von Maria Kindler

Europa und Staatskirchenrecht – Essener Gespräche in der „Wolfsburg“

Die Auswirkungen europäischer Rechtsprechung auf das deutsche Staatskirchenrecht waren Thema der Essener Gespräche in diesem Jahr. Rund 120 Experten aus Wissenschaft, Kirche, Politik und Verwaltung diskutierten bei der renommierten Fachtagung in der katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim.

Die Spannungen zwischen Europa und deutschem Staatskirchenrecht standen am Montag und Dienstag im Fokus der 55. Essener Gespräche zum Verhältnis von Staat und Kirche, die in Verantwortung der katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim durchgeführt wurden.

Rund 120 Experten aus Wissenschaft, Politik, Kirche und Verwaltung – unter ihnen auch Nachwuchswissenschaftler – diskutierten die zentrale Frage: Droht eine Überformung des institutionellen Staatskirchenrechts durch das auf Funktionalität ausgerichtete Europarecht?

„Funktionalität und Institutionalität stehen beim Thema Staat und Kirche in einem Spannungsverhältnis, das nicht zu einer Seite hin aufgelöst werden darf“, sagte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. „Wer sich auf diesem Gebiet als gesprächsfähig erweisen möchte, der braucht einen Sinn für die Säkularität des Rechts und für die Eigenheit des Religiösen.“ Ähnlich wie das deutsche Staatskirchenrecht, das durch das Europarecht unter Druck gerate, stehe auch die Kirche in der Gesellschaft unter Druck. Die Kirche befinde sich in einer „Zeitenwende“, die sie gestalten und in der sie sich neu positionieren müsse.

Bei den 55. Essener Gesprächen unter dem Titel „Institutionen unter Druck – Europarechtliche Überformung des Staatskirchenrechts?“ referierten der Göttinger Europarechtler Prof. Frank Schorkopf, die Vizepräsidentin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, Prof. Angelika Nußberger, der Freiburger Staatsrechtler Prof. Matthias Jestaedt, der Bonner Arbeitsrechtler Prof. Stefan Greiner, der Göttinger Staatskirchenrechtler Prof. Hans Michael Heinig und der Bonner Kultursoziologe Prof. Clemens Albrecht. Der Leipziger Staats- und Verfassungsrechtler Prof. Arnd Uhle leitete die Tagung.

Die Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche haben sich seit ihren Anfängen 1966 zu einem europaweit anerkannten überkonfessionell und interdisziplinär ausgerichteten wissenschaftlichen Fachkongress entwickelt, bei dem aktuelle Fragen zum Verhältnis von Staat und Kirche erörtert werden. Die Dokumentationsbände finden seit Jahren in Rechtsprechung und Fachliteratur Beachtung und werden in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zitiert.

Immer im Frühjahr lädt der Ruhrbischof zu den Essener Gesprächen in „Die Wolfsburg“ ein. Die nächste Tagung am 15. und 16. März 2021 wird sich mit dem Thema „Autonomie am Lebensende“ beschäftigen. Ende Februar hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe als verfassungswidrig mit der Begründung aufzuheben, es gebe ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben.

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