Es gibt keinen Gott – oder doch?

Richard Dawkins Versuch, seinen Atheismus mit (natur-)wissenschaftlicher Kompetenz gleichzusetzen, ist unter Atheisten populär. Dieses Ansinnen ist alledings nicht wirklich neu. Von Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck


Richard Dawkins Atheismus contra biblischem Schöpfungsglauben


Richard Dawkins Versuch, seinen Atheismus mit (natur-)wissenschaftlicher Kompetenz gleichzusetzen, ist zwar nicht neu und doch unter Atheisten (wieder) populär. Auch Ludwig Feuerbachs Versuch, Religion unter Projektionsverdacht zu stellen, erschien damals vielen höchst plausibel und lässt manche Atheisten auch heute darauf zurückkommen. Seine Behauptung, Religion sei nichts anderes als die Projektion der menschlichen Wünsche an den Himmel, ließ ihn das biblische Bekenntnis, Gott habe den Menschen nach seinem Bild geschaffen, einfach umdrehen und sagen: Der Mensch habe Gott nach seinem Bild geschaffen. Doch er konnte die Nichtexistenz Gottes genauso wenig „beweisen“ wie Dawkins die Richtigkeit seiner These, die (Natur-)Wissenschaft – er beruft sich dabei auf Darwins Evolutionslehre, - habe Gottes Existenz widerlegt. Nur: Ein Gott, dessen Existenz sich (natur-)wissenschaftlich beweisen oder widerlegen ließe, wäre kein Gott mehr. Was sich nicht beweisen lässt, lässt sich eben auch nicht widerlegen! Selbst wenn atheistische Positionen immer eine Herausforderung für den Glauben an Gott darstellen, so ist der Glaube an Gott noch lange kein Ausdruck von Dummheit, Unvernunft und fehlender Aufklärung. Es gibt durchaus gute und nachvollziehbare Gründe für ihn. Anselm von Canterbury hat das einst auf die Formel gebracht: „Fides quaerens intellectum“ - „Der Glaube sucht das Verstehen“. Das Verstehen sucht aber auch umgekehrt den Glauben – „Intellectus quaerens fidem“. Glaube und Verstehen schließen einander keineswegs aus!

Als Charles Darwin den Gedanken der Evolution alles Lebendigen entwickelte, stellte er die überlieferte Vorstellung von der Konstanz der durch Gott geschaffenen Arten von Grund auf in Frage. Damit eröffnete er eine Revolution des Weltbildes: Werden trat an die Stelle von Sein, Entwicklung an die Stelle von Schöpfung. Schöpfungsglaube und Entwicklungsgedanke standen plötzlich zueinander in einem unüberbrückbaren Gegensatz. Entwicklung schloss Schöpfung aus und damit den Schöpfer. Die Weise, wie man sich bis dahin Schöpfung vorgestellt hatte, gehörte nun einem vorwissenschaftlichen, nicht evolutiven Weltbild an, das unhaltbar geworden war. Der Glaube war damit seines Weltbildes beraubt, das doch geradezu er selbst gewesen zu sein schien, und wurde auf ein anderes, (natur-)wissenschaftliches Weltbild bezogen. Nicht Glaube und Naturwissenschaft lautete nun die populäre Devise, sondern Glaube oder Naturwissenschaft. Mit Letzterem glauben manche bis heute, nicht nur den Glauben an Gott, sondern zugleich die Existenz Gottes selbst widerlegen zu können. Richard Dawkins zählt sich zu ihnen.

Doch was bedeutet der Schöpfungsglaube im Blick auf das evolutive Verständnis von Welt? An Schöpfung und damit an den Schöpfer zu glauben heißt: Die von der Wissenschaft erschlossene Werdewelt im Glauben als eine sinnvolle, aus schöpferischem Sinn kommende Welt zu verstehen. Bezogen auf die Erschaffung des Menschen heißt das: Seine Erschaffung bezeichnet nicht einen fernen Anfang, sondern mit Adam ist jeder und jede von uns gemeint: Jeder Mensch ist direkt zu Gott. Der Glaube behauptet vom ersten Menschen nicht mehr als von jedem von uns und umgekehrt von uns nicht weniger als vom ersten Menschen. Jeder Mensch ist mehr als das Produkt von Erbanlage und Umwelt, keiner resultiert allein aus den errechenbaren innerweltlichen Faktoren. Wir Menschen sind von Gott gewollt, nicht bloß als Wesen, die „da sind“, sondern als Wesen, die ihn kennen; nicht nur als ein Gebilde, das er gedacht hat, sondern als Existenz, die ihn ihrerseits denken kann. Unser Gewollt- und Gekanntsein von Gott ist unser Geschaffensein von Gott.

Glaube an Gottes Schöpfung ist nicht irreal. Er ist vernünftig. Er verengt nicht, er weitet unseren Blick auf die Wirklichkeit. Ihm kommt, gesehen auf die Ergebnisse der Naturwissenschaften, eine umfassendere Perspektive zu Wenn wir die Begriffe richtig fassen, können wir nicht sagen: Schöpfung oder Evolution. Die richtige Formel muss vielmehr lauten: Schöpfung und Entwicklung. Beide Begriffe sind die Antwort auf zwei verschiedene Fragen. Die biblische Geschichte vom Ackerboden und vom Atem Gottes erzählt ja nicht, wie ein Mensch entsteht. Sie erzählt, was er ist. Sie erzählt seinen innersten Ursprung. Sie hellt auf, was hinter ihm steht. Und umgekehrt versucht die Evolutionslehre biologische Abläufe zu erkennen und zu beschreiben, aber sie kann damit die Herkunft des Menschen nicht erklären, nämlich seinen innersten Ursprung und sein eigenes Wesen. „Die Schöpfung“, so Papst Benedikt XVI. zu Priesterkandidaten aus Südtirol, „wartet auf Menschen, die sie von Gott her anschauen. Der brutale Verbrauch der Schöpfung setzt dort ein, wo es keinen Gott gibt, wo Materie nur noch Material für uns ist, wo wir selbst die letzten Instanzen sind, wo das Ganze uns einfach gehört und wir es für uns verbrauchen. Und der Verbrauch der Schöpfung setzt dort ein, wo wir keine Instanz mehr über uns haben, sondern nur noch uns selber wollen; er setzt dort ein, wo es keine Dimension des Lebens über den Tod hinaus mehr gibt, wo wir in diesem Leben sozusagen das Ganze an uns reißen und das Leben so voll besitzen müssen wie nur möglich, wo wir alles haben müssen, was überhaupt zu haben ist.“ Eine Welt, die nur sich selbst verdankt?! Eine solche Welt ist Richard Dawkins Welt, und die ist atheistisch. Atheisten warben einst auf Werbeflächen von Bussen mit dem Slogan: „Wahrscheinlich gibt es keinen Gott. Kein Grund zur Sorge. Geniess das Leben!“ – „Wahrscheinlich“?! Offensichtlich scheinen sich Atheisten ihrer Sache doch nicht so ganz sicher zu sein!

Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck

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