von Thomas Rünker

Gemeinsam anders: Wie katholische Bildungsträger im Bistum Essen ‎gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken

Die Katholische Akademie „Die Wolfsburg“ und die Schulabteilung des Bistums sind ‎zwei von vier Kulturträgern, die in diesem Jahr den Fokus ihrer Angebote auf das ‎Thema „Gemeinsam anders. Gesellschaft stärken!“ legen. Was das konkret ‎bedeutet, erläutern Katharina Olgun, Leiterin der Abteilung für Religionsunterricht ‎und Schulkultur, und „Wolfsburg“-Dozent Jens Oboth.‎

Schulen erleben gesellschaftliche Vielfalt und suchen Wege für mehr Gemeinschaft

Workshops und Tagungen fördern Austausch zu Extremismus und Demokratie

Kirche unterstützt Lehrkräfte und Schulen beim Umgang mit Unterschieden und Spannungen

Von der Herausforderung, aus zahlreichen Individuen, die alle irgendwie ganz anders sind, eine Gemeinschaft zu formen, kann jede Lehrkraft ein Lied singen. Wenn Ende August die Schule wieder beginnt, entstehen neue Eingangsklassen in Grund- und weiterführenden Schulen, müssen Sitzenbleiber und Überspringerinnen genauso integriert werden wie Neuzugezogene oder Kinder, die die Schule wechseln. Kein Wunder, dass das Jahresthema „Gemeinsam anders. Gesellschaft stärken!“ des Kulturressorts im Bistum Essen gerade an den Schulen besonders gut ankommt, wie Katharina Olgun, Leiterin der Abteilung für Religionsunterricht und Schulkultur festgestellt hat: „Viele gesellschaftliche Probleme werden an Schulen wie in einem Brennglas gebündelt.“ Zugleich fühlten sich die Schulen „mit allem, was gerade so passiert, ziemlich allein“ – etwa mit einer wachsenden kulturellen und religiösen Vielfalt, mit politischen Polarisierungen oder den alten und neuen Unterschieden zwischen Arm und Reich. „Mit Veranstaltungen und anderen Angeboten unter der Überschrift ,Gemeinsam anders. Gesellschaft stärken!‘ wollen wir als Kirche die Menschen in den Schulen stärken, um mit Spannungen produktiv umgehen zu können“, betont Olgun.

Studierende des Weiterbildungskolleg arbeiten zu politischem Extremismus

So geht zum Beispiel das Nikolaus-Groß-Weiterbildungskolleg in Essen die gesellschaftlichen und politischen Unterschiede im Ruhrgebiet im September mit einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Bistumsakademie „Die Wolfsburg“ an. „40 Studierende des Kollegs und Abendgymnasiums werden sich dann zwei Tage lang mit der Frage beschäftigen ,Wie hängen Politikverdrossenheit und extremistisches Wahlverhalten zusammen?‘, erklärt „Wolfsburg“-Dozent Jens Oboth. Das Angebot sei ein gutes Beispiel dafür, wie unter der Überschrift des Jahresthemas die individuelle und die gesellschaftliche Situation miteinander verbunden werde, sagt Oboth. Denn einerseits stehen bei dem Workshop – zum Beispiel bei einer Exkursion nach Gelsenkirchen, wo die AfD bei der letzten Wahl die Mehrheit geholt hat – politische und soziologische Fragen im Vordergrund. Andererseits geht es um die Teilnehmenden selbst, junge Erwachsene auf dem Zweiten Bildungsweg, „die sich oft als politisch wirkungslos erleben und fragen ,Wer interessiert sich denn für mich‘?“ so Oboth. Workshops für eigene Poetry-Slam-Erfahrungen oder die richtige Technik für TikTok-Reels sollen den Teilnehmenden neue Perspektiven eröffnen.

Jahresthema sorgt für Vernetzung mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen

Bei aller Bedeutung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, beim Thema „Gemeinsam anders. Gesellschaft stärken!“ schaut Oboth auch auf andere Gruppen. Erst Mitte Juni waren rund 70 teils hochrangige Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus Polizei, Schulen, Stadtverwaltungen und anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes in der „Wolfsburg“ zu Gast. Angesichts des Erstarkens politischer Extremkräfte hatte die Akademie dazu eingeladen über die öffentliche Verwaltung „Zwischen Neutralitätspflicht und Wertegebundenheit“ zu diskutieren. Neben der inhaltlichen Perspektive der Veranstaltung hebt Oboth die Kooperation mit externen Partnern wie dem Zentrum für politische Bildung und Vielfalt (ZePol) beim Landesamt für Ausbildung, ‎Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW hervor: „Das Crossing-over, die Begegnung so unterschiedlicher Berufsgruppen zur gleichen Problemstellung, haben in der Reflexion ganz viele Teilnehmende als große Bereicherung beschrieben.“ Dass die Kirche hier ein guter Gesprächspartner sei, hat Bischof Franz-Josef Overbeck auf der Tagung betont: „Politik ist immer auch die andere Seite der Frömmigkeit.“ Gleichzeitig könne die Kirche aber auch Räume wie die „Wolfsburg“ zur Verfügung stellen, damit man sich in einer immer zersplitterten Gesellschaft überhaupt zuhört. „Wir stehen mit dafür ein, dass die Gesellschaft beieinander bleibt“, beschreibt es Oboth.

INFO: Umfangreiches Veranstaltungsprogramm

Nicht nur für Fachleute, sondern gerade auch für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger haben die vier Kulturträger im Bistum Essen – neben der „Wolfsburg“ und dem Schulbereich auch das Essener Medienforum und die Katholische Erwachsenen- und Familienbildung – unter der Überschrift ihres Jahresthemas „Gemeinsam anders. Gesellschaft stärken!“ zahlreiche Veranstaltungsangebote zusammengestellt. Alle Informationen sind auf dieser Seite abrufbar: https://gemeinsamanders.bistum-essen.de

Vor diesem Hintergrund steht zum Beispiel die „Demokratiekonferenz“ am 7. Oktober, bei der Fachleute in der „Wolfsburg“ auf die bisherigen Konzepte schauen, die Jugendliche vor politischem Extremismus bewahren sollen. Auch hier gehe es darum, kirchliche Akteure – zum Beispiel aus Schule und Jugendarbeit – mit denen anderer Träger zusammenzubringen, betont Oboth, etwa der Partnerschaft für Demokratie in Mülheim. Gleiches gilt für die Fachtagung zu „Toxischen Geschlechterbildern“ am 18. November, zu der die „Wolfsburg“ gemeinsam mit dem Mülheimer Büro für Chancengleichheit, dem Runden Tisch gegen häusliche Gewalt und der Zentralen Gleichstellung der Hochschule Ruhr-West einlädt. „Wir wollen als ,Wolfsburg‘ gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern an Themen arbeiten, die nicht sein sollen“, erläutert Oboth den Hintergrund. Anders ausgedrückt: „Gemeinsam anders. Gesellschaft stärken!“

Schulkultur aus christlicher, muslimischer und nichtreligiöser Sicht

Olgun rundet den Blick auf dieses Jahresthema mit dem Verweis auf eine Veranstaltung für Lehrkräfte ab: „Am 10. November laden wir als Bistum christliche, muslimische und alle weiteren interessierten Lehrkräfte zu einer Tagung über Schulkultur in die ,Wolfsburg‘“. Ausdrücklich geht es dabei nicht nur um Religions-Lehrende, „denn die Idee ,Gemeinsam anders‘ betrifft alle in der Schulgemeinschaft“, sagt Olgun. „Wie gehen wir in unserer Schule mit den Unterschieden zwischen uns um?“, sei die zentrale Fragestellung der Tagung, bei der die Elternarbeit ebenso thematisiert werde wie die Gestaltung schulischer Feiern. Auch ein Training zum Umgang mit populistischen oder extremistischen Parolen gehöre dazu. „Als katholische Kirche haben wir Know-how, um vor Ort für religiöse Verständigung zu sorgen. Doch dafür brauchen wir Partnerinnen und Partner in den Schulen vor Ort. Sie möchten wir unterstützen für ihre je eigene Schule Schulkultur zu gestalten.“, erläutert Olgun. Und zu diesem Gestalten gehöre eben nicht immer nur, die Spannungen, die in einer vielfältigen Gemeinschaft zwangsläufig bestehen, auflösen zu wollen, hebt sie mit der vielfältigen Schulerfahrung hervor. „Wenn ich eine Gemeinschaft – und vielleicht auch die ganze Gesellschaft – stärken möchte, geht es oft erst einmal darum, Spannungen überhaupt auszuhalten.“

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