von Thomas Rünker

Gesetzeslücken bei der Frage nach Vater und Mutter

Beratungsgremium von Bischof Overbeck sieht angesichts der modernen Fortpflanzungsmedizin Gesetzeslücken wenn es um die Frage geht, wer die Eltern eines Kindes sind. Podiumsdiskussion in der „Wolfsburg“ um Leihmutterschaften und Embryonenspenden.

„Wer ist Vater, wer ist Mutter?“ – mit dieser Frage wird sich der Juristenrat des Bistums Essen in der kommenden Zeit intensiver auseinandersetzen. Vor allem durch die Entwicklungen in der Fortpflanzungsmedizin brauche es hier zum Beispiel mit Blick auf Leihmutterschaften oder Embryonenspenden dringend neue gesetzliche Regelungen, so der Tenor der Jahresveranstaltung des juristischen Beratergremiums von Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck am Freitagabend in Mülheim. „Wir müssen klären, wer Eltern sind“, sagte der Richter am Bundesgerichtshof, Prof. Andreas Jurgeleit, der die Diskussion in der Akademie „Die Wolfsburg“ moderierte. „Da wird sich der Gesetzgeber drum kümmern müssen.“

Ein Kind – und acht möglich Elternteile

Das weite Spektrum des Problems machte die Juristin und Juniorprofessorin Anne Sanders deutlich, Fachfrau zum Thema „Mehrelternschaft“. Sie beschrieb die sogenannten Initiativeltern – ein Paar, das selbst keine Kinder bekommen kann und deshalb eine Leihmutter kontaktiert. In Deutschland ist dieses Verfahren zwar verboten, aber im Ausland auch für deutsche Paare möglich. Wird dieser Leihmutter nun eine bereits befruchtete Samenzelle eines weiteren Paares eingesetzt – solche „Embryonenspenden“ werden diskutiert, damit sich überzählig befruchtete Eizellen zu Kindern entwickeln können – sind bereits fünf mögliche Elternteile im Spiel. Ist die Leihmutter verheiratet, käme mit dem Ehemann als möglichem Vater ein sechster Beteiligter in Betracht. Und sollte den Initiativeltern irgendwann etwas zustoßen und das Kind adoptiert werden, gäbe es am Ende bis zu acht Menschen, die in irgendeiner elterlichen Beziehung zu dem Kind stehen. Wer ein Kind zeugt, und wer es später aufzieht und versorgt – dies unterscheide sich durch die moderne Medizin heute viel häufiger als früher, beschrieb Sanders. Diese tatsächlichen Ebenen der Elternschaft seien jedoch für die juristische Bewertung relevant. „An welchen Tatsachen wollen wir uns orientieren, um die rechtliche Elternschaft zu gestalten – und wie soll diese dann aussehen?“, beschrieb Sanders das Problem für den Gesetzgeber.

Die bisherigen Paragrafen des Bürgerlichen Gesetzbuchs greifen nach Ansicht der Juristen zu kurz: Als Mutter eines Kindes wird dort die „Frau, die es geboren hat“ beschrieben. Und Vater ist entweder der Ehemann der Mutter oder jemand, der die Vaterschaft anerkennt oder dem sie nachgewiesen wird. Die zunehmende Vielzahl möglicher Elternteile dürfte künftig zu wachsenden Konflikten führen, auf die die deutschen Gesetze nur unzureichend vorbereitet sind, erwarten die Juristen. Denkbar sind etwa Streitigkeiten zwischen Leihmüttern und Initiativeltern um die Herausgabe oder Abnahme eines Kindes. Auch mögliche Unterhaltsansprüche könnten Konfliktpotenzial bedeuten.

Neue Diskussion über Leihmutterschaften erwartet

Für Bischof Overbeck bekommt angesichts der Mehreltern-Problematik die Frage nach der Identitätsbildung von Kindern eine neue Dimension. Zudem machte er sich in der Diskussion dafür stark, das Thema „vom Kindeswohl her zu denken. Dienen so viele Elternteile dem Kind und seinem Wohl?“, fragte er provokant. Sanders warnte jedoch „vor eine Überschätzung des Kindeswohls. Für einen Staat ist es sehr schwer zu klären, was das Kindeswohl ist“. Das Grundgesetz lege fest, dass die Eltern bestimmen, was gut für das Kind ist. Der Staat habe lediglich ein Wächteramt. Ähnlich sah dies der Paderborner Moraltheologe Professor Peter Schallenberg auf dem Podium: „Eine ganz objektive Untersuchung des Kindeswohls wollen wir nicht – und sie wäre auch nicht möglich.“

Schallenberg erwartet, dass allein aufgrund der Diskussion um die Gleichstellung homosexueller Paare in Zukunft eine neue Debatte über Leihmutterschaften aufkommen wird. Unter engen Bedingungen – etwa begrenzt auf die Familie oder einen Freundeskreis und ohne kommerzielle Hintergründe – hält Schallenberg Leihmutterschaften „ethisch für vertretbar“. Auch Sanders kann sich dies vorstellen, betont aber die besondere Verantwortung der Initiativeltern: „Wenn man Leihmutterschaft zulässt, muss man gewährleisten, dass sich die Initiativeltern nicht aus der Verantwortung stehlen können“, betonte sie. „Was passiert etwa, wenn eine Leihmutter ein behindertes Kind zur Welt bringt?“ fragte Bischof Overbeck.

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