Fast vergessene Volkskunst aus dem Sudetenland

Zwittauer Weihnachtskrippen sind echte Raritäten. Eine dieser Krippen gelangte nach dem Zweiten Weltkrieg in einer als "Verbandskasten" getarnten Truhe vom Sudetenland in den Westen. Jetzt kann die Krippe der Familie Tyrolt in der Essener Anbetungskirche an der Kettwiger Straße bestaunt werden.


Zwittauer Weihnachtskrippe in der Anbetungskirche zu sehen

Wie jedes Jahr werden zahlreiche, liebevoll ausgestaltete Krippen die Menschen in der Essener Innenstadt auf das Weihnachtsfest vorbereiten. In diesem Jahr aber wird die Essener Krippenlandschaft durch eine besondere Krippe bereichert, die in der Anbetungskirche an der Kettwiger Straße zu sehen ist: eine Zwittauer Weihnachtskrippe aus dem 19. Jahrhundert aus dem Besitz der Familie Tyrolt.

Zwittau (tschech. Svitavy), im böhmisch-mährischen Hügelland gelegen, war seit dem 17. Jahrhundert berühmt für seine geschnitzten Krippen, von denen es zwischen den beiden Weltkriegen noch über 400 Exemplare gab. Typisch für diese Krippen war ihr stufenförmiger Aufbau, der mehr an einen barocken Altar als an einen „Stall“ erinnerte.  Dieser Aufbau bot den Rahmen für die Darstellung der Weihnachtsgeschichte: Maria mit dem Kinde, der heilige Josef mit Ochs und Esel, die Heiligen Könige und ihr Gefolge. Zur Linken breitete sich die Stadt Bethlehem aus, zur Rechten lag das Feld mit den Hirten. In manchen Krippen konnten einige Figuren auch mechanisch betrieben werden.


In einer "Verbandskiste" nach Westen

Im letzten Weltkrieg wurden viele dieser Krippen zerstört. Nur wenige fanden aus dem Sudetenland den Weg in den Westen. Einer der geretteten Krippen ist die Tyrolter Krippe. Ihre Figuren konnten nach dem Krieg, als die Familie ihre Heimat verlassen musste,  in einer als Verbandskiste des Roten Kreuzes getarnten Truhe heimlich mitgenommen werden. „Alles andere ist zu ersetzen, die Krippe nicht“, war die klare Aussage der Familie Tyrolt. Leider mussten wegen des schnellen Abtransportes Häuser und Stall des spätbarocken Ensembles zurückgelassen werden. Doch alle Figuren  konnten gerettet werden. Nachdem sie sich in Essen niedergelassen hatten, bauten Vater und Sohn den Stall an Hand alter Fotografien nach. Die fast 40 Figuren, die Heilige Familie, die anbetenden Hirten und Könige und ihr buntes Gefolge, vor allem aber die schönen Engelsköpfe und musizierenden Engel im und auf dem Rundbogen des Stalles sind jedoch noch alle Originale aus dem Jahr 1835. Die Hauptfiguren sind mit Blattgold belegt, die übrigen prächtig farbig bemalt, wobei neben Rot und Grün das Gold
überwiegt. Auffallend neben dem reichen Faltenwurf und den vielen liebevollen Details sind die  Heiligenscheine des Jesuskindes, Marias und Josefs, die als „Strahlenrad“ mit einer Stange über die Köpfe der Heiligen angebracht sind.

Die Tyrolt-Krippe ist schon auf zahlreichen Ausstellungen zur Krippen- und Volkskunst im In- und Ausland gezeigt worden. Die diesjährige Aufstellung auf der Dominsel ist Brigitte Marré aus Essen-Rüttenscheid, einer Tochter Franz Tyrolts, zu verdanken, die die Krippe dem Domkapitel für sechs Wochen leihweise zur Verfügung stellt.

Der außergewöhnliche Krippenstall mit Königszug ist in der rechten Seitenkapelle der Anbetungskirche vom 1. Adventssonntag  bis zum Dreikönigsfest, 6. Januar, während der Öffnungszeiten zu sehen. Während der Gottesdienste von 7.00 bis 7.45 Uhr, 10.00 bis 10.45 Uhr und 17.30 bis 18.15 Uhr kann keine Besichtigung stattfinden. (gedo/do) 

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