Ein Netzwerker vor dem Herrn
Nach fast 30 Jahren als Pressesprecher im Bistum Essen ist Ulrich Lota am Freitag, 24. Januar, in den Ruhestand verabschiedet worden. Foto: Nicole Cronauge | Bistum Essen
Das Ruhrgebiet ist zwar nicht New York. Aber als Ulrich Lota im Sommer 1995 seinen Dienst als Pressesprecher des Bistums Essen antrat, da boten sich – zumindest räumlich – ähnlich himmlische Aussichten für den damals 36-jährigen Journalisten: „In New York gilt ein Eckbüro mit zwei Fenstern als das Höchste. Ich hatte das auch vom ersten Tag an“, freut sich Lota heute noch. Dass sein Arbeitsplatz nicht in einem Wolkenkratzer, sondern parterre mit Blick auf den Essener Burgplatz liegt, sollte sich als besonderer Vorteil herausstellen. „Man ist schnell draußen, hat zum Beispiel einen kurzen Weg zum Bischofshaus. Aber umgekehrt sind auch andere schnell hier. Besonders in den Anfangsjahren kamen viele Journalisten, die gerade in der Innenstadt waren, oft einfach mal auf einen Sprung rein. Da wuchs eine gute Kollegialität“, erinnert er sich. Mit seinen Fähigkeiten als charmanter Netzwerker und erfahrener Redakteur baute der gebürtige Essener die erfolgreiche Medienarbeit der Katholischen Kirche in seiner Heimatregion auf – und machte sich damit auch deutschlandweit einen Namen. Nach fast 30 Jahren im Dienst des Bistums verabschiedet sich Ulrich Lota nun in den Ruhestand.
Es tat sich gerade ganz schön was in der Medienwelt, als Ulrich Lota Mitte der Neunziger sein Büro im Bischöflichen Generalvikariat bezog. Seine Stellenbezeichnung lautete offiziell „Leitung der Zentralabteilung Information“. „Man hatte bis dahin das Verständnis, dass die Kirche die Öffentlichkeit über bestimmte Dinge informiert, also dass es eine einseitige Geschichte ist. Dass man mit der Presse kommuniziert, mit den Menschen in einen Dialog tritt – darum war es bisher nicht gegangen. Das änderte sich dann zum Glück“, berichtet Lota.
Der Spross einer Arbeiterfamilie beackerte mit seinem wachsenden Team viel Neuland – und das fruchtete. Auf die Innovation Internet reagierte er mit dem Auf- und stetigen Ausbau eines Online-Angebots des Bistums. „Wir galten schon früh als Trendsetter“, sagt er selbstbewusst. Nachdem 2009 der heutige Bischof Franz-Josef Overbeck sein Amt in Essen antrat, begann man dann „den gesamten Bereich Kommunikation auf den Prüfstand zu stellen“, so Lota. „Vor allem haben wir uns gefragt: Wie schaffen wir es, Zielgruppen zu erreichen, die wir bisher nicht erreicht haben?“
Das Ergebnis dieser Überlegungen landet seit 2013 regelmäßig in den Briefkästen der katholischen Haushalte im Ruhrgebiet und im Märkischen Sauerland: „BENE – Das Magazin des Bistums Essen“. Das Konzept der kostenlosen Zeitschrift entwickelte Lota mit der Journalistin Jutta Laege, die bis 2018 auch die BENE-Redaktion leitete. Der Leitsatz „Mensch sein im Bistum Essen“ bringt die thematische Weite des Printprodukts seitdem auf den Punkt. „Mein Anspruch daran war immer: Die Katholizität sollte nicht aus dem Heft triefen“, beschreibt es der Medienmann. „Die, die eine größere Distanz zur Kirche haben, sollten sagen: ,So ein Heft hätten wir dem Bistum nicht zugetraut‘. Den eingefleischten Katholiken auf der anderen Seite wollte ich immer den Satz entlocken: ,Für dieses Heft muss man sich nicht schämen.‘“ Bis heute bringt BENE vier Mal im Jahr die Menschen der Region in Kontakt mit der Kirche und sorgt für Lese- und Gesprächsstoff.
Über den Bistumsrand hinaus blickte der Journalist ebenfalls regelmäßig. 14 Jahre lang war er Vorsitzender der „AG Pressesprecher“, eines Zusammenschlusses aller Pressestellen-Leitenden der Bistümer, Erzbistümer und katholischen Hilfswerke Deutschlands. Zudem ist Lota weiterhin in der Landesanstalt für Medien, der Aufsichtsbehörde des privaten Rundfunks, aktiv: In der Medienkommission vertritt er die Katholische Kirche in Nordrhein-Westfalen.
Neben den positiven Akzenten, die Ulrich Lota im und für das Bistum Essen setzen konnte, standen Krisen, um die er sich als Kommunikationsexperte kümmern musste. „Die Finanzen waren immer ein Problem, es musste ständig weiter gespart werden“, nennt er eines der schwierigen Themen, die ihn beschäftigt hielten. Das „Kleinerwerden der Kirche in Deutschland“, geht dem Katholiken durchaus auch persönlich nah. „In Bochum habe ich das erste Mal miterlebt, wie eine Kirche profaniert wird. Wie die Kerzen ausgeblasen werden, der Altar abgedeckt und das Allerheiligste aus dem Tabernakel geholt wird. Dann gehen die Gemeindemitglieder aus der Kirche raus. Ich habe – zum Beispiel als Messdiener in meiner Jugend – schon viele Beerdigungen mitgemacht. Das war eine der schlimmsten.“
Als besonders erschütternde Erfahrung in seiner Berufslaufbahn beschreibt Lota die kommunikative Begleitung der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum. „Ich gehörte von Anfang an einer Arbeitsgruppe zu diesem Thema an. Eine Zeit lang habe ich in dem Zusammenhang gemeinsam mit einer Kollegin Gespräche führen müssen, mit Tätern und – natürlich getrennt voneinander – mit Betroffenen. Ich kann mich an viele dieser Gespräche erinnern, nach denen man erst mal allein sein musste, weil man nicht fassen konnte, was man gerade gehört hatte.“
Einen Ausgleich zu solchen Arbeitsphasen fand Lota als ausgesprochener Familienmensch im Zusammenhalt zu Hause: Er ist seit 42 Jahren mit seiner Frau Susan verheiratet. Die beiden haben zwei erwachsene Kinder und mittlerweile drei Enkeltöchter.
Dass Lota erst über Umwege in den Journalismus und schließlich an die Spitze des Stabsbereichs Kommunikation im Bistum fand, erwies sich auch als wichtige Grundlage für den Umgang mit schwerwiegenden Themen: Zuvor hatte er beim Amtsgericht Essen gearbeitet. „Mir hat die Zeit dort später sehr geholfen. Bei Gericht hatte ich schon viel Schreckliches erlebt, etwa als Protokollführer bei Prozessen. Da wurden auch Straftaten verhandelt, die Leib und Leben von Menschen gefährdet und sogar beendet haben“, erzählt er. Im Alter von 16 Jahren hatte er nach dem Realschulabschluss seine Beamtenlaufbahn begonnen, brachte es vom Justizassistentenanwärter zum Justizobersekretär.
Nebenbei holte er am Abendgymnasium das Abitur nach. „Das war schon sehr anstrengend, nach Feierabend noch zur Schule zu gehen“, schildert Lota rückblickend. Immer wieder kam es vor, dass er oder andere es nicht zum Unterricht schafften, weil der bisherige Arbeitstag zu hart war. Klassensprecher Uli sorgte dafür, dass jeder, der mal fehlte, von den anderen hinterher mit den nötigen Informationen versorgt wurde. Da bahnte sich schon an, was später berufliche Routine für ihn sein würde.
Jedoch schien für den Essener nach dem Abi 1982 zunächst ein Jurastudium die richtige Wahl zu sein. Schließlich erkannte er aber: Das Fachgebiet Journalistik an der Universität Dortmund passte besser zu ihm. Nach einem integrierten Tageszeitungsvolontariat bei der NRZ, dem erfolgreichen Diplom und freier Mitarbeit, war er vier Jahre als Redakteur bei den Borbecker Nachrichten im Einsatz.
Als Lota 1995 zum Bistum Essen wechselte, war ihm die Institution Kirche nicht fremd. Unter anderem war er zwei Jahre lang Stadtvorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) in Essen. „Dadurch hatte ich schon einen gewissen Einblick in kirchliche Strukturen, Abläufe, Hierarchien. Ich wusste auch um die Schwerfälligkeit des Systems Kirche“, sagt er unumwunden. „Am Anfang habe ich mich schon gefragt: Wie lange hält man hier durch?“
Fast drei Jahrzehnte sind es nun geworden – und mit vielen anderen im Ruhrbistum blickt nun auch der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer wehmütig auf den anstehenden Abschied: „Uli Lota wird uns sehr fehlen. Er kennt unser Bistum durch und durch, war für mich immer ein guter Ratgeber und in der Öffentlichkeitsarbeit eine sichere Bank mit seiner Erfahrung und seinem journalstischen Gespür.“ Der Generalvikar weiß, wovon er redet, weil er selbst in seinem Ursprungsberuf Journalist ist. „Deshalb haben wir uns immer bestens verstanden, weil wir gemeinsam der Überzeugung sind, dass die Katholische Kirche eine offene Medienarbeit braucht“, so Pfeffer. Ulrich Lota habe mit seinem Team dafür gesorgt, dass das Ruhrbistum in der Medienlandschaft für Transparenz und Modernität stehe. Ganz besonders lobt der Generalvikar seinen langjährigen Kommunikationschef für das umsichtige Krisen-Management.
Auch Bischof Franz-Josef Overbeck spricht Lota seinen Dank aus: „Ulrich Lota war nicht nur Kommunikationschef für das Bistum, sondern auch mein persönlicher Pressesprecher. Daher hatten wir ein besonderes Vertrauensverhältnis. Ich bin ihm sehr dankbar für seinen kompetenten Rat und viele öffentliche Statements, die er als ‚Stimme des Ruhrbischofs‘ in die Öffentlichkeit getragen hat .“ Lota habe sehr dazu beigetragen, dass die Katholische Kirche zwischen Lenne, Ruhr und Rhein in der Öffentlichkeit als aufgeschlossene christliche Gemeinschaft wahrgenommen werde – trotz aller Herausforderungen. Bei einer Feier am 24. Januar haben Bischof Overbeck, Generalvikar Pfeffer und viele Weggefährtinnen und Weggefährten mit Ulrich Lota auf die gemeinsame Zeit zurückgeschaut.
Das Eckbüro mit Blick auf den Essener Burgplatz hat der baldige Rentner inzwischen schon fast ausgeräumt. In 30 Jahren sammeln sich eine Menge Unterlagen und Erinnerungsstücke an. Es gilt, Platz zu machen für seinen Nachfolger: Jens Albers. Der 44-Jährige arbeitet bereits seit 2011 im Stabsbereich Kommunikation des Bistums und war zuletzt Lotas Stellvertreter. „Das erleichtert vieles, meinen Nachfolger so gut zu kennen. Es ist schön, dass es jemand aus unserem Team ist.“ Für alle aus seinem Stabsbereich Kommunikation hat der scheidende Chef Lob übrig: „Jede und jeden, der hier arbeitet, hab ich mit aussuchen können. Das war ein Privileg. Ich habe geguckt: Können die ihr Handwerk, passen die ins Team? Da habe ich eine glückliche Hand gehabt“, kommentiert er stolz.
Ausgerechnet an Altweiber wird der Karnevalsfreund Ulrich Lota zum letzten Mal in der Pressestelle des Bistums als Mitarbeiter anzutreffen sein. Und dann? „Was ich mir vorgenommen habe für den Ruhestand? Bewusst nichts“, sagt er entschieden. Gut möglich, dass er häufiger mit dem Fahrrad in der Gegend unterwegs sein oder die Museumslandschaft der Region erkunden wird. „Es gibt in Essen und in der Umgebung ja zum Glück viel zu sehen.“ Ebenfalls im Blick behalten will Lota – mit dem nötigen Abstand – die Medienszene, insbesondere die christliche. „Klar muss man sich fragen, wie man noch Kirchenthemen in die Welt tragen kann, so dass sie in der Gesellschaft wahrgenommen werden. Das wird eine schwierige Aufgabe sein. Aber ich bin überzeugt: Katholische Medienarbeit hat eine Zukunft. Nur muss man sie immer weiter verändern.“