Christlicher Glaube kennt keine Angst vor dem Fremden

Zu Gastfreundschaft und Solidarität gegenüber Flüchtlingen ruft Bischof Overbeck in seiner Weihnachtsbotschaft auf. „Das Boot ist lange noch nicht voll“, betont er mit Blick auf die öffentlichen Proteste, die sich gegen eine vermeintliche Überfremdung und Islamisierung wenden. Der Christliche Glaube kenne keine Fremden.



Weihnachtsbotschaft von Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck

Die Grenzen in den Köpfen und Herzen abzubauen, Gastfreundschaft zu zeigen und die Menschen aufzunehmen, die in ihrer Not Zuflucht in unserem Land suchen, dazu ruft Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck in seiner Weihnachtsbotschaft auf. „Das Boot ist lange noch nicht voll, das sagen wir gerade als Kirche von Essen“, betonte Overbeck am Heiligen Abend in der Christmette im Essener Dom.

Manche meinten, es seien schon genügend Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, der Islam würde hierzulande zu einer Bedrohung und die Gesellschaft überfremdet. „Zurzeit sind es rund 200.000 Flüchtlinge, die wir aufnehmen“, so der Bischof. Er erinnerte daran, dass beispielsweise im Libanon jeder vierte Mensch ein Flüchtling sei, dass in anderen Ländern, in  denen große Armut herrsche, Millionen von Flüchtlingen Zuflucht gefunden haben und integriert werden müssten. Schon allein deshalb könne für das vergleichsweise reiche und wohlhabende Deutschland „das Boot noch lange nicht voll“ sein.


Vieles ist beschämend

„Während Millionen von Menschen vor Terror und Unterdrückung fliehen müssen, ihren Besitz, ihre Familien, ihre langen Traditionen und erst recht ihre Heimat verlieren, sich unter lebensgefährlichen Bedingungen in andere Länder retten, leben wir hier in der Gefahr, uns ständig um uns selbst zu drehen“, sagte Overbeck. Das gelte für jene, die glaubten, die europäische Kultur vor einer Islamisierung oder Überfremdung schützen zu müssen. Das gelte für jene, die keine Gastfreundschaft üben wollten. Das gelte auch für so manche „kurzatmige Politik“, die weder ein umfassendes Konzept noch eine Strategie habe. Das gelte für den Umgang mit dem Abschieberecht und für die Problematik der Ausweisung, aber auch für die Gesundheitsversorgung und den Umgang mit minderjährigen Flüchtlingen und deren Bildung. „Vieles ist beschämend“, so der Bischof. Er wolle die Gefühle und die Stimmungen von Menschen weder beiseiteschieben noch klein reden. Aber in der heutigen globalen Welt sei der Versuch, sich radikal abzuschotten, keine Lösung.


Gastfreundschaft und Solidarität sind gefragt

Für Overbeck ist es eine „absurde“ Behauptung, dass Justiz, Kultur und Politik hierzulande kurz vor einer Islamisierung stünden. „Wir stehen in einer offenen Welt und müssen in ihr die Errungenschaften unserer politischen und sozialen Kultur mit Leben füllen, nicht nach hinten verteidigend, sondern nach vorne durch ein klares Wertekonzept stützend“, unterstrich der Ruhrbischof. Rituale der Angst und Hetze seien nutzlos und der falsche Weg. Hier sei Vernunft gefragt, „die – und das ist die Botschaft von uns Christen an Weihnachten – zutiefst vom Glauben getragen wird, damit der Zusammenhalt unserer Gesellschaft von der Würde des Menschen her bestimmt wird, die tief in Gott gründet und die niemandem genommen werden kann, gleich welcher Herkunft und welchen Glaubens er ist“, so Overbeck. Darum seien Gastfreundschaft, Solidarität und das Leben in einer offenen Gesellschaft „das Gebot der Stunde“. Der christliche Glaube sei solidarisch mit allen Menschen, kenne keine Angst vor dem Fremden, „weil Gott selbst in jedem Menschen, ob nah oder fern, auf uns zukommt“, betonte der Bischof. Heimat sei eine globale Größe geworden. „Der Pass eines jeden Menschen beschreibt nicht die Grenze unserer Gastfreundschaft“, sagte Overbeck mit Nachdruck.

Das „Friedenslicht aus Bethlehem“, das die Pfadfinder alljährlich nach Deutschland bringen, erinnere daran, dass der Friede die „Sprache Gottes“ sei, die jeder Mensch verstehe. „Jesus, der Mensch gewordene Sohn Gottes, ist unser Friede und unser Licht“, so der Ruhrbischof. Das Boot sei deshalb „immer noch nicht voll, weil wir eine zum Frieden fähige, integrationsfähige Gesellschaft sind, in der wir Christen helfen, Raum zu schaffen für Solidarität und die Achtung der Würde aller“. (do)

Predigt von Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck

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