von Cordula Spangenberg

Burkhard Hose: Kirche wächst, und zugleich geht sie zugrunde

Christen und Idealisten haben gemeinsame Interessen. Während Teile der Kirchenstruktur zertrümmert werden, gibt es neue Bündnisse zwischen Menschen, die eine bessere Welt gestalten wollen.

Kirche wächst, und zugleich geht sie zugrunde. Es wächst die Gruppe der Menschen am Rande und außerhalb der Kirche, die mit den Christen ähnliche Werte teilen und bereit sind, Kraft in eine bessere, demokratische, gerechte und ökologisch sensible Welt zu investieren – eine Welt, die im Christentum „Reich Gottes“ genannt wird. Zugrunde geht eine Form der Kirche, deren Markenzeichen hierarchische Macht und Missbrauch dieser Macht sind: So sieht der Würzburger Hochschulseelsorger Burkhard Hose die Turbulenzen der gegenwärtigen Kirchengeschichte. Hose selbst trauert nicht über die Kirche in Trümmern. Im Gegenteil fühlt er eine neue Lebendigkeit. Denn er interessiert sich stärker für die wachsende Zahl idealistischer junger Menschen, weniger für die Strukturprobleme der Kirche. Welche Perspektiven die Kirche hat, wenn sie sich – mit biblischer Rückversicherung - auf einen demokratischen Austausch einlässt, erläutert Hose im Podcast „Quergelesen“ des Medienforums im Bistum Essen im Gespräch mit Vera Steinkamp, Leiterin des Medienforums, und Michael Dörnemann, der die Arbeit des Dezernates Pastoral im Bistum Essen verantwortet.

Christen und Sympathisanten wollen eine bessere Welt gestalten

Als Hochschulseelsorger und auch in seinem zivilgesellschaftlichen Engagement in der Flüchtlingshilfe begegnet Burkhard Hose sehr unterschiedlichen Menschen: Denen, die daheim in ihrer Pfarrgemeinde verwurzelt sind, Erfahrung mit Gemeinschaft, Gottesdienst, Ritualen, aber auch dem katholischen Verwaltungswesen haben. Vor allem aber begegnet er der größeren Gruppe derer, die ungeprägt von früheren Kirchenerfahrungen zur Hochschulgemeinde dazu stoßen, weil sie hier andere treffen, die auch lieber eine bessere Welt als die eigene Karriere gestalten wollen – oder die beim Yoga oder in Meditationskursen ihren Weg gefunden haben, im Einklang mit der Schöpfung zu leben. „Mir ist es egal, ob ich diese Leute innerhalb oder außerhalb der Kirche kennenlerne“, sagt der Hochschulseelsorger und erklärt seine Haltung mit der Bibel: „Senfkorn und Sauerteig: Da wächst nichts Altes, sondern etwas unkontrollierbar Neues.“ Solche Sympathisanten habe es schon zur Zeit Jesu gegeben: Sehr respektierte „Gottesfürchtige“, die Anschluss an die jüdischen Synagogengemeinden suchten, weil Monotheismus und Ethik sie überzeugten, ohne dass sie Beschneidung und Speisevorschriften berücksichtigen wollten.

„Burkhard, ich glaube, wir haben Eucharistie gefeiert“

Eine neue Kirchenordnung hat Hose nicht parat. Dennoch hat er registriert, dass die Studierenden, als sie mitten im Lockdown zu Hause in der WG Gottesdienst feierten, auch Brot und Wein teilen wollten. Eine Rückmeldung: „Burkhard, ich glaube, wir haben Eucharistie gefeiert. Das war nicht geplant.“ Kontrollverlust der verfassten Kirche nennt Hose das: „Vielleicht lädt Jesus Christus auf subversive Weise dazu ein.“

Die Kirche verändert sich ständig, auch in der Bibel ist nicht alles eindeutig, so lautet Burkhard Hoses Mantra, ein in seinen Büchern immer wieder auftauchendes Motiv. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass die Kirche an vielen Stellen – etwa in der Krankenhaus-Seelsorge, bei der Caritas oder in der Nachbarschaftshilfe der Pfarrgemeinden – sehr präsent sei. Zugleich nehme die Öffentlichkeit beim Thema „Kirche“ derzeit nur „Missbrauch“ und „Macht“ wahr. Und auch die Priester selbst ständen unter immensem Druck, so Hose. Viele Kleriker reagierten angesichts riesiger Pfarreien und überbordender Verantwortung mit Kontrolle: „Das ist kein böser Wille, sondern Überforderung. Priester sein, nah bei den Menschen sein, sie behüten und begleiten, das ist ein sinnvolles Amt.“

„In die Kirche passen wir nicht rein?“

Michael Dörnemann, der ebenso wie Burkhard Hose in den 80er Jahren die jugendliche, enthusiastische Entscheidung für den Priesterberuf getroffen hat, sieht sich als Leiter des Dezernates Pastoral zwar als „Teil des Systems Kirche“. Aber auch er will das alte System nicht retten, sondern lieber zu einer Transformation beitragen mit dem Ziel, Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche zu erreichen, die von sich selbst denken: „In die Kirche passen wir nicht rein“, die aber trotzdem sensibel sind für die Botschaft Jesu. Die Zukunftsbild-Projekte des Bistums Essen haben diese Leute im Blick: Segnungs-Gottesdienste für Neugeborene, sozial-pastorale Zentren in den Ballungsräumen, Pop-Kantoren für eine von Musik getragene Spiritualität – überall wird die Kirche neu wahrgenommen. „Auch für die Pfarrgemeinden ist das bereichernd zu sehen: Diese Menschen bringen uns voran“, so Dörnemann.

Die Dinge geschehen lassen, stärken und wertschätzen, was sich gerade in der Kirche entwickelt: Dass das ein guter Weg ist, darüber sind sich die beiden Priester Hose und Dörnemann einig. Und beide hat ein Moment des Corona-Jahres 2020 besonders berührt: Als Papst Franziskus in der Fastenzeit auf dem menschenleeren Petersplatz in Rom mutterseelenallein den Segen „Urbi et Orbi“ gespendet hat. Katholische Rituale, so sagen beide, bewahren einen heilsamen Schatz.

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