Der Bischof auf der Philharmonie-Bühne

Am Palmsonntag rezitierte Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck in der Essener Philharmonie zu Marcel Duprés "Kreuzweg" die Meditationen von Paul Claudel.

Palmsonntags-Konzert in der Essener Philharmonie

Die große Bühne, nun ja, die ist Ruhrbischof Franz-Josef Overbeckirgendwie gewohnt. Aber die Bühne der Philharmonie Essen hat er bisher noch nicht betreten. Und so erleben die Konzertbesucher am Palmsonntag, dem Beginn der Karwoche, eine außergewöhnliche Premiere: Der renommierte Organist Ludger Lohmann spielt eines der eindrucksvollsten Orgelwerke überhaupt: Marcel Duprés "Der Kreuzweg". Und Overbeck liest die dazugehörenden Kreuzwegmeditationen von Paul Claudel. Es wird ein Palmsonntag-Abend, der an Intensität kaum zu steigern sein dürfte. Bei der Premiere mit dem Bischof verwandelt sich die Philharmonie zu einem Gotteshaus der ganz besonderen Art.

Als die beiden Männer die Bühne des Alfried Krupp Saals betreten, keimt zaghaft Beifall auf - die Atmosphäre ist verhaltener als sonst bei großen Konzerten. Overbeck steigt sofort ein, ohne lange Einleitungspause. "Nun ist es Aus", rezitiert er Claudels Meditationen zur ersten Station, Jesus wird zum Tod verurteilt. "Wir haben ihn gerichtet...". Der Bischof, er trägt einen schwarzen Anzug ohne Brustkreuz, deklamiert nicht mit künstlichem Pathos, spricht vielmehr zum Publikum, schnörkellos, mit klarer Betonung und sonorer Stimme. Vor sich nur das dünne Mikrofon, kein Rednerpult, auf das er sich stützen könnte. Der Bischof nimmt sich ganz zurück hinter dem Text und erzeugt so eine dichte Konzentration.

Musik-Drama in 14 Bildern

Lohmann spielt das komplexe Orgelwerk nuancenreich und eindringlich. Es entstand 1931. Marcel Dupré war damals zu einem Konzert nach Brüssel eingeladen. Die Kreuzwegmeditationen von Paul Claudel standen auf dem Programm; und der weltbekannte Komponist sollte zu den Texten improvisieren. "Der Kreuzweg" entstand, eine Art Musik-Drama in 14 Bildern.

Kaum hat Overbeck den Text zur ersten Station beendet, setzt Lohmann ein. Eine Gerichtsfanfare ertönt, Dupré beschreibt, wie Pontius Pilatus sein Urteil fällt. Die Zuschauer hören plastisch heraus, wie die Menge zusammenkommt vor dessen Amtssitz, wie sie dessen Frage nach einer Gefangenen-Freilassung mit "Barabbas" beantworten und wie die Menge bei Jesus gellt: "Kreuzigt ihn. Kreuzigt ihn." Die Orgel schreit es geradezu heraus.

Gedanken an die Opfer des Flugzeugabsturzs in Frankreich

Bei dem Text zur vierten Station wird die Stimme Overbecks ein wenig leiser, beinahe zart. Jesus begegnet seiner Mutter. "O Mütter, die ihr das erste und einzige Kind habt sterben sehen...". Wohl kaum jemand im Saal, der da nicht an die Mütter denken muss, die ihr Kind bei der Flugzeug-Katastrophe in Frankreich verloren haben. Overbeck wird später sagen, dass diese Bilder auch bei ihm mitschwangen. Er war Kaplan in Haltern, der Stadt, aus der so viele getötete Schüler stammen. Er habe aber auch an die Opfer der Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) denken müssen. Stiller Schmerz, weinende Einsamkeit, Verlassenheit - all das malt Dupré in dieser Station nach, in der sich Sohn und Mutter begegnen.

Vor der Aufführung hatte der Theologe und Musikwissenschaftler Wolfgang Bretschneider, selbst renommierter Orgelsolist, eine gründliche Einführung in das Werk Duprés gegeben und die Leitmotive erläutert. Er wies auf die letzte, die 14. Station, hin, als Jesus ins Grab gelegt wird. Hier wechselt Dupré von Moll in Dur - am Ende bleibt die Hoffnung auf Erlösung.

Wie diese Zusammenarbeit mit der Philharmonie denn zustande gekommen sei, wird Overbeck nach der Aufführung in kleiner Gesprächsrunde gefragt. Er gehe häufig in die Philharmonie, erzählt er bereitwillig. Der Vorgänger des jetzigen Intendanten Hein Mulders, Johannes Bultmann, habe ihn vor drei Jahren gefragt, ob er sich einen Auftritt vorstellen könne. "Ich mache das nur, wenn es im Rahmen eines geistlichen Konzertes ist", habe er ihm geantwortet, wenn es eine Reflexion auf die Heilige Schrift bedeute. "Schließlich bin ich der Bischof und kein Künstler." (kna)

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