von Maria Kindler

Generalvikar Pfeffer: „Notwendig, dass Frauen Zugang zu Ämtern haben“

Eucharistie feiern, Kinder taufen, Kranke salben: Frauen fordern die gleichberechtigte Teilhabe an Ämtern in der katholischen Kirche – mit immer mehr Nachdruck. Manche dieser Frauen fühlen sich zur Priesterin oder Diakonin berufen. Generalvikar Klaus Pfeffer diskutierte bei einer Online-Veranstaltung der katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ über eine geschlechtergerechte Kirche.

Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer hat sich für die Öffnung von Ämtern für Frauen in der katholischen Kirche ausgesprochen. „Ich denke schon seit vielen Jahren, dass uns da etwas verlorengeht“, sagte Pfeffer am Donnerstagabend bei einer Online-Veranstaltung der katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim. „Ich halte es für notwendig, dass Frauen Zugang zu den Ämtern haben“, sagte Pfeffer. Dass Frauen sich berufen fühlten, gelte zwar immer noch als „Tabu“. „Aber der offene Dialog darüber ist der erste Schritt zu bereichernden Veränderungen“, betonte Pfeffer.

Pfeffer diskutierte in der von Akademiedirektorin Judith Wolf moderierten Veranstaltung mit der Herausgeberin des Buches „Weil Gott es so will“, Ordensschwester Philippa Rath, und mit der Pastoralreferentin und Hochschulseelsorgerin, Kerstin Rehberg-Schroth aus dem Bistum Mainz, die in dem Buch von ihrer Berufungsgeschichte erzählt. An der coronabedingt rein digitalen Veranstaltung nahmen 135 Menschen teil – auch aus dem Ausland und jenseits der Bistumsgrenzen. Sie konnten über den Chat Fragen an das Podium richten.

Das im Februar erschienene Buch hatte nicht nur in der katholischen Kirche für Aufsehen gesorgt und die Debatte über eine geschlechtergerechte, vielgestaltige und zukunftsfähige Kirche befeuert. Das Buch enthält die Lebenszeugnisse von 150 Frauen, die sich zur Priesterin oder zur Diakonin berufen fühlen, ihre Berufung aber nicht leben können, weil in der katholischen Kirche Weiheämter Männern vorbehalten sind.

Schwester Philippa: Pausenkaffee mit zwei Bischöfen war Anlass

Der Grundstein für das Buch wurde bei einer Tasse Kaffee während einer Pause bei der Versammlung des Reformdialogs Synodaler Weg im Februar 2020 in Frankfurt gelegt, berichtete Philippa Rath, Benediktinerin der Abtei Sankt Hildegard in Rüdesheim-Eibingen. Zwei Bischöfe hätten damals zu ihr gesagt, dass es doch nur sehr wenige Frauen gebe, die sich zum Priesteramt berufen wüssten, sagte die Delegierte des Synodalen Wegs, die dort auch Mitglied im Forum „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ ist.

Um ihnen bei einem nächsten Treffen das Gegenteil beweisen zu können, schrieb Schwester Philippa einige Frauen an, von deren Berufungsgeschichten sie wusste – und setzte damit ein Schneeballsystem in Gang. „Aus zwölf Emails wurden in zwei Wochen 150 Emails, mein Postfach lief über, und ich fand sehr bewegende, anrührende Texte in meinem Computer“, erzählte die Ordensschwester. Viele Frauen hätten ihr geschrieben: „Ich bin in der Kirche noch nie nach meiner Berufung gefragt worden.“ Der Wunsch diese Zeugnisse öffentlich zu machen, ließ schließlich „aus einer klein gedachten Initiative ein Buch werden“.

Ausschluss von Ämtern bedeutet für Frauen Leid und Schmerz

Dass Frauen allen Ernstes Priesterinnen werden wollten, könnten sich viele männliche Verantwortungsträger in der katholischen Kirche gar nicht vorstellen. „Diese Berufungsgeschichten sind Leidensgeschichten“, betonte Schwester Philippa. Beim Lesen der Texte seien bei ihr „Tränen geflossen“. Dass die Äußerungen über ihre Berufungen „belächelt“ würden, seien „traumatische Erfahrungen“ für die Frauen. „Alle diese Frauen wissen sich von Gott berufen und meinen zu wissen, dass Gott es so will“, sagte Schwester Philippa. „Eine Berufung hat einen Unbedingtheitscharakter.“ Darin liege „der Schmerz und das Leiden dieser Frauen“.

Pastoralreferentin Rehberg-Schroth stößt bei ihrer Arbeit an Grenzen

Die Pastoralreferentin Kerstin Rehberg-Schroth berichtete von ihrem Weg in der katholischen Kirche und einer schon früh empfundenen Sehnsucht, die sie in den Gemeindedienst gezogen habe. „Ich liebe es Liturgie zu feiern, aber ich darf keine Eucharistie feiern, hier stoße ich an eine Grenze“, sagte Rehberg-Schroth. Sie sei „dankbar“, dass sie inzwischen Beerdigungen begleiten dürfe. Und dennoch bleibe die Frage: „Warum muss ich dankbar sein für etwas, was für andere normal ist?“

Pfeffer: Frage nach gleichberechtigter Teilhabe hat „Spaltungspotenzial“

Generalvikar Pfeffer betonte, dass die geforderten Veränderungen einen fundamentalen Wandel des Priesterbildes bedeuteten. „Ich erlebe meine Berufsgruppe als sehr verunsichert“, sagte Pfeffer. Es gebe auch Katholiken, die sehr aggressiv reagierten, weil sie eine „tiefe Angst“ spürten. Die Frage nach der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen an kirchlichen Ämtern und Diensten sei „ theologisch-dogmatisch unheimlich hoch gehängt“ und habe „Spaltungspotenzial“, weswegen in der Diskussion darum die Wogen so hochgingen. Es brauche viel Geduld. 

Schwester Philippa: Es kommen verschiedene Ängste zusammen

Schwester Philippa mahnte, sich in der Debatte um eine geschlechtergerechte Kirche mehr „auf den Gewinn und nicht auf den Verlust zu fokussieren“. In der Frage kämen verschiedene Ängste zusammen: Angst vor Machtverlust und Konkurrenz, Angst vor theologisch hoch qualifizierten Frauen, Angst vor Frauen im Allgemeinen und vielleicht auch Verlustängste von Priestern, für die durch den Zölibat ihre Mitbrüder ihre Familie seien.

Sie selbst habe viele Jahre lang als Krankenhausseelsorgerin über Wochen und Monate Sterbende begleitet, ihnen aber die Krankensalbung nicht spenden dürfen, weil dies nur geweihten Priestern vorbehalten sei. Viele Frauen, die Kinder auf die Erstkommunion vorbereiteten, hätten ihr geschrieben, wie schmerzlich es sei, dass sie bei der Erstkommunion selbst nur eine „Statistenrolle“ spielten. Dieser Ausschluss sei eine Kränkung. „Wir verwässern bestimmte Sakramente, indem wir Menschen festlegen auf bestimmte Geschlechter“, sagte Schwester Philippa.

Pfeffer unterstrich die Gefahr, dass „Sakramente völlig aushöhlen“. Dabei seien Sakramente etwas, „wo Menschen sich berühren“ ließen.

Rehberg-Schroth: Verschwendung von Begabungen und Charismen

Einen neuen Blick auf die Theologie wünschte sich Rehberg-Schroth. „Bei der Frage „Wer kann leiten?“ sollten Begabungen und Charismen das Kriterium sein“, sagte Rehberg-Schroth. Entscheidend sei, dass Ämterfragen nicht am Geschlecht festgemacht werden dürften, sondern an der Frage der Berufung durch Gott und der theologischen und geistlichen Kompetenz des Einzelnen. „Wir haben keine Zeit mehr für langsame Schritte“, betonte Rehberg-Schroth. Vor allem viele Frauen verließen die Kirche, weil sie die Ungleichbehandlung nicht mehr aushielten. „Der Geduldsfaden ist am Abreißen.“

Schwester Philippa: Es kann Zwischenschritte geben

Das derzeitige Kirchenrecht gebe schon Spielräume, die genutzt werden könnten, sagte Schwester Philippa. In der Schweiz werde das schon praktiziert, wenn beispielsweise Frauen Gemeinden leiteten. Es seien Bischöfe gefragt, die nicht nur geweihte Priester mit Sakramentsbefugnissen ausstatteten. „Ich glaube an Wunder!“, sagte Schwester Philippa. „Wir müssen jetzt die Arbeit leisten, aber dann wird es ganz schnell gehen. Ich bin fest davon überzeugt!“

Pfeffer warb abermals für Geduld. „Ich habe nicht die Macht, den Hebel morgen umzulegen, aber wenn wir ein Interesse daran haben, diese katholische Kirche zu verändern, dann müssen wir mit Bischöfen Gespräche führen und den Dialog verstärken. Konfrontation hilft nicht weiter“, sagte Pfeffer.

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