durch je einen nach vorn und hinten zu ergänzen.
Zeitkapsel in der goldenen Kugel unter dem Kreuz enthält Sorgen und Hoffnungen
Ein Job für Rafael Jürgens und seine Kunstschmiede in Meschede. Denn so einzigartig das Projekt für die Wattenscheider Pfarrei ist, so alltäglich ist der Umgang mit solchen Turmkreuzen für Jürgens: „Wir arbeiten häufig mit der Firma Prange zusammen.“ Denn wo ein Schieferdach ist, ist oft auch ein Metallkreuz. In fünf Wochen hat Jürgens das historische, deutlich mehr als mannshohe Gestell aus Wattenscheid in seiner Werkstatt bearbeitet. Jetzt sind die alten, von 160 Jahren Geschichte hoch über dem Ruhrgebiet gezeichneten Kreuzbalken ebenso zu erkennen wie die neuen, glatten Elemente, die der Kunstschmied hinzugefügt hat. Ein neuer Schaft aus Edelstahl soll zudem dafür sorgen, dass die Konstruktion möglichst lange stabil über dem Kirchenschiff steht. So lange, dass die Projektgruppe in die Kugel unter dem Kreuz sogar eine Zeitkapsel eingefügt hat. „Da haben wir eine Plakette unseres taufpastoralen Zentrums und einen Brief eingefügt, in dem wir über die aktuelle Situation schreiben“, sagt Knepper, über die Lage der Welt, die größten Ängste der Menschen in Wattenscheid, die Situation der Kirche… Auch die Sorge vieler Menschen vor einem wachsenden Rechtsextremismus hätten sie in der Zeitkapsel dokumentiert. Die Hoffnung der Pfarrei: Die Welt möge sich zu einer besseren entwickeln.
Segen für das Kreuz und „Nun danket alle Gott"
Neben der neuen, dreidimensionalen Perspektive ist vor allem die goldene Farbe der Star des Kreuzes. Die haben in den vergangenen Tagen nicht nur Gemeindemitglieder, KiTa- und Schulkinder bestaunt, die das Kreuz in der Kirche anschauen konnten. Sie leuchtet auch in den Augen des Publikums, das nach einer kurzen Andacht und der Segnung durch Pfarrer Michael Kemper am Freitagmorgen vor der Kirche beobachtet, wie das Kreuz ganz langsam von einem Autokran in die Höhe gehoben wird. Der könnte annähernd die 100-fache Last des Kreuzes heben, und wahrscheinlich ist schon der Haken, an dem das Kreuz jetzt an einem Gurt hängt, schwerer als die eigentliche Last. Doch der Kran-Transport ist vor allem für die Vergoldung der schonendste – und der spektakulärste. Zu Trompetenklängen („Nun danket alle Gott“) lässt der Kranfahrer das Kreuz ganz behutsam in die Höhe schweben, bis es für die Augen der Gemeinde hinter dem Gerüst verschwindet.
Doch schon eine Stunde später bauen Jürgens und Schulze nach der endgültigen Montage oben auf dem Dach die zwei höchsten Gerüstetagen ab. Jetzt ist auch vom Wattenscheider Hellweg aus der goldene Schimmer über St. Maria Magdalena sichtbar – und aus jeder Richtung eine echte Kreuzform. Dieses Kreuz soll „ein Zeichen sein, das nicht nur den Christinnen und Christen, sondern allen Menschen in Wattenscheid einen Dienst erweist“, so Pfarrer Kemper, „ein Segen für alle, die hier leben, lieben, hoffen und glauben“.










