von Maria Kindler

Die katholische Kirche und die AfD

Nach den jüngsten Stimmenzuwächsen für die AfD bei der Bundestagswahl sehen aktuelle Umfragen die Partei inzwischen beinahe gleichauf mit der CDU. Die in Teilen als gesichert rechtsextrem geltende Partei findet mit ihrer auf Ausgrenzung und auf einen völkischen Nationalismus setzenden Programmatik auch in kirchlichen Milieus Anklang etwa in Fragen des Rechts auf Abtreibung. Am Dienstag, 20. Mai, fragt die Tagung „Ziemlich falsche Freunde“ in der Mülheimer Bistums-Akademie „Die Wolfsburg“ nach der Vereinbarkeit der AfD-Programmatik mit christlichen Grundüberzeugungen.

Tagung „Ziemlich falsche Freunde“ analysiert Unvereinbarkeit von AfD-Programmatik und Christentum

Studie kritisiert AfD als antisozial, ausgrenzend und christlichen Werten widersprechend

Kirche positioniert sich klar gegen völkischen Nationalismus und für eine offene Gesellschaft

Für die katholische Sozialethikerin Marianne Heimbach-Steins ist die Sache klar: „Eine Politik der Ausgrenzung nach dem Freund-Feind-Schema steht in krassem Widerspruch zu einem christlichen Verständnis des menschlichen Miteinanders unter den Vorzeichen von Geschöpflichkeit, Gotteskindschaft, Personwürde, Nächstenliebe und der Option für die Armen.“ Das sagte Heimbach-Steins im Interview für die Sommerausgabe (1/2025) des Magazins „Akzente“ der Bistumsakademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim. „Deshalb muss gegen alle Positionen, die bestimmte Gruppen diskriminieren und ihnen gleiche Achtungsansprüche und gleiche Rechte verweigern oder entziehen wollen, entschiedener Widerspruch eingelegt werden.“ Am Dienstag, 20. Mai, ist die renommierte Wissenschaftlerin eine der Referentin der „Wolfsburg“-Tagung „Ziemlich falsche Freunde. Warum Rechtspopulismus und Christentum sich gegenseitig ausschließen sollten“. Von 10 bis 17 Uhr stellt sie gemeinsam mit drei weiteren Mitgliedern ihres Forschungsteams die im Juli erschienene Studie „Die Programmatik der AfD – eine Kritik“ vor, die das aktuelle Bundeswahlprogramm der AfD mit Positionen der katholischen Kirche abgeglichen hat.

Analyse von Narrativen und Themenschwerpunkten des AfD-Programms

Anlass der Studie sei auch die internationale Rechtsdrift gewesen. „Es geht darum, Menschen zu erreichen, die sich Sorgen machen um die Zukunft unserer offenen Gesellschaft, um die ethischen Standards unseres Zusammenlebens und die von einem christlichen Standpunkt aus informiert Position beziehen wollen“, sagte Heimbach-Steins im Interview.

Methodisch untersuchte das Forscherteam sowohl grundlegende Narrative der Partei als auch konkrete Themenfelder. Die Themenanalysen reichten von Geschlechterrollen über Migrations- und Religionspolitik bis hin zu Sozialstaat, Europa und Klimawandel. Dabei wurde jeweils in drei Schritten vorgegangen, wie Heimbach-Steins erläutert: „Erstens haben wir die Positionen der AfD beschrieben, diesen zweitens Positionen der katholischen Soziallehre gegenübergestellt und drittens die Befunde sozialethisch vergleichend kommentiert.“

Gesellschaftsbild der AfD: Bedrohung und Abschottung

Was die Studie über die Programmatik der AfD besonders deutlich macht: „Alles Krisenhafte wird als Katastrophe gelesen und zu einem umfassenden Bedrohungsszenario komponiert.“ Vor diesem zutiefst pessimistischen Hintergrund werde das Bild einer Gesellschaft entworfen, „die sich gegen alles Fremde und gegen alle, die als anders wahrgenommen werden, abschotten muss: das Bild einer Gesellschaft ohne Empathie gegenüber besonders verletzlichen Menschen und Gruppen.“

Darin zeige sich „eine gefährliche Allianz aus völkischem Nationalismus und krassem Leistungsdenken zu Lasten von Ärmeren, von Menschen mit Behinderung, von Menschen, die im Alter nicht mehr leistungsfähig sind, von Zugewanderten und Geflüchteten, die bei uns Schutz suchen“, sagte Heimbach-Steins. 

Zu Menschen in der katholischen Kirche, die mit der AfD sympathisieren, weil sie beispielsweise Schnittstellen zwischen dem Parteiprogramm der AfD und der offiziell geltenden katholischen Lehre finden, etwa in Fragen des klassischen Familienbildes, der heteronormativen Geschlechterordnung beziehungsweise dem Gender-Thema, sagte Heimbach-Steins: „Man kann nicht gleichzeitig eine Politik programmatischer Ausgrenzung und Spaltung der Gesellschaft unterstützen und in einem kirchlichen Ehren- oder Hauptamt den Anspruch christlicher Nächstenliebe glaubwürdig bezeugen.“

Klares Ja zur deutlichen Positionierung gegen völkischem Nationalismus

Marianne Heimbach-Steins

Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins ist seit 2009 Direktorin des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. Sie ist u.a. Gründungsmitglied des Vereins AGENDA – Forum katholischer Theologinnen und seit 2021 Vorsitzende der Internationalen Vereinigung für Moraltheologie und Sozialethik (IVMS).

Die Deutsche Bischofskonferenz habe trotz des Vorwurfs der illegitimen Einmischung der Kirche in politische Belange gut daran getan, mit ihrem Positionspapier im Februar 2024 deutlich zu machen, dass völkischer Nationalismus und Christentum unvereinbar seien. „Als öffentliche Akteure haben die Kirchen eine Mitverantwortung für das Zusammenleben. Sie können nicht unbeteiligt beiseitestehen, wenn Strömungen an Einfluss gewinnen, die die Grundlagen eines menschenwürdigen und fairen Umgangs, die Anerkennungsansprüche eines jeden Menschen untergraben. Das liegt parteipolitischer Einflussnahme weit voraus“, betonte Heimbach-Steins.

Denn: „Wachsamkeit, klare Widerworte und entschiedene Anwaltschaft für diejenigen, die von Ausgrenzung und Diffamierung bedroht oder betroffen sind, ist gerade jetzt Auftrag der Gläubigen in ihren Lebenswelten und der Kirchen in der Öffentlichkeit.“

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