von Thomas Rünker

Domsingknaben und Philharmoniker gedenken mit Mozarts Lacrimosa

Gemeinsames Domkonzert am 75. Jahrestag des Weltkriegsendes. Wegen der Corona-Pandemie mussten die Musiker ohne Live-Publikum musizieren. Dafür entstand ein professionelles Musik-Video das nun im Internet abrufbar ist.

Kameras und Kabel, Scheinwerfer-Stative, Mikrofon-Ständer – der Essener Dom sieht an diesem Nachmittag eher aus wie ein Fernsehstudio. Auf den Altarstufen stehen vier Streicher der Essener Philharmoniker neben der Osterkerze, davor sitzt Domorganist Sebastien Küchler-Blessing an einem Orgel-Spieltisch, flankiert von je zwei Domsingknaben. Mit entsprechendem Abstand angesichts der Corona-Pandemie stehen überall in der Kirche stehen Musiker und Sänger für ein einzigartiges Musik-Projekt: Als musikalisches Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren führen die Essener Domsingknaben und die Essener Philharmoniker gemeinsam das Lacrimosa aus Mozarts Requiem (KV 626) auf. Wegen der Corona-Pandemie ohne Live-Publikum, dafür als aufwendig produziertes Musik-Video für Zuhörer und Zuschauer im Internet und den Sozialen Medien.

Als Dirigent „das Gehör am besten ausschalten“

Von einem flachen Pult mitten im Kirchenschiff aus dirigiert Domsingknaben-Leiter Harald Martini Musiker und Sänger. Egal ob Probe-Durchgang oder vor laufenden Kameras: „Wir musizieren, als wäre es das Endergebnis“, spornt er das Ensembles an. Martini breitet die Hände aus, im Dom wird ist es mucksmäuschenstill. Er gibt einen Takt vor, dann setzen die Streicher ein und wenig später schallt es von allen Seiten „Lacrimosa dies illa“ (deutsch: „Tränenreich ist jener Tag“). Das bringt den wenigen Zuhörern reichlich Gänsehaut. Erst recht denen, die in diesem Moment an die Trümmerberge denken, die hier, wo jetzt rund 30 Musiker singen und spielen, noch vor 75 Jahren lagen – genauso übrigens wie im Saalbau, der Spielstätte der Essener Philharmoniker. Jetzt stehen links und rechts auf den Dom-Umgängen die tiefen Männer- und die hellen Kinderstimmen der Domsingknaben, auf der Empore im Westbau erklingen die Posaunen und neben dem Siebenarmigen Leuchter die Trompeten und die Pauken. „Als Dirigent muss ich hier mein Gehör am besten ausschalten“, sagt Martini in einer Pause. Wegen der großen Entfernungen zwischen den Musikern kämen die einzelnen Töne so unterschiedlich bei ihm an, dass er sich bei seinem Dirigat nicht allein auf den Klang verlassen könne. „Ich höre die Stimmen unterschiedlich früh.“

Kirchenmusik-Komponist Gregor Linßen dreht das Video

Dass Ganze dennoch zu einem stimmigen Gesamtwerk zusammenzuführen, ist der Job von Gregor Linßen. Der bekannte Kirchenmusik-Komponist und -Musiker ist heute als Regisseur des Musikvideos im Essener Dom. Er steuert Kameras, Ton und Licht, schraubt hier an einem Stativ und bittet dort einen Mitarbeiter, sich bei den Aufnahmen doch noch etwas tiefer zwischen die Kirchenbänke zu hocken, um nicht im Bild zu sein.

„Die Corona-Pandemie drohte dieses Gedenken zu überschatten“

Der 8. Mai, traditionell ein Tag des Gedenkens und Erinnerns, sieht zum 75. Jahrestag des Kriegsendes anders aus als sonst. „Die Corona-Pandemie drohte dieses Gedenken zu überschatten“, sagt Hein Mulders, Intendant der Essener Philharmoniker, in seinem gemeinsamen Grußwort mit Dompropst Thomas Zander. Umso mehr freue er sich, dass die Philharmoniker und die Domsingknaben, „dieses Gedenken musikalisch würdigen“. „Heute erinnern wir uns an dieses Datum und erinnern an die vielen Menschen weltweit, die unter dem Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen gelitten haben und bis heute leiden“, sagt Dompropst Zander.

Erinnerung mit einer Musik, die seit über 200 Jahren für Trauer, Schmerz und Leid steht und doch in ihrer Bedeutung und Popularität auch für internationale und kulturelle Verbindungen in Europa und darüber hinaus, die unmittelbar nach den Grausamkeiten des Zweiten Weltkriegs kaum denkbar waren. So stehen auch der gebürtige Niederländer Mulders und der deutsche Dompropst Zander für ein heute völlig selbstverständliches Miteinander in Europa, das in 75 Jahren Frieden erst entstehen musste. „Versuchen wir immer, auf friedliche Art und Weise Lösungen miteinander zu finden“, beendet Mulders sein Grußwort, bevor Martini das Lacrimosa einsetzen lässt: 2:35 Minuten Zeit für Besinnung, Gedenken – und musikalischen Hochgenuss.

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Leiter der Essener Domsingknaben

Harald Martini


Pressestelle Bistum Essen

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45127 Essen