von Lisa Myland

Federsturm, Blitzlichtgewitter und Farbbomben: Erlebnisausstellung der Duisburger Jugendkirche lässt junge Menschen durch eigene Gefühlswelt reisen

Es ist mal bunt und flauschig, mal leuchtend und golden, aber auch dunkel und bedrückend in der Jugendkirche Tabgha am Duisburger Dellplatz. Die Erlebniswelt spricht alle Sinne an, weckt Erinnerungen und Gefühle und soll jungen Menschen Raum geben, sie einfach mal rauszulassen und gemeinsam darüber zu sprechen.

„Oooooh mein Gott, ich nehm die!“, ruft Chrissy und greift nach der Barbiepuppe mit rosa Kleid und langen blonden Haaren. „Das erinnert mich so sehr an meine Kindheit, weil ich damit einfach in meine eigene Welt abtauchen konnte“, sagt die 22-Jöhrige. Sie steht im Kreis mit ihrer Schulklasse, jeder hat ein Spielzeug in der Hand, das für sie ihre Kindheit ausmacht: Legosteine, ein Comicheft mit Donald Duck, ein Schlüsselband der Serie „Schloss Einstein“, ein Pixie-Buch mit dem Titel „Conni auf dem Bauernhof“ oder eine Bravo-Hits-CD. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind umgeben von Regalen mit Spielzeug, Stofftieren und Büchern, die in allen sofort Gefühle und Erinnerungen wecken.

Lebensumbrüche, in denen ganz viel passiert

Die bunt gefüllten Regale sind der erste Raum der Erlebniswelt „Weltenbummler“ in der Duisburger Jugendkirche „Tabgha“, in der die 19 Gäste des Berufskollegs der Johannes-Kessels-Akademie zu Besuch sind. Fast der gesamte Kirchenraum ist mit Metallsäulen und weißen Stoffwänden in Abschnitte unterteilt, Fäden mit bunten Bändern spannen sich rüber zu einem großen, schwarzen Pfadfinderzelt vor dem Altar. „Hier bummeln Kinder und Jugendliche gemeinsam durch die Welten, die sie erleben mit all ihren Gedanken, Gefühlen und Sinneserfahrungen”, sagt Michele Przybyla, Leiterin der Jugendkirche. „Wenn jemand etwas Neues an sich entdeckt und das auch nach dem Besuch hier nachwirkt, ist das natürlich besonders schön. Vor allem das Lernen außerhalb der Schule und sich mit sich selbst zu beschäftigen ist eine Erfahrung, die jedem und jeder guttun kann.“

Gerade 14- bis 21-Jährige seien in vielen Lebensumbrüchen, in denen ganz viel passiere. Hier setzt die Jugendkirche mit der Erlebniswelt an, möchte diesen Menschen neue Perspektiven auf ihr Leben zeigen. Das Team bietet sie jedes Jahr zwischen den Oster- und Sommerferien an, jedes Mal mit einem neuen Konzept, in das immer wieder neue Dinge und Themen einfließen, die sie bei den Jugendlichen im Alltag beobachten.

Zwischen leicht fühlen und verletzlich sein

Im nächsten Raum der Erlebniswelt fliegen plötzlich weiße Federn durch die Luft. Chrissy nimmt eine Handvoll aus einem Sack, wirft sie in den Ventilator in der Mitte. Wild wirbeln sie durch den kleinen Raum mit den runden, bunten Kirchenfenstern, darunter die orangene Leuchtschrift „Wovon träumst du?“. Während die jungen Gäste die Federn schweben lassen oder auch nur beobachten, erzählen sie von den Träumen, die sie als Kind hatten und auch heute noch verfolgen, von dem, was sie sich leicht fühlen lässt. „Ich möchte eine eigene Familie haben“, sagt Chrissy. „Ich auch auf jeden Fall!“, stimmt ihr Max zu. „Leicht und frei fühle ich mich vor allem, wenn ich so Sachen machen darf wir grade oder mal nicht alles planen muss“, ergänzt Chrissy. „Beim Sport hab ich meine Ruhe und mache einfach mein Ding, das ist für mich Leichtigkeit“, erzählt Patrick.



Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen gehen weiter zu Tischen und Bänken, auf denen kleine, weiße Menschen aus Ton liegen. „Nach der Leichtigkeit geht es jetzt um eure Verletzlichkeit, um Narben oder Geschichten und Situationen, die euch vielleicht belasten“, erklärt Paul Geiger, der als pädagogischer Teamer gemeinsam mit Alja Müller durch die Erlebniswelt führt. „Das machen wir mit der japanischen Kunst ‚Kintsugi‘, eine Reparaturtechnik, bei der man die Risse in Keramik mit goldenem Kleber wieder zusammensetzt.“ Schüler Max bricht den Kopf seiner Tonfigur ab, nimmt die kleine Plastiktube mit dem Kleber und streicht die goldene Flüssigkeit über die Kanten. „Ich bin einfach ein totaler Kopfmensch, vor allem als Jugendlicher hab ich schnell Panik in sozialen Situationen bekommen, mich da rausgezogen. Oft konnte ich mich nicht mit Worten wehren, habe dann eher zugeschlagen. Heute hab ich natürlich gelernt, anders damit umzugehen, aber diese Zeit hat mich einfach sehr geprägt“, sagt der 27-Jährige.

Stress, zu viele Reize und abstumpfen in der Nachrichtenflut

Das große, schwarze Zelt in der Mitte der Erlebniswelt ist für alle eine Herausforderung. Im Kreis sitzen sie in der Dunkelheit des Zelts, zwischen ihnen graue Steine auf dem Boden. Jeder bekommt einen Kopfhörer auf die Ohren: Auf dem linken Ohr wechseln schnell Nachrichten-Schlagzeilen über Kriege im Ghaza-Streifen und der Ukraine, Uneinigkeit in der Bundestags-Politik oder Unwetter-Ereignisse, unterlegt von einem durchgehenden Rauschen. Auf dem rechten Ohr hören sie ein lautes Schnarchen, rückwärts abgespielte Nachrichten und immer wieder ein Piepsen. Plötzlich flackern weiße Strobo-Blitzlichter auf, die im Sekundentakt das gesamte Zelt erhellen. Teamer Paul zündet einen großen Haufen Weihrauch-Duftkegel an, dessen Nebel langsam bis an die Decke zieht. Dann geht er rum und gibt jedem eine saure Kaugummi-Kugel, auf deren Packung steht in schwarzer Schrift „Destroyer“.



Nach etwa zehn Minuten verlassen die Jugendlichen nach und nach das Zelt, gehen zurück in den hellen Kirchraum. „Was hat das bei euch ausgelöst?“, fragt Teamerin Alja. Alle sind sich einig: „Stress, zu wenig Luft zum atmen, viel zu viel und alles auf einmal, Enge und irgendwann ein abstumpfen, der Versuch, sich auf irgendetwas zu konzentrieren, um nicht komplett überfordert zu sein.“ „Manchmal brauchen wir einfach eine Auszeit, wenn uns die eigenen Gefühle überrollen“, sagt Alja. „Jetzt dürft ihr eure Gefühle rauslassen“, erklärt sie und zeigt auf eine Kiste mit vielen Spritzen, die mit bunter Farbe gefüllt sind. Langsam löst sich die Ernsthaftigkeit und Stille auf. Die jungen Gäste sprechen wieder durcheinander, lachen, greifen sich eine Spritze und schießen die Farbe auf drei große Plexiglaswände, die hinter dem Altar von der Decke hängen.

„Wir haben uns auch untereinander mal ganz anders ausgetauscht“

Im Café der Jugendkirche kommen sie am Ende der Erlebniswelt nochmal alle zusammen, sitzen in der großen Couchecke, tauschen bei Softgetränken und Süßigkeiten ihre Gedanken und Gefühle aus. Alle sind überrascht von dem, was sie in den vergangenen zwei Stunden erlebt haben. Und: „Wir haben uns auch untereinander mal ganz anders ausgetauscht, als sonst in der Schule“, sagt eine Schülerin. Chrissy fasst das zusammen, was auch die meisten aus ihrer Schulklasse so empfinden: „Die Leichtigkeit und Freiheit zu spüren im Raum mit den Federn war sehr schön, aber auch das zerbrechen und kleben fand ich sehr wertvoll.“ Mit vielen Eindrücken geht die Berufsschulklasse an diesem Tag nach Hause, immer wieder werden ihre Gedanken vermutlich nochmal kreisen: Um fliegende Federn, vergoldete Figuren, Blitzlichtgewitter, bunte Legosteine und ihre eigenen Gefühle und Erinnerungen an Lebensphasen, die mal schwer und mal leicht sind.

Jugendreferentin

Michele Przybyla

Dellplatz 35
47051 Duisburg

0151 16143093

michele@tabgha.ruhr

TABGHA

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45127 Essen