von Ludger Klingeberg, Thomas Rünker

Der Täter sucht Vergebung – der Strafprozess Sanktion

Über den schwierigen Umgang mit Fehlern und Schuld und die christliche Botschaft von Sünde und Vergebung diskutierten Juristen und Theologen am Donnerstagabend im Essener Landgericht.

Einen schlechten Umgang mit Fehlern hat Gefängnisseelsorger Klaus Schütz, am Donnerstagabend in Essen der Gesellschaft bescheinigt. „Wir tun uns schwer damit zu akzeptieren, dass Menschen fehlerhaft sind. Wir weisen die Schuld von uns und suchen einen Sündenbock“, sagte der Koordinator der Gefängnisseelsorge im Ruhrbistum bei der Podiumsdiskussion „Verbrannte Biographien“ im Essener Landgericht. Rund 160 Besucher verfolgten die Diskussion über den Umgang mit Schuld und die Rolle der christlichen Botschaft von Sünde und Vergebung, zu der auch die katholische Akademie „Die Wolfsburg“ eingeladen hatte.

Nach Ansicht von FAZ-Redakteur Daniel Deckers macht die wachsende Digitalisierung den Umgang mit Schuld nicht einfacher: „Das Internet vergisst nichts. So haben Täter wenig Chancen, ihre Schuld nach Verbüßung einer Strafe hinter sich zu lassen.“ Problematisch sei auch die verbreitete mediale Verdachtsberichterstattung. Schon vor der Eröffnung eines Gerichtsprozesses würden Beschuldigte häufig durch die Berichterstattung vorverurteilt und gebrandmarkt, so der Journalist.

Ob die Katholische Kirche diesen Prozess durch ihr Konzept von Sünde und Vergebung heute noch positiv beeinflussen kann, hängt nach Ansicht des Münsteraner Theologen Jan Loffeld von ihrem eigenen Umgang mit Schuld ab. Jahrhundertelang habe die Kirche versucht, Gut und Böse normativ zu unterscheiden. Als moralische Instanz könne sie heute aber nur noch auftreten, wenn sie transparent und konsequent eigene Rechtsbrüche sanktioniere. Als kritische Beispiele führte der Theologe den Umgang mit dem Missbrauchsskandal in der Kirche oder den Fall des ehemaligen Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz van Elst an.

Davor, den Ausgleich zwischen Tätern und Opfern in den Vordergrund zu stellen, warnte der Bochumer Strafrechtler Gereon Wolters. Im Strafprozess gehe es um die Sanktionierung von Unrecht. Wenngleich verständlich sei, dass Täter auch nach Vergebung suchten, sei dieser Aspekt nachrangig. Demgegenüber betonte der Vorsitzende Richter am Essener Landgericht, Peter Wilfinger, wie wichtig auch in der Rechtsprechung das Verhältnis von Täter und Opfer ist. So sei einerseits ein glaubhaftes Schuldeingeständnis des Täters vor Gericht ein Bemessungspunkt für die zu erwartende Strafe. Andererseits sei es auch für die Opfer wichtig, dass der Täter Reue zeigt und um Vergebung bittet. Dass auch für den Täter Vergebung wichtig sei, betonte Pfarrer Schütz. „Jeder Mensch sehnt sich nach Vergebung. Für die Täter stehen dabei meist die persönlichen Bezüge im Vordergrund. Sie fragen sich nicht, was die Gesellschaft über sie denkt, sondern ob sie ihrer Familie und ihren Freunden trotz ihrer Schuld wieder in die Augen blicken können.“

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